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Museen untersagen "Fremdführungen"Erklärer müssen draußen bleiben

Immer mehr Museen pochen auf ihr Hausrecht und untersagen "Fremdführungen". Aber wer besitzt die Deutungshoheit über eine Ausstellung?

Auch Kunst im Martin-Gropius-Bau dürfen seit einiger Zeit nur noch die hauseigenen Kräfte erklären. Bild: reuters, Thomas Peter

Miriam Leuneberg* ist freiberufliche Kunsthistorikerin und verdient ihr Geld mit Führungen. Unter anderem begleitet sie Schulklassen und kunstinteressierte Unternehmer durch Berliner Museen und Ausstellungsorte - auch den Martin-Gropius-Bau. Als Leuneberg aber im April eine Gruppe für die aktuelle Schau von Zeichnungen aus dem New Yorker MoMa anmelden wollte, bekam sie eine Absage - für immer: Fremdführungen lasse man grundsätzlich nicht mehr ins Haus, teilte die Leitung mit. Wer Informationen zu den Ausstellungen wünsche, könne ja eine hauseigene Gruppenführung in Anspruch nehmen.

In den letzten Jahren sei die Anmeldung freier Gruppen im Gropius-Bau immer schwieriger geworden, sagt Leuneberg, bislang habe sie aber immer eine Ausnahmegenehmigung bekommen können. Jetzt müssen sich ihre Kunden die Ausstellung von Kräften der Kulturprojekte Berlin GmbH erklären lassen, mit denen das Haus ausschließlich zusammenarbeitet. Oder draußen bleiben. "Diese Aussperrung ist ein Skandal", empört sich die Kunsthistorikerin. "Ich möchte meinen Beruf ungehindert ausüben können. In einem Museum muss freie Meinungsäußerung erlaubt sein, Monopole darf es nicht geben."

Ausgesperrt fühlt sich auch die Kunsthistorikerin Andrea Berger*. Den Gropius-Bau hat sie schon länger von ihrer Angebotsliste gestrichen. Doch auch in Häusern der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB) muss sie immer häufiger komplizierte Verhandlungen um den Einlass führen. Im Pergamonmuseum, wo sie regelmäßig - gegen eine Lizenzgebühr von 25 Euro plus Eintritt - Gruppen durch die Ständige Ausstellung führt, sei ihr der Zugang zur aktuellen Sonderausstellung, "Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf", verwehrt worden, erzählt sie. Begründung: Fremdführungen seien "nicht vorgesehen". Warum auch immer. Die taz erfährt bei der Besucherinformation nur: "Das ist eine neue Anordnung von oben für alle Sonderausstellungen."

Warum sollen sich Besucher nicht mehr aussuchen dürfen, von wem sie durchs Museum geführt werden? Miriam Leuneberg vermutet dahinter auch ein taktisches Kalkül: "Man will die Deutungshoheit über die Ausstellungen behalten. Gebriefte Studenten, die die Sichtweise der Kuratoren wiedergeben, sind für die Museen bequemer als alternative, kritische Blickwinkel."

Der vom Bund finanzierte Martin-Gropius-Bau bestreitet, dass man Kritik aussperren wolle. Man verweist auf Organisatorisches - und gibt den Schwarzen Peter an die freien Kunstfachleute zurück. "Wir wollen, dass bei uns nicht fünf Führungen gleichzeitig stattfinden, sondern nur eine. Und deren Qualität muss stimmen", sagt Leiter Gereon Sievernich. Man müsse "mindere Qualität" und "Wucher" verhindern: "Wir müssen den guten Ruf unseres Hauses wahren."

Andrea Berger zeigt sich über diese Argumentation verwundert. "Ich hätte keine Probleme damit, meine Fachqualifikation nachzuweisen", sagt sie. Auch die von den Staatlichen Museen 2004 eingeführten Lizenzgebühren für "Fremd"-Führungen akzeptiere sie inzwischen, obwohl diese ihre Verdienstmarge erheblich schmälerten. "Was ich aber inakzeptabel finde, ist die Willkür, mit der die Museen uns Freiberuflern gegenüber operieren", sagt Berger. "Für eine Sonderausstellung soll ich 45 Euro Lizenz bezahlen, zu einer anderen bekomme ich gar keinen Zutritt - es fehlt eine verbindliche Regelung für alle Berliner Museen."

Tatsächlich sind die Regelungen für die Besucherdienste so unterschiedlich wie die Häuser selbst. Wer zum SMB-Verbund gehört, praktiziert ein Lizenzmodell, das auch Städte wie Dresden oder Mannheim verwenden. Der Gropius-Bau orientiert sich mit seiner Abschottungspolitik offenbar am Beispiel des Pariser Louvre. Andere Häuser wie das bundesgeführte Deutsche Historische Museum oder die landeseigene Berlinische Galerie lassen frei geführte Gruppen dagegen gewähren. Der Berliner Senat macht keine Vorgaben, nur einzelne Politiker wie die Grüne Alice Ströver empören sich über das Gebaren der Museen. Seit der großen MoMa-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie 2004 beobachtet Ströver, dass Museen den Besucherservice immer öfter an Fremdfirmen delegieren und sich gegen vermeintliche Konkurrenten abschotten. "Es kann nicht in kulturpolitischem Interesse sein, einen freien Berufsstand auszusperren und nur noch die eigene Sichtweise auf Ausstellungen zuzulassen", sagt Ströver. Andererseits sei es unmöglich, Vorschriften zu erlassen, die für landeseigene, bundeseigene und mischfinanzierte Häuser gleichermaßen gelten.

Im Haus von Kulturstaatsminister Neumann, der unter anderem für den Martin-Gropius-Bau zuständig ist, sieht man kein Problem. Es sei das gute Recht der Museen, mit Führungen selbst Geld zu verdienen, sagt ein Mitarbeiter. Dass den Museen durch Fremdführungen aber wirklich Geld durch die Lappen geht, darf bezweifelt werden: Wenn es Miriam Leuneberg gelungen ist, eine Gruppe anzumelden, zahlt sie neben 25 Euro Lizenzgebühren den vollen Eintrittspreis - ohne Gruppenermäßigung. Bei einer Beschränkung auf 25 Teilnehmer bleibt für Leuneburg wenig hängen. "Für die Museen lohnt sich der Deal", meint sie. "Ich bringe denen zahlende Kunden. Für mich aber lohnen sich Gruppenführungen immer weniger."

Auch Andrea Berger betrachtet sich nicht als Konkurrentin der Museen: "Meine Unternehmer und Ärzte haben kein Interesse an Standardführungen. Wenn sie nicht mit mir in eine Ausstellung können, gehen sie lieber gar nicht."

* Namen von der Redaktion geändert

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8 Kommentare

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  • F
    Frank

    Hallo zusammen,

     

    leider ist dieser Artikel und die ebenso aufschlussreiche wie interessante Diskussion dazu schon anderthalb Jahre her. Kann bitte jemand der Guides oder sonstwie Eingeweihten mal etwas zum aktuellen Status Quo in Berlin mitteilen? Vor allem, ob und wie die damals anscheinend begonnene Ausgrenzungspolitik der Museen gegenüber privaten, kommerziellen Stadtführern sich bis heute weiter entwickelt hat.

     

    Beste Grüße und herzlichen Dank im voraus,

    Frank

  • I
    idrian

    und wieder einmal scheint, wie es dem artikel zu entnehmen ist, wowis kulturprojekte berin gmbh hinter vielen zu stecken: hier wollen sich ein paar leutchen sämtliche geldtöpfe der kulturszene sichern.

    fragwürdig dabei ist jedoch, wie über mit öffentlichen geldern subventionierte einrichtungen entschieden wird. etwas anderes wäre es da, wenn sich besagte häuser frei, also ohne steuergelder etc. finanzieren würden. aber so muss mir als besucher die entscheidung zugestanden werden, von wem ich mir die kunst erklären lassen möchte und von wem nicht: immerhin wird dieser ganze quatsch, den ich ja noch nicht einmal mit aussuchen darf, auch von meinem geld bezahlt!!

    => alles andere ist unlautere bevormundung mit dem sinn und zweck, sich dreist die taschen vollzuhauen. apropo taschen vollhauen: eben jene im beitrag angesprochene kulturprojekte gmbh hat sich ja gerade ein paar milliönchen dafür in die taschen fließen lassen, dass sie 80 (nein, keine 800!) künstler präsentiert.=> wahscheinlich hat wowi wirklich angst davor, die wahl zu vergeigen und will zuvor noch mal seine lieblinge mit taschengeld versorgen..

  • S
    Soundso

    Mich würde ja interessieren, wie sich Museen zu "Fremdführungen" verhalten, die nicht kommerziell sind, also kein Honorar verlangen, z.B. im Ehrenamt durchgeführt werden; oder aber von Lehrer/innen / Dozierenden der besuchenden Schulklassen o. Uniseminare. Wenn sie die zulassen, ist wohl ziemlich klar, dass es den Museen darum geht, Konkurrenten zu den Firmen, mit denen sie zusammenarbeiten bzw. zu ihrem eigenen pädagog. Dienst, auszuschließen. Das fände ich schon dreist genug - u.a. angesichts der im Artikel genannten Tatsache, dass diese ehrenamtlichen Führungen den Museen ja tatsächlich Besucher/innen bescheren.

    Wenn die Museen aber auch kostenlose "Fremdführungen" ablehnen, ginge es ganz eindeutig um die Deutungshoheit - und das wäre noch hanebüchener. (Das schreibe ich als Teil einer ehrenamtlich arbeitenden Gruppe von "kririschen" Museumsführer/innen.)

    Wohl eine Mischung aus beidem... Ziemlich perfide finde ich das.

  • G
    grafinger

    Moment mal:

    Das Muesum kann sein Hausrecht geltend machen.

    Es kann also den Besuch des Museums an einen bestimmten Zweck binden, z.B. dem der Betrachtung der Exponate. Ein(e) Fremdführer(in)besucht das Museum zum Zweck einer selbständigen Tätigkeit.

    Das muss das Museum nicht tolerieren.

    "Freie Meinungsäusserung" würde auch bedeuten dass Kindergeburtstagsparties im Museum Fangen oder Verstecken spielen bzw. politische Demonstationen stattfinden.

  • I
    Iak

    Hausrecht hin oder her. Es geht doch darum eine Vielfalt zu schaffen. Warum soll ich mir eine Führung geben, die auch von den Machern der Ausstellung durchgeführt wird? Ist doch langweilig, wenn ich von denen nur das erfahre, was sowieso auch im Katalog steht. Zumal ich des Öfteren erlebt habe, dass die lokalen Führung fast ausschließlich von "hausnahen" Studenten (nichts gegen den Nachwuchs!) durchgeführt werden. Warum darf ich mir meine Führung nicht selbst aussuchen?

  • S
    svenski

    Natürlich haben Museen Hausrecht. Museen haben aber auch einen öffentlichen Auftrag, den der Kulturvermittlung. Dafür bekommen sie viel Geld. Und genau jetzt ist zu diskutieren, ob es im Interesse dieses Auftrags liegt, dass sie die Vermittlungstätigkeit und die damit verbundene Interpretationsmacht allein innehaben und kommerziell an dritte weitergeben können, oder ob sie eher den institutionellen Rahmen darstellen, innerhalb dessen jeder Besucher jedem anderen seine Meinung über das Ausgestellte mitteilen darf - auch gegen Geld, wenn es das seinen Zuhörern wert ist.

     

    In Barcelona darf z.B. ein Architekt einer Gruppe von Kollegen keine thematische Stadtführung geben. Das haben die Touri-Guides (die vom Thema wenig Ahnung haben) aus Gründen der "Qualitätssicherung" monopolisiert.

     

    - Alles Mumpitz! Deutungshoheit und Moneten, um nichts anderes geht es hier, und beides ist in diesem Zusammenhang wirklich kein Argument!

     

    Gruß, svenski.

  • JA
    Jonas Amazonas

    Das halte ich für bedenklich: mit dem so genannten "Hausrecht" schleicht sich dann ja wohl auch so etwas wie Deutungshoheit ein.

    Ich erinnere mich an die Frage nach dem Demonstrationsrecht auf Flughäfen, wo die Betreiber auch die Meinungsäußerung mit dem Hausrecht aushebeln wollten, um die Ferienlaune der Flugreisenden nicht zu stören.

    Was erlauben sich Strunz?

  • K
    Kai

    Hm, Museen haben doch Hausrecht oder nicht?