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Kommentar Netanjahu vor dem US-KongressSchwanz wedelt mit Hund

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Netanjahu machte in Washington klar, dass er an einem echten Frieden mit den Palästinensern nicht interessiert ist. Die Zukunft seines Landes hat er dabei weniger im Blick gehabt.

W enn es noch eines symbolträchtigen Bildes bedurft hätte, wie sehr die israelisch-amerikanischen Beziehungen aus dem Lot sind, dann hat es Benjamin Netanjahus umjubelter Auftritt vor dem US-Kongress geliefert. Welcher andere ausländische Regierungschef - noch dazu eines Zwergstaates, der von US-Unterstützung abhängig ist - kann es sich schon leisten, den Präsidenten der größten Weltmacht vor den Kopf zu stoßen? Und wird dafür anschließend vom US-Parlament auch noch emphatisch gefeiert? Die Szene wirkte ganz so, als würde hier der Schwanz mit dem Hund wedeln.

Rational erklären sich die Standing Ovations für Netanjahu nur dadurch, dass es sich viele Kongressabgeordneten vor den Wahlen im nächsten Jahr nicht mit den jüdischen und evangelikalen Pro-Israel-Gruppen verscherzen wollen, die sie als Wähler und Sponsoren brauchen. Trotz Gegenströmungen ist der ideologische Einfluss, den diese "Israel-Lobby" auf die Politik der USA hat, immer noch groß.

Für den Nahen Osten heißt das nichts Gutes. Denn Netanjahu machte vor dem US-Kongress klar, dass er an einem echten Frieden mit den Palästinensern nicht interessiert ist. Wer zu fast all ihren Forderungen von vornherein Nein sagt und stets neue Hürden aufstellt, der ist nicht ernsthaft zu "schmerzhaften Kompromissen" bereit, wie er behauptet.

taz

Daniel Bax ist Redakteur im Meinungsressort der taz.

Einmal mehr präsentierte sich Netanjahu seinen Wählern in Israel unter den Siedlern und am rechten Rand als standfest und unbeugsam. Die Zukunft seines Landes hatte er dabei weniger im Blick. Denn sein erfolgreicher PR-Stunt vor dem US-Kongress könnte sich noch als Pyrrhussieg erweisen. Obama ist am Ende eben doch weit weniger auf israelischen Goodwill angewiesen als umgekehrt. Und wenn in der gesamten arabischen Welt der Ruf nach Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie lauter wird, wird man diese den Palästinensern unter Israels Besatzungsregime auch nicht in alle Ewigkeit vorenthalten können.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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5 Kommentare

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  • L
    luther

    unerträglich, der unbegrenzte Friedenswunsch der Palästinenser findet keine Gegenliebe. Da schickt man Rakete auf Rakete und trotz der aufgemalten Friedenstauben huschen die Israelis in die Bunker um sich zu retten, statt auf die Raketenwerfer umarmend zuzugehen. Die Wandlungen des linken Lagers sind wahrlich beeindruckend, man merkt, es ist eine neue Linie ausgegeben und Judenbashing ist in.

  • JR
    Josef Riga

    "Und wenn in der gesamten arabischen Welt .." der Ruf nach Recht und Demokratie auch noch so laut sein wird, Palästina wird es nicht geben, ohne dass man die Juden in die Schranken weißt. aber wer sollte das tun? Wenn selbst Amerika dazu zu feige ist?

  • G
    Gerald

    na, etwas mehr Sachverstand waere hier doch angebracht. Wieviel Waehler juedischen Glaubens gibt es in den USA, 8 oder 9 Millionen? Von denen gehen nicht nur 40% waehlen, sondern die grosse Mehrzahl und im Zweifelsfall unterstuetzen die Israel. Und ganz ohne Einfluss sind diese Buerger auch nicht. Netanjahu vertritt also indirekt auch eine grosse Zahl wichtiger US-Buerger, und kann damit Druck auf Obama ausueben. Dazu kommt dass die Presse (NYT z.B.) im Zweifelsfall sich ebenfalls dort verortet.

    Wenn N also etwas sagt dann hat das sehr wohl innenpolitisches Gewicht fuer Obama.

     

    Ein interessantes Problem, das der Kommentator vielleicht auch deshalb nicht so gerne wahrnimmt weil ein aehnliches in Deutschland auch existiert.

  • A
    AndyCGN

    Wenn man den Beifall für Netanjahus Auftritt quer durch die Reihen gesehen hat, ist die Frage offen, auf welchen Goodwill Obama angewiesen ist. In den USA ist er mit seinen Positionen zum Nahen und Mittleren Osten aktuell nicht mehrheitsfähig - trotz der Eliminierung von Bin Laden.

  • LM
    Luz María De Stéfano Z. de Lenkait

    Die Zeiten der verfehlten Illusionen sind vorbei.

     

    Es war höchste Zeit. Als Staatsoberhaupt der mächtigsten Land der Welt musste sich der US-Präsident Barack Obama mindestens eindeutig positionieren in Bezug auf den zu lang ungelösten Kernkonflikt im Nahen-Osten: Israel versus Palästina. Der US-Präsident bekräftigt eine völkerrechtmäßige Position, nämlich die der Vereinten Nationen, die die Grenzen von 1967 als legitime legale Grenze für Israel und Palästina anerkennt. Der US-Präsident hat eine völkerrechtliche Selbstverständlichkeit angesprochen. Nicht nur alle EU- und UN-Resolutionen, sondern sämtliche Friedenspläne beruhen auf den Grenzen von 1967. Dass sich der israelische Premier Netanjahu wegen der Stellungnahme des US-Präsidenten verärgert gibt, wundert niemanden. Israel hat jahrelang seinen neokonservativen Anker in Washington benutzt und sich daran gewöhnt, die amerikanischen Regierungen in der Hand zu haben. Der aktuelle Präsident macht Schluss damit. Hoffentlich kategorisch wirksam und nicht zu spät. Dass der Israeli Netanjahu dennoch eine dreiste, den US-Präsidenten Obama brüskierende Rede im Kongress hält (Dienstag 24.5.), lässt ahnen, was in den Korridoren der Macht von Washington los ist.

    Schon in der ersten Dezemberwoche 2010 setzte sich die zionistisch-republikanisch-neokonservative PR-Maschinerie voll in Gang.

    1. Spekulationen über den Rücktritt von US-Sonderbotschafter George Mitchell wurden lanciert. Ein erklärter Zionist und treuer Diener Israels, Denis Ross, hieß es, solle sein Nachfolger werden, was als eine „demütigende Niederlage“ für Präsident Obama und seine „Politik des Wandels“ im Mittleren Osten ausgegeben wurde. Die Reise von US-Sonderbotschafter George Mitchell nach Jerusalem Mitte Dezember stellte seinen angekündigten Rücktritt als lancierte Lüge bloß. Unglücklicherweise hatte George Mitchell keinen angemessenen Rückhalt vom Präsident Obama, weshalb er für seine Missionen nicht gut gerüstet war und immer wieder scheiterte bis er die Konsequenzen zog und zurücktrat, allerdings erst jetzt am 13.5.2011.

    2. Der Leiter der unabhängigen UN-Kommission für die Umsetzung des Goldstone-Berichts wurde von der Nichtregierungsorganisation UN-Watch als „Israelfeind“ gemobbt und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon wurde von dieser Organisation aufgefordert, ihn „sofort von seinem Posten zu entfernen“. Kein Wunder: UN-Watch gehört dem Amerikanischen Jüdischen Komitee AJC an und ist bei den Vereinten Nationen akkreditiert.

    3. Rücktrittsforderungen gegenüber dem US-Botschafter Philip Murphy in Berlin, eine weitere Dreistigkeit von bestimmten Medien, wurden sofort und entschieden von der Kanzlerin Angela Merkel zurückgewiesen. Die deutsche Kanzlerin forderte „ausdrücklich nicht“ die Ablösung Murphys, gab ihr Regierungssprecher bekannt (SZ-Meldung vom 4.12.2010).

    4. Die Eskalation im Gelben Meer war ebenso ein gezieltes Manöver gegen den US-Präsidenten, eine verheerende Provokation, die auf Konto der militaristischen, zionistisch-republikanischen Mafia geht.

    5. Obamas Vize-Außenminister ist ein früherer US-Botschafter in Israel, Danny Ayalon, der sich schon 2008 durch verschiedene Äußerungen der Einstellung der Israelis gegen Obama als Präsidentschaftskandidat anschloss. Kein Wunder, dass sich Außenministerin Hillary Clinton auf dem eigenen Betätigungsfeld bei jeder Initiative gebremst sah, sich im Nahen Osten wirksam zu positionieren.

    Es wäre ratsam und konsequenter gewesen, den aufdringlichen Fremden aus Tel-Aviv nicht im Weiße Haus empfangen zu haben. In einer so wichtigen Angelegenheit wie dem Nahost-Konflikt hat Taktieren noch nie zu etwas geführt, wobei die sture Weigerung Israels, sich aus palästinensischen Gebieten zurückzuziehen und die Golan-Höhe an Syrien zurückzugeben, den Friedensprozess definitiv gestoppt hat. Die Chance zum Verhandlungstisch ist seit langem verpasst worden. Solange Israel keinen Schritt tut, seine illegale Besatzung zu beenden, gibt es keine Basis, keinen triftigen und glaubwürdigen Grund, sich mit einem hartnäckigen illegalen Besatzer zusammenzusetzen. Das haben die Palästinenser zu Genüge erfahren und wollen sich deshalb mit Würde und zu Recht nicht weiter auf das Spiel Netanjahus einlassen. Die Zeiten der verfehlten Illusionen sind vorbei.

    Das einzige korrekte und glaubwürdige Verhalten der USA, „den Wandel in der ganzen Region zu unterstützen“, wäre den Wandel zu respektieren, ohne sich weiter darin einzumischen. Stattdessen fällt die inkongruente US-Politik im Nahen Osten auf, die für das Weiße Haus unbequeme Fragen aufwirft. Wieso solidarisiert sich die USA mit den Golfmonarchien, die nichts von Demokratie wissen wollen und die universellen Menschenrechte nicht respektieren? Diese auffällige offenkundige Einseitigkeit der Nahost-Außenpolitik der USA löst Misstrauen aus und nimmt ihr den Rest von Glaubwürdigkeit. Dazu kommt ihre Widersprüchlichkeit, denn wie kann der US-Präsident Demokratisierungspläne fördern wollen und sich „gegen den Einsatz von Gewalt zur Unterdrückung des Volkes“ offen erklären, während er gleichzeitig grausame Bombenangriffe gegen ein kleines Land rechtfertigt, Bombenangriffe, die sicherlich unzählige Menschen töten? Diese Inkongruenz ist eine Abnormität in der Rede von US-Präsident Obama (19.5.). Der Angriff auf Libyen geht auf das Konto seiner Administration und klagt ihn an: Ein weiterer Krieg des Westens gegen ein islamisches Land. Ist das die Demokratie, die der US-Präsident fördern will? Offenkundig nicht auf Reformen, sondern auf nackte Gewalt setzt der Westen in Libyen mit dem Segen des US-Präsidenten, weil er einen Wechsel zu einem prowestlichen Regime erzwingen will. Dabei erweckt Obama den falschen Eindruck, die USA unterstützten militante arabische Befreiungsbewegungen.

    In diesem Zusammenhang steht die regionale Position Syriens mit ihrer Unterstützung des Widerstandes gegen die aggressive israelisch-amerikanische Politik auf der Tagesordnung. Das hat Priorität. Sollten Assad und sein Regime stürzen, werden die USA und Israel eine Marionettenregierung in Damaskus einsetzen - genauso wie im Irak. Das würde Bürgerkrieg bedeuten, nicht nur in Damaskus, sondern auch im Libanon. Selbst der syrische Präsident unterstützt Reformen, doch diese seien nur mit und nicht gegen die Menschen zu machen. Andere Akteure nutzen von Anfang an die Proteste wie in Libyen, für ihre eigenen partikulären Interessen. Washington Post zufolge (17.4.2011) finanziert das State Department insgeheim Gruppen der syrischen politischen Opposition und zugehörige Projekte, um regierungsfeindliche Programme im Land zu verbreiten.

    Der Widerstand Syriens gegen die US-amerikanischen und israelischen Pläne einer „neuen Nahostpolitik“, die auf den Ausbau ihrer Vorherrschaft in der Region abzielen, machen das Interesse der führenden Kreise dieser Staaten an einer Destabilisierung Syriens verständlich. Die Vorgänge in Syrien müssen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Versuchen der internationalen US-Dominanz und Zionismus betrachtet werden nach dem Erfolg der Revolutionen in Tunesien und Ägypten, einen Gegenangriff zu starten, um eine weitere Eskalation der arabischen nationalen Befreiungsbewegung zu behindern. Syrien ist ein Haupthindernis in der arabischen Welt gegen deren Projekt eines „großen Nahen Ostens“. Die reaktionären Kräfte versuchen, reale Unzufriedenheit in Syrien zu nutzen, um Unruhen zu schüren. 2006 sind die USA mit ihrem Plan des „Großen oder Neuen Mittleren Ostens“ gescheitert, den Ex-Außenministerin Condolezza Rice angekündigt hatte. Nun versucht Washington noch einmal mit Obama an der Spitze den Plan umzusetzen. Syrien und Libanon brauchen allerdings eine Regierung der nationalen Einheit, keinen neuen Irak.

    Der US-Präsident hat zwar endlich und zum ersten Mal den israelischen Premier Netanjahu in seine Schranken verwiesen, es bleibt aber offen, ob der US-Präsident entschlossen ist, sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchzusetzen.

    Israel darf nur innerhalb legitimer anerkannter Grenzen existieren. Allerdings ist es in der Tat fragwürdig, ob Barack Obama bereit ist, wirklich die angebrachten Schritte zu tun gegenüber der unverschämten Negative in Washington des unverbesserlichen israelischen Premiers. Die Präsenz Israels jenseits legitimer Grenzen, also die Besatzung von palästinensischen Territorien ist nicht anzuerkennen. Deswegen ist es auch fehl am Platz, unter solchen inakzeptablen Umständen vom Existenzrecht Israels zu schreiben. Im Gegenteil. Alle Israelis haben zweifellos ein Recht auf Leben, ein Recht auf Existenz, wie alle Menschen und Völker. Aber als Staat ist das Existenzrecht beschränkt, nämlich auf die Existenz innerhalb legitimer Grenzen, nicht außerhalb von ihnen. Das gegenwärtige Israel definiert und expandiert sich außerhalb des legalen Rahmens, aufgrund dessen ist sein Existenzrecht als Staat zu Recht umstritten. Das hat sich Israel selbst zuzuschreiben. Wenn Hamas vereint mit Fatah das „Existenzrecht“ Israels bestreitet, ist diese Position völkerrechtlich zu verstehen, weil Israel darauf besteht da zu existieren, wo es fremdes Territorium besetzt hält. Mit anderen Worten besteht es auf einer rechtswidrigen Existenz, da sein hoch hinausposauntes „Existenzrecht“ auf illegaler, illegitimer Basis beruht: Die Besatzung. Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait