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Kommentar zu Merkels KlischeebildernDie Mär von den faulen Südländern

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Angela Merkel setzt auf populistische Rhetorik anstatt Wählern klarzumachen, dass Finanzhilfen kein generöses Geschenk an faule Versager sind. Das ist gefährlich.

G ehen die Portugiesen zu früh in Rente? Dauern die Ferien der Spanier zu lange? Und versaufen die Griechen unserer Oma ihr klein Häuschen? Nein, das sind alles haltlose Klischees. Warum aber wärmt die deutsche Kanzlerin, die es besser wissen muss, sie dann auf? Und warum jetzt?

Wer will, kann darin ein bewährtes Muster erkennen. Erst erklärte Merkel auf dem Höhepunkt der Sarrazin-Hysterie "Multikulti" für gescheitert. Dann, als zu Guttenbergs Plagiate aufflogen, stellte sie sich demonstrativ hinter ihren populärsten Minister. Und jetzt greift sie eben das Vorurteil auf, Griechen, Spanier und Portugiesen würden sich auf deutsche Kosten ein schönes Leben machen.

Der Applaus der Bild-Zeitung kann ihr dabei sicher sein - "ihr Griechen, ihr griecht nix", titelte die schließlich einmal. Die Iren erwähnte Merkel vorsorglich nicht, weil die ja nicht ins Klischeebild vom "faulen Südländer" passen.

DANIEL BAX ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Man kann Merkel zugutehalten, dass sie letztlich trotzdem Kurs hält. Auch wenn sie im vergangenen Jahr ihre Zustimmung zum EU-Rettungsschirm bis zu den Wahlen in Nordrhein-Westfalen hinauszögerte (was ihr bekanntlich nichts genützt hat), so hat sie ihm letztlich zugestimmt. Und Merkel weiß auch, dass womöglich bald schon wieder ein neues Rettungspaket für Griechenland geschnürt werden muss.

Deutsches Eigeninteresse

Doch statt ihren Wählern und Steuerzahlern endlich reinen Wein darüber einzuschenken, dass solche Finanzhilfen kein generöses Geschenk an faule Versager, sondern im wohlverstandenen deutschen Eigeninteresse sind, setzt sie lieber auf populistische Rhetorik.

Kollateralschäden am europäischen Projekt nimmt sie dabei in Kauf. Denn solche Sprüche sind gefährlich. Schon jetzt ist das Sparprogramm, das etwa die griechische Regierung ihren Bürgern aufbürdet, brutal. Merkels Bemerkungen eignen sich da nur zu gut, um von Griechenland bis Portugal antideutsche Gefühle anzufachen.

Auf der anderen Seite zeigt die Erfahrung, dass es nur Rechtspopulisten nützt, wenn man ihre Parolen aufgreift. Bislang ist es Merkels Union gelungen, keinen Raum für eine Partei rechts von ihr zu lassen. Und man darf vermuten, dass ihre platten Sprüche über angebliche südländische Arbeitsscheu vor allem dazu dienen sollen, rechte und euroskeptische Wähler an die Union zu binden. Die nächsten Wahlen in Bremen und in Berlin werden zeigen, ob dieses Kalkül aufgeht - oder ob nicht vielmehr rechtspopulistische Splitterparteien davon profitieren.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

14 Kommentare

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  • V
    vic

    @ franziska.qu

     

    schon richtig.

    Aber irgendwas müssen sie richtig gemacht haben, sonst wäre sie nicht abgewählt worden, oder?

  • F
    franziska.qu

    Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns an das Wirken der SPD/GRÜNEN-Regierung von 1998 bis 2005 erinnern. Kann sich noch jemand erinnern, was da jeden Tag für eine neue Sau durchs Dorf getrieben wurde?Steuersenkung für die Reichsten. Die anderen zahlen seither mehr! Am Ende stand die Agenda 2010 mit Niedrigstlöhnen und Hartz 4. Zerschlagung der bisherigen Lohn- und Tarifstruktur. Am Ende benötigen seither hunderttausende Essen der Tafeln. Am Ende steht zunehmende Armut. Allein 1 Million Kinder mehr verarmten zwischen 1998 und 2005. Zersplitterung der Sozialversicherung durch teilweiser privater Absicherung. Mitten drin fand die von dieser SPD/GRÜNEN-Regierung durchgeführte Liberalisierung des Wirtschafts- und Finanzmarktes statt. Wirtschafts- und Finanzkrise also vorbereitet, denn-es waren nicht die Banker, die die Gestze änderten.Angriffskrig gegen Serbien usw...Alles schon vergessen, gelle.

    Sorry, man muß Merkel nicht mögen; aber gegen das oben geschilderte ist Merkels Regierungszeit zwar ebenfalls gegen die Interessen der Mehrheit des Volkes gerichtet. Im Vergleich zur SPD/GRÜNEN Regierungszeit bisher harmloser.

  • V
    vic

    Es gibt in Deutschland zwei Probleme. Das eine ist

    Merkel. Das andere sind die Wähler, die ihr immer noch und immer wieder den Weg zur Macht ebnen.

    Was wurde sie gelobt, als sie nach Fukushima die Machtverlust- Panik überkam: "Die Kanzlerin hat verstanden".

    Das einzige wovon sie etwas versteht, ist wie sie an der Macht bleiben kann. Und dafür ist ihr jedes Mittel recht.

  • S
    Stephanie

    Nach Fukushima gibt es ja auch immer noch eine gewisse Hoffnung, dass die nächsten Bundestagswahlen von der Atomfrage entschieden werden.

    Aber selbst wenn, ich traue Merkel absolut zu, auch das noch zu ihren Gunsten hinzubiegen. Und noch viel viel mehr traue ich den Wählern zu, sie damit durchkommen zu lassen.

     

    Sie kann sich ja ausgerechnet jetzt gerade wieder erlauben, beim Atomausstieg bereits wieder kräftig zurückzurudern.

    Gerade jetzt, wo soeben rausgekommen ist, dass die Kernschmelze in Fukushima augenblicklich eingesetzt hat, obwohl offiziell wochenlang (auch in sämtlichen deutschen Medien) gegrübelt wurde, ob eventuell die Gefahr einer Kernschmelze besteht und wenn ja wann und unter welchen Umständen.

     

    Das ist doch nicht zu fassen! Nach dieser erst wenige Tage alten Meldung, müsste sie doch aus allen Ecken und Enden welche aufs Dach kriegen dafür, dass sie den Atomausstieg bereits wieder verwässern will. Für Empörung gibt es inhaltlich doch jetzt viel mehr Anlass als in den unmittelbar auf das Erdbeben folgenden zehn Tagen.

     

    Nach Inhalten geht es in der Politik eben nicht und daran sind nicht maßgeblich die Politiker schuld. Es geht nur danach, dass Fukushima jetzt zwei Monate her ist und den Wählern damit eben schlicht zu langweilig wird. Da kann die inhaltliche Sprengkraft der neuesten Meldungen noch so explosiv sein.

     

    Die Vorstellung, Wähler hätten ein Gedächtnis, ist einfach nur putzig (um es man so zu formulieren, dass man sich nicht direkt einen Strick nehmen möchte).

  • S
    Stephanie

    Ja genau, die nächsten Wahlen werden zeigen, ob dieses Kalkül aufgeht.

    Wie oft wurde Merkels Ende schon herbeigeredet - dass Guttenbergs Ende auch Merkels Ende sei, da war sich einige Wochen lang aber noch jeder Kommentator sicher.

     

    Die Frage ist doch, über wen Merkels widerliche Strategien mehr aussagen: über sie selber oder über die Wähler, die sie damit bisher noch jedesmal rumgekriegt hat.

  • G
    geht-dich-nix-an

    oh man, ist das lächerlich, was die kanzlerin von sich gibt. XDDD erst sagte sie öffentlich, dass sie sich für bin ladens tod freut und jetzt das. da soll sie sich nicht wundern, wenn deutschland unbeliebter wird.

  • HN
    HANS NIX

    Wenn man keine Substanz hat, dann muss man eben noch ein paar Vorurteile hochkochen. Das hatte man unter SPD und Grünen tagtäglich mit Arbeitslosen, nach Sarrazin muss nun wieder das Südländersüppchen in den Topf.

    In Wirklichkeit ist diese Kanzlerin, diese Regierung nach dem Verlust von Baden-Württemberg am Ende. Wäre die SPD nicht so kaputt, dann wäre Merkel vielleicht schon intern erledigt worden. So kann sie sich halten und neue Abgaben, Ausgaben, Steuern für die EU mit den faulen Südländern rechtfertigen.

    Trotzdem wird weiter gezahlt und daran kann der Normalo eben erkennen, worum es in Wirklichkeit geht: um NICHTS. Die EU und der Euro bleiben so wie sie sind und Merkel hat noch ein paar Jahre ...

  • S
    Susi

    Erfüllt Merkel mit diesen Lügen dreschen eigentlich den Strafbestand der Volksverhetzung? Immerhin macht sie mit Falschinformationen bewusst Stimmung gegen Spanien, Portugal und Griechenland.

  • B
    Bukholst

    Die größte Mär ist die, dass der Euro Europa zusammenbringt. Das Gegenteil ist die Wahrheit: Der Euro ist der gefährlichste Sprengsatz der je an die europäische Einigung gelegt wurde.

    Das europäische Haus wurde für seine Bewohner unattraktiv und ungemütlich als man angefangen hat die Wohnungstüren auszubauen.

     

    Der Einführung des Euro lagen ja auch gar keine wirtschaftlichen Überlegungen zugrunde, sondern es war schlicht die Bedingung der Franzosen für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung.

     

    Es gibt Weisheiten und Wahrheiten die nichts und niemand widerlegen und außer Kraft setzen kann. Eine davon lautet: Bei Geld hört die Freundschaft auf. Immer und überall.

  • U
    Unk

    Ach, ist vielleicht nur die übliche Kriegstreiberei

    die die zivilisierte Welt alle paar Jahrzehnte mal

    heimsucht, um die Wucherungen des Zinseszins mal

    wieder zu resetten. Würd mir da nix bei denken.

  • J
    jasso

    Faule Südländer ? Erst wenn Arbeitsplätze unbesetzt bleiben, weil die angeblich Faulen zuhause bleiben, dann könnte man von Faulheit sprechen. Aktuell sind aber viele ohne Arbeit, und protestieren sogar. Heute wurde sogar eine Demo in Madrid gegen die Misere untersagt - weil sie die Wahlen angeblich stört. Man könnte aber auch in deutschen Medien dem Problem entsprechend über diese Misere in den Südländern öfters berichten.

  • JR
    Jan Reyberg

    Juhu, endlich mal jemand, der begründet, warum es billiger ist Griechenlnd zu Retten als nach einer wohlverdienten Staatspleite diejenigen zu beteiligen die die Anleihen gekauft haben. Ein paar dann eventuell notleidende Banken durchzuziehen ist glasklar teurer, sagt...wer überhaut?

    Dann wissen wir ja jetzt bestens Bescheid. Wegen den Nazis.

  • F
    frustriert

    Die große europäische Idee existiert doch nur wenn wir uns in den Urlaub begeben oder Europa ein "starker Gegner" der USA ist. Wenn wirklich einmal solidarität mit unseren "eurpäischen Freunden", andere Nationen mit denen wir uns zu unserem eigenen Vorteil verpartnert haben, denken wir auf einmal wieder national. Und zwar alle, die Franzosen, die Briten und und und.

    Bis die Welt ihren Nationalimus hinter sich lässt werden noch viele Jahre vergehen. Wahrscheinlich spricht man deswegen auch von einer europäischen Idee und nicht von einer europäischen Realität.

  • FB
    Franz Beer

    Die CDU CSU sollte sich etwas schämen allein aus Parteipolitischem Kalkül Rechtspopulistische Thesen zu vertreten.Es sind wieder mal Wahlen da sollen doch die Stammtische auch das richtige Kreuzchen machen.Vergessen wird allerdings das Deutschland mit ,,Ihren Sorgenkindern,,Griechenland Portugal Irland bisher Prima Geschäfte gemacht hat.Profitiert hat unser Außenhandel.Das wird längerfristig das Eigentor Deutschlands,wenn Griechenland und Portugal nicht mehr unter dem Finanzschirm unterkommen.Dieses Verhalten der CDU CSU nützt nur Ihren Parteien,und schadet allen EU Ländern.Woher Frau Merkel Ihre Statistik nimmt steht in den Sternen.Fahren Sie mal in Urlaub nach Griechenland und Portugal,und informieren sich dort.Die Menschen verdienen einen Bruchteil von unseren Einkommen,bekommen weniger Urlaub ,und gehen im Schnitt mit 65/66 in Rente.Mal sofort die Bild informieren Frau Merkel.Titelseite.Bild hilft Ihnen bei Urlaubs und Rentenfragen liebe Leser.