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Missbrauchsforscherin über sexuelle Gewalt"Die Verjährung muss weg"

Die Gesellschaft hat aus den Skandalen der letzten Jahre nichts gelernt, sagt Anita Heiliger. Sie fordert die Abschaffung strafrechtlicher Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch.

Dieser Angeklagte muss sein Gesicht vorm Landgericht in Koblenz präsentieren: In vielen Fällen können die Täter wegen der Verjährungsfrist nicht strafrechtlich verfolgt werden. Bild: dapd
Interview von Christian Füller

taz: Frau Heiliger, welche Forderung halten Sie für die wichtigste, um sexuellen Missbrauch zu bekämpfen?

Anita Heiliger: Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche darf strafrechtlich nicht verjähren, die Verjährungsfristen müssen weg.

Warum?

Anita Heiliger

ist Sozialwissenschaftlerin, die lange am Deutschen Jugendinstitut geforscht hat. Heiliger hat sich mit Tätersstrategien befasst. Zum Beispiel in "Sexuelle Gewalt. Männliche Sozialisation und potenzielle Täterschaft".

Weil es sich dabei um ein Verbrechen handelt, das Menschen für ihr ganzes Leben schädigen kann. Wenn die Opfer endlich über das reden können, was ihnen als Kind angetan wurde, kann man das Verbrechen in den meisten Fällen nicht mehr verfolgen. Das laxe Strafrecht führt also dazu, dass die betroffenen Menschen für immer in der Macht der Täter bleiben. Die Täter müssen aber wissen: Wenn sie so ein Verbrechen gegen ein Kind begehen, kommen sie da nie mehr raus.

Manche Kritiker wie der Autor Tilman Jens sprechen davon, dass es eine Hetzjagd auf echte oder vermeintliche Täter gebe.

Davon kann keine Rede sein, damit entlarvt sich Jens als Täterschützer. Die meisten Täter bleiben doch straflos - wegen der Verjährung, der Täterorientierung des Strafrechts, aber auch wegen der Glaubwürdigkeit, die Opfern sexueller Gewalt in aller Regel abgesprochen wird. Die Betroffenen kommen so in eine unerträgliche Situation. Ihnen fällt es unendlich schwer, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Die Unabhängige Beauftragte Bergmann konzentriert ihre Empfehlungen auf Therapien und Entschädigung für die Opfer. Was halten Sie davon?

Das sind zweifellos wichtige Aspekte. Den Opfern muss geholfen werden, aber Entschädigung ist eine zweischneidige Sache.

Was meinen Sie damit?

Institutionen, die Missbrauch nicht wirklich bekämpfen wollen, kaufen sich durch Entschädigungen frei. Das Hauptproblem dabei ist, dass die Täter selbst nicht belangt werden. Die Gesellschaft und der Staat stehen für die Taten ein, nicht die Täter.

Aber die Opfer haben doch etwas davon?

Für die meisten Opfer von sexuellem Missbrauch ist eine Entschädigung zunächst nicht so wichtig. Sie wollen als Erstes, dass das Verbrechen anerkannt wird. Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als dass der Schuldvorwurf von ihnen genommen wird.

Zum Beispiel der Vorwurf, dass es ihnen Spaß gemacht habe?

Es ist ein wesentlicher Teil der Täterstrategie, das Kind durch eigenes Lustempfinden in die Falle zu locken, den Missbrauch zu dulden und zu schweigen. Es fühlt sich schuldig, weil es sich nicht gewehrt, dass es mitgemacht oder gar Lust empfunden habe. Wer solche Argumente bedient, wird Teil der Täterlobby.

Was genau meinen Sie mit "Täterlobby"?

Alle Leute, die die Tat verharmlosen, relativieren oder gar die Schuld auf die Opfer abwälzen, entlasten die Täter. Sie schützen die Pädokriminellen vor den Konsequenzen ihrer Tat.

Warum verhält sich die Gesellschaft so ambivalent: Einerseits verurteilt sie sogenannte Kinderschänder aufs Schärfste, andererseits nimmt sie kaum Kenntnis von subtilen Täterstrategien?

Solange sie die Tat einem Fremden anlasten kann, ist die Gesellschaft tatsächlich unerbittlich. Sie kann mit dem Finger auf andere zeigen. Wenn sie aber verstehen soll, warum der Vater einer Familie, der Pfarrer einer Gemeinde oder der Leiter einer renommierten Schule so grausam gegen Kinder sein konnte, muss sie den Finger immer auch auf sich selbst und ihre eigene Sexualität richten.

Hat die Gesellschaft nach einem Jahr immer neuer Missbrauchsfälle verstanden, was Missbrauch überhaupt bedeutet?

Nein, überhaupt nicht. Denn sie befasst sich nicht mit der wichtigsten Ursache: der Idee, dass es akzeptable Sexualität sei, wenn Männer ihre Machtinteressen auf sexuellem Weg durchsetzen. Es bleibt dabei völlig ausgeblendet, dass wirklich befriedigende Sexualität gleichberechtigte PartnerInnen voraussetzt. Die Gesellschaft ist an dieser Stelle völlig unaufgeklärt - denn sie definiert männliche Sexualität als Verfügung über Objekte. In diesem Sinne werden Jungen anhand pornografischer Bilder sexuell sozialisiert. Und dann wundern wir uns, wenn sie darauf konditioniert sind, sich an Schwäche und Unterlegenheit sexuell zu erregen. Das ist der Kern des Problems.

INTERVIEW:

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17 Kommentare

 / 
  • SB
    Siegfried Bosch

    Obwohl es über Frau Heiliger und über ihre Gesinnungsgenoss(inn)en viel zu erzählen gibt (an erster Stelle natürlich das Ausblenden von Täterinnen -- Schade, aber nicht überraschend, dass der Interviewer hier nicht einhackt, sondern das einfach so durchgehen lässt), beschränke ich mich auf Folgendes:

    "denn sie [die Gesellschaft] definiert männliche Sexualität als Verfügung über Objekte": Falsch. Sie, Frau Heiliger, definieren männliche Sexualität so. Deshalb ist ihr Bild ja auch so befangen und wirklichkeitsfremd.

  • N
    nachdenken

    @swilly, grella

     

    Ich bin auch dagegen, dass nur der sexueller Missbrauch eine Sonderstellung bekommt - zumal auch "Onanieren vor einem Kind" sexueller Missbrauch bedeutet. Nicht, dass ich das gut finde, aber ich hätte ein Problem, das als schwerwiegender einzustufen als schwere vorsätzliche körperliche Kindessmisshandlung (aber ohne sexuelle Komponente), oder eine Geiselnahme mit Prügereien und Vergewalgungen einer Erwachsenen.

     

    Ja, und bei Mord muss man den niederen Motiv nachweisen. Todschlag (= Umbringen ohne besonders niederes Motiv) und Körperverletzung mit Todesfolge (=man hat das Opfer schwer verprügelt, und draufhin ist das Opfer gestorben) verjähren ja auch.

     

    Verjährung hat mit Vergeben ja nichts zu tun.

     

    @Meli

     

    Die Anstrengung sollte eher in die Richtung gehen, dass der Täter eben nicht erst 60 Jahren nach der Tat angezeigt wird, sondern relativ zeitnah. Und relativ zeitnah bei schwerwiegenden Kindesmissbrauch heißt, Anzeige bis das Opfer 38 Jahre ist.

     

    Die früheren Opfer konnten auch deshalb lange nicht reden, weil die Gesellschaft das Thema nicht kannte. Heute dürfte das anders sein.

     

    Ich finde 10 Jahre Verjährungerfrist etwas grenzwertig - mit 28 ist man oft noch nicht selbstsicher genug - bin also durchaus für eine generelle Verlängerung der Verjährungsfrist auf 20 Jahre, so dass man anzeigen kann, bis man 38 ist.

     

    Aber komplette Abschaffung?

     

    Wenn Sie auch schreiben, dass auch mit einer Abschaffung der Verjährungsfirst nicht viel mehr Täter verurteilt werden würden, warum sollte man das Geld für das Strafverfahren ausgeben? Das Geld könnte man viel sinnvoller für Opferhilfe nutzen.

     

    Auch heißt eine Verurteilung nicht, dass die Gesellschaft von Kosten entlastet wird (es sei denn, der Täter wird durch eine zeitnahe Anzeige an weitere Taten verhindert). Erstens kann ein veurteilter Täter meist sowieso keinen Schadensersatz oder Therapiekosten zahlen, insbesondere wenn er im Gefängnis sitzt. Außerdem kostet Gefängnis auch Geld. Dann hätte das Opfer zwar eine vollstreckbare Titel auf dem Papier, aber davon wird man auch nicht satt.

     

    Durch die Verjährung wird mein Rechtsempfinden nicht beeinträchtigt.

     

    Wenn der Täter eh schon 85 ist und Alzheimer hat und im Altenheim lebt - dann würde mir eine Anzeige auch einfacher fallen als wenn der Täter 50 ist, eine gute Position in der Firma hat und mitten im Leben steht - aber es mir dann persönlich auch egal, ob und wie er bestraft wird. Strafverfahren erst dann, weil ich dann keine Angst mehr vor ihm haben müßte? Und das soll mir Genugtuung bringen?

     

    Für das Rechtempfinden würde es mir viel mehr helfen, wenn die Opferanerkennung von der Täterverurteilung abgekoppelt werden würde.

  • S
    swilly

    Was für ein "tolles" Interview. Der Obermoralist der taz gibt ein Interview mit einer Frau, die das bestehende deutsche Strafrecht in ein amerikanisch (christlich) geprägtes Strafrecht verändert haben möchte. Warum eigentlich? Ist es eigentlich bekannt, dass beim sexuellen Missbrauch eines Kindes die Verjährung erst mit dem 18. Lebensjahr des Opfers beginnt? Es wird nicht erwähnt.

    Cui bono? Warum soll es keine Verjährung mehr geben? Im deutschen Strafrecht gibt es nur eine Straftat, die nicht verjährt. MORD! Wollen Sie jetzt den sexuellen Missbrauch mit Mord gleich setzen? Totschlag eines Menschen verjährt auch! Oder Gefährliche Körperverletzung, bei der ein Mensch fast zu Tode geprügelt wird. Aber ja! Tatsächliche Gewalt ist nicht so schlimm, wie es die sogenannte "Sexuelle Gewalt" ist.

  • HS
    Hans Stoffel

    Vor dem Hintergrund einer durchaus signifikanten "Frauenquote" unter den Tätern (auch wenn - ohne Zweifel - die weit überwiegende Mehrheit der Täter männlichen Geschlechts ist) sollte man Erklärungsmodelle, die an eine spezifische "männliche Sexualität" anknüpfen, als überholt betrachten.

     

    In einem anderen Punkt kann ich kann Frau Heiliger dagegen vollkommen zustimmen: die Verjährung sollte aufgehoben werden. Für viele Betroffene ist es ein jahrzehntelanger Prozess, bis sie überhaupt in der Lage sind, das, was mit ihnen passiert ist, soweit zu artikulieren, das sie Anzeige erstatten können und die anschließenden Vernehmungen und den Prozess durchstehen. Heute scheitert die Strafverfolgung dann allzu oft an der Verjährung, denn die Betroffenen sind dann im Alter zwischen 30 und 40 und selbst das Ruhen der Verjährung bis zur Volljährigkeit des Opfers hilft ihnen dann in den meisten Fällen nicht mehr.

     

    Natürlich macht ein zeitlicher Abstand zwischen Tat und Strafverfolgung die Beweisführung komplizierter, aber dieses Problem beginnt schon relativ kurzer Zeit nach der Tat (wenn forensische Beweise nicht mehr gesichert werden können) und steigert sich dann kaum mehr - ob man nach 10 oder 20 Jahren anklagt dürfte an dieser Stelle wenig Unterschied machen. Da kommt es auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen an und ggf. auf sichergestellte Dokumente (Fotos und Videos).

     

    Eine gewisse "Richterschelte" erscheint mir in diesem Kontext übrigens auch durchaus angebracht, denn in kaum einem Bereich des Strafrechts wird der durch das Gesetz gegebene Strafrahmen so wenig ausgeschöpft wie hier.

     

    Es grüßt Euch: Stoffel

  • M
    Meli

    Was mich doch sehr verblüfft, ist die anscheinend unendliche Bereitschaft, für die Taten der Täter nicht die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, sondern die gesamte Gesellschaft. Ihr zahlt schon längst für die Opfer, durch Therapien, Renten, etc. - und es könnte durch eine Aufhebung der Verjährungsfristen endlich mal das Verursacherprinzip eingeführt

    werden - und dann seid ihr genau dagegen??? Sehr irritierend!

     

    Was ist im Übrigen damit, dass durch die Verjährung das Rechtsempfinden sehr vieler Menschen mit Füßen getreten wird und das Gefühl einer allumfassenden

    Ohnmacht aufkommt - ist das, was diese Gesellschaft braucht? Menschen, die sich ausklinken, und nicht mehr partizipieren? Hat das etwa keine

    Folgekosten?

     

    Gerechtigkeit ist immer eine Fiktion und gerade bei lange zurückliegenden Fällen wird eine Beurteilung der Wahrhaftigkeit der Anschuldigung ohnehin

    neuerdings in die Hände - von nicht gerade als opferfreundlich bekannten - Glaubwürdigkeitsgutachter gelegt, so viel Angst müssen die Täter vor einer Aufhebung der strafrechtlichen Verjährungsfristen also gar nicht haben, es werden noch immer auch dann nur wenige Täter tatsächlich verurteilt werden, sagt mir die Erfahrung.

     

    Solange die Gesellschaft nicht kapiert, dass Täter die Gesellschaft massiv materiell schädigen, indem sie die Intelligenz, Kraft und Kreativität der

    Gesellschaft wegnehmen, indem die Opfer nicht mehr oder nur noch wenig beitragen können zur gesamtgesellschaftlichen Leistung, solange wird sich an den Rahmenbedingungen der Verfolgung dieser Straftaten nichts ändern. Man kann sich nur wundern, dass Leute das gut finden. Wenn man sie persönlich so massiv schädigen würde, wie es die Täter mit der Gesellschaft als Ganzes tun, würden sie schon längst Zeter und Mordio schreien.

  • M
    Meli

    Was mich aber doch sehr verblüfft, ist die anscheinend unendliche Bereitschaft, für die Taten der Täter nicht die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, sondern die gesamte Gesellschaft. Ihr zahlt schon längst für die Opfer, durch Therapien, Renten, etc. - und es könnte durch eine Aufhebung der Verjährungsfristen endlich mal das Verursacherprinzip eingeführt werden - und dann seid ihr genau dagegen??? Sehr irritierend!

     

    Was ist im Übrigen damit, dass durch die Verjährung das Rechtsempfinden sehr vieler Menschen mit Füßen getreten wird und das Gefühl einer allumfassenden Ohnmacht aufkommt - ist das, was diese Gesellschaft braucht? Menschen, die sich ausklinken, und nicht mehr partizipieren? Hat das etwa keine Folgekosten?

     

    Gerechtigkeit ist immer eine Fiktion und gerade bei lange zurückliegenden Fällen wird eine Beurteilung der Wahrhaftigkeit der Anschuldigung ohnehin neuerdings in die Hände - von nicht gerade als opferfreundlich bekannten - Glaubwürdigkeitsgutachter gelegt, so viel Angst müssen die Täter vor einer Aufhebung der strafrechtlichen Verjährungsfristen also gar nicht haben, es werden noch immer auch dann nur wenige Täter tatsächlich verurteilt werden, sagt mir die Erfahrung.

     

    Solange die Gesellschaft nicht kapiert, dass Täter die Gesellschaft massiv materiell schädigen, indem sie die Intelligenz, Kraft und Kreativität der Gesellschaft wegnehmen, indem die Opfer nicht mehr oder nur noch wenig beitragen können zur gesamtgesellschaftlichen Leistung, solange wird sich an den Rahmenbedingungen der Verfolgung dieser Straftaten nichts ändern. Man kann sich nur wundern, dass Leute das gut finden. Wenn man sie persönlich so massiv schädigen würde, wie es die Täter mit der Gesellschaft als Ganzes tun, würden sie schon längst Zeter und Mordio schreien.

  • G
    grella

    Und mal wieder kriechen die Kommentatoren aus den Löchern, die Feminismus mit Männerhass gleichsetzen und das Leiden der Opfer von Sexualgewalt aberkennen mit der Bemerkung, dass die Anschuldigungen manchmal die Falschen treffen (wie oft nun eigentlich im Vergleich zu den unaufgeklärten, unangemeldeten, oder verjährten Misshandlungsfällen? Steht es in irgendeinem Verhältnis dazu?) Würde es in diesem Artikel um irgendeine andere Straftat gehen, die einen Menschen und sein Umfeld derart kaputt machen kann, würde man dann sagen, dass ein strafrechtliches Verfahren den Weg zur Vergebung versperre? Würde man bei einem Mord sagen, "ach, dieser Mensch hat zwar ein oder zwei Menschen ermordet, aber das ist schon 25 Jahren her. Er hat sich gebessert und es tut ihm auch richtig leid, also sollte die Familie der Toten den Täter vergeben. Außerdem komen die Indizien, die ihn belasten, von nur einem Augenzeuge, der so traumatisiert war, dass er erst jetzt aussagt. Sowas ist ja nicht gerade glaubwürdig, oder?" Genau so wird aber über sexuelle Gewalt immer und immer wieder geredet. Um die Kinder und Opfer zu retten, bevor sie Opfer werden, bedarf es nicht nur einer gesellschaftlichen Wandel, um der Atmosphäre der Verharmlosung und des Wegschauens ein Ende zu bereiten, sondern auch einer besseren Aufklärung dieser Verbrechen sowie der angemessenen Bestrafung.

  • N
    nachdenken

    Die Leute, die die Abschaffung der Verjährungsfrist fordern, waren noch nicht selbst in einem Missbrauchs/Vergewaltigungsprozess.

     

    Erstens: viele Opfer erinnern sich erst so spät, WEIL die Verjährungsfrist relativ lang ist, und man erst nach der verjährungsfrist vor Konsequenzen des Erinnerns sicher ist (d.h. man kann sich erinnern, ohne gleich an die moralische Verpflichtung denken zu müssen, im Strafverfahren gegen den Täter aussazueg).

     

    Zweitens: glauben diese Leute tatsächlich, dass die Täter dann wirklich verurteilt werden? Was ist einfacher zu verkraften: Verjährung oder Einstellung/Freispruch?

     

    Von einem Vergewaltigungsopfer, wo das Strafverfahren eingestellt wurde - Mitopfer werden erst nach der Verstreichung der Verjährungsfrist reden, und dann wird man sagen "warum habt Ihr damals nicht hingeschaut, eine Anzeige gab es ja damals schon..."

     

    Mit der Abschaffung der Verjährungsfrist tut man Betroffenen kein Gefallen, auch wenn viele Betroffene es fordern, weil sie den verständlichen Wunsch haben, dass die Täter bestraft werden, aber nicht wissen, dass das oft nicht eintritt im Strafverfahren.

  • M
    MissNorris

    @ Elvenpath:Nee,watt'n Quark!Wo halluzinieren Sie denn "tief sitzenden Männerhass" her? Dass die meisten TäterInnen straflos davonkommen,ist traurige Tatsache und keine Verschwörungstheorie der Femilluminaten und Freihäklerinnen.Und wieso bitte darf man Täterschutz nicht als solchen bezeichnen?Von einer Abschaffung der Unschuldsvermutung redet auch kein Mensch!Was die Sexualität unter gleichberechtigten Partnern angeht:Das ist selbst in BDSM-Kreisen eine Selbstverständlichkeit,lassen Sie sich mal erklären,was ein "Safeword" ist.Wer seinen/ihren Sexualpartner nicht als(mit allen Wünschen,Grenzen und Bedürftnissen) gleichberechtig empfinden will oder kann,sollte es mit dem Sex besser ganz lassen,zumindest,bis die Therapie Erfolge zeigt...

    Herzlichst,

    Miss Norris,Hardcore-Emanze ;-)

  • A
    a.mayer

    "Es ist nur ein weitere Schritt gegen die Menschlichkeit, gegen die Vergebung, gegen den Glauben an die Besserung von Menschen."

    Nun ja, wer wegschauen muss oder von den Opfern verlangen, dass sie vergessen und vergeben, um ans Gute im Menschen zu glauben - dem ist wohl nicht zu helfen.

  • JZ
    J. Zimmermann

    Ich bin ein Mann, der als Junge von einem Heilsarmee-Pfarrer einmal und von meiner Mutter über Jahre hinweg sexuell missbraucht worden ist.

     

    Ich stimme Frau Heilinger zu, dass die Verjährungsgrenzen unbedingt fallen müssen. Bis man sich erinnert, artikulieren kann und die Scham und das Entsetzen überwunden hat, ist das Verbrechen längst verjährt. Die wenigsten können ihre Verdrängung vor dem 30. Lebensjahr überwinden.

     

    In Frau Heiligers Sprache fehlt mir aber ein wenig die Differenzierung. Auch hier, wie meist in der öffentlichen Diskussion, klingt an, dass Täter generell Männer seien. Für jemanden, der von einer Frau missbraucht wurde, klingt das schmerzhaft und abwertend. Täter sind Männer wie Frauen, und eben sehr häufig die eigene Mutter.

     

    Und den Heilsarmeepfarrer würde ich liebend gern vor Gericht bringen, aber es ist schon über 7 Jahre zu spät dafür. Ohne die Verjährungsgrenzen könnte ich ihn anzeigen, und die Polizei müsste ihn ausfindig machen. So geht es nicht, denn die Heilsarmee hält seine Identität vor mir geschützt. So weiß ich nicht einmal, ob er weiterhin Kinder missbraucht.

  • D
    docvonstock

    Die Dame disqualifiziert sich selbst durch das, was sie von sich gibt. Hier werden Opfer auf eine ganz bestimmte Richtung hin eingeengt. Im Strafrecht hat stets die Verhältnismäßigkeit der Mittel zum Straftatsbestand zu gelten. Wer sich darüber hinwegsetzt, der will ein Gesinnungsstrafrecht errichten. Was solche Forderungen so ungemein plakativ und alternativlos erscheinen lässt, ist der Umstand Sexualität. Bei diesem Thema knicken die Menschen vor lauter politischer Korrektheit völlig ein und versuchen den Nachbarn im Schreien nach härteren Strafen zu übertönen.

     

    Dabei wird übersehen, dass Kindesmisshandlung ganz vielfältige Formen besitzt, ja dass anders geartete Misshandlungen ebenfalls ein ganzes Leben lang belasten können und die psychiatrischen Kliniken zur Wohnstatt werden lassen. Solcherart bleibt jedoch straffrei. Das ist auch nicht so pikant und oft sehr wenig spektakulär. Damit lässt sich im Gegensatz zu den Kinderschützervereinen kein Blumentopf für staatlich finanzierte Sozialarbeiterstellen gewinnen.

     

    Wer aber solche Straftaten mit dem erfolgten Konsum von Pornographie durch männliche Jugendliche erklären will, hat von der gesamten Problematik nichts verstanden. Ein solcher Eiferer ist in einer Sekte besonders gut aufgehoben und kann sicher sein, dort niemals mit der Realität konfrontiert zu werden.

     

    Folgt man der Argumentation dieser Dame weiter, so scheint die einzige logische Konsequenz zu sein, dass Kinder einfach abzuschaffen sind, weil dann die Täter auch langsam aussterben. Das hätte zudem noch einen sehr positiven Effekt für unsere Staatsverschuldung. Es könnten enorme Summen eingespart und für Steuersenkungen verwendet werden. Da bliebe dann sogar noch für unsere hehre Kämpferin genügend Geld für einen würdigen Grabstein übrig.

  • D
    dirk

    Leider transportiert Frau Heiliger auch hier wieder das weithin landläufige feministische Vorurteil vom Mann als Täter weiter. Die Realität sieht leider anders aus und es wird einfach nicht wahrgenommen, dass auch Frauen Täterinnen von Missbrauchsfällen geworden sind.

  • E
    Elvenpath

    Solche Hardcore-Emanzen wie Anita Heiliger sind schlechte Ratgeber.

    Bei ihr besteht ganz offensichtlich ein tief sietzender Männerhass Männerhass, der einer sinnvollen Diskussion nicht zuträglich ist.

     

    Haltlose Behauptungen, wie dass die meisten Täter wegen der Verjährung straflos bleiben, obwohl es doch klar sein dürfte, dass nach 20 Jahren es extrem schwierig ist, ein Verbrechen, wie eine Vergewaltung oder einen Missbrauch nachzuweisen, vor allem, wenn sie ihm familiären Umkreis vorgefallen ist.

     

    Natürlich darf die Anschuldigung des "Täterschützers" nicht fehlen, gegen alle, die nicht ihrer Meinung sind.

     

    Auch gehört sie zu der Personengruppe, die glaubt, dass Strafandrohung immer wirkt: je härter, desto besser.

     

    Und der Ansatz, dass die Sexualität eines Menschen nur durch äußere Einflüsse "Konditioniert" wird ist auch grundfalsch, wie die Behauptung, "dass wirklich befriedigende Sexualität gleichberechtigte PartnerInnen voraussetzt". Und dabei rede ich von erwachsenen Menschen.

     

    Natürlich darf auch die Richterschelte nicht fehlen, die ist besonders bei Gewaltverbrechen zur Zeit sehr beliebt. Gesetzt und Richter sind zu lax, Täterlobby... blablabla

     

    Was die Frau bei all dem aber vollkommen außer acht lässt, ist die vernichtende Wirkung von falschen Anschuldigungen.

     

    Natürlich ist es schlimm, wenn einem Opfer nicht geglaubt wird. Aber jeder Mensch hat als unschuldig zu gelten, so lange nicht das Gegenteil BEWIESEN ist und das ist gut so!

     

    Kurze Zusammenfassung ihrer Forderungen: härtere Strafen, Auhebung der Unschuldsvermutung.

    Herzlichen Glückwunsch zu diesen innovativen Ansätzen, die ihre Untauglichkeit oft genug unter Beweis gestellt haben.

     

    Man muss sich fragen, aus welchen Gründen diese Frau diesen Wissenszweig gewählt hat. Objektiv ist sie jedenfalls nicht.

  • M
    marimou

    was heißt: die Gesellschaft hätte nichts verstanden - die Gesellschaft hat schon lange sehr wohl verstanden...

  • D
    diplom_hartzi

    Zitat: Wenn sie aber verstehen soll, warum der Vater einer Familie, der Pfarrer einer Gemeinde oder der Leiter einer renommierten Schule so grausam gegen Kinder sein konnte, muss sie den Finger immer auch auf sich selbst und ihre eigene Sexualität richten.

     

    Das trifft leider auch auf psychisch Kranke Täter zu. Als ich gegenüber einem Betreuungsverein sagte, dass mein psychisch kranker ***** zwei Kinder missbraucht hat (vom Gericht bewiesen), sprach sie mir erst mal meine Wahrnehmung ab und drohte mir wegen meiner behindertenfeindlichen Einstellung. Aber ich könne ja einer Angehörigengruppe beitreten, wo ich lerne, psychisch Kranken zu helfen.

    Noch Fragen?

  • B
    Bahn

    Ich bin sowas von dagegen die Verjährung zu kippen. Es wird kein einziges Kind retten, es wird keinen einzigen Täter abschrecken, wenn die Verjährung gekippt wird. Es ist nur ein weitere Schritt gegen die Menschlichkeit, gegen die Vergebung, gegen den Glauben an die Besserung von Menschen. Ich könnte mir höchstens eine Verlängerung der Verjährung vorstellen, oder Ausnahmeregelungen für besonders schwere Fälle.