piwik no script img

Kommentar AKW-StresstestsFakten schaffen gegen den Wahnsinn

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Ausgerechnet beim Thema Atomsicherheit darf jedes EU-Land allein entscheiden, was es tut. Jetzt braucht es Menschen, die die Atomenergie mit Alternativen wegdrücken.

E ine Banane, die in der EU verkauft wird, muss mindestens 14 Zentimeter lang und 27 Millimeter dick sein. So steht es in der Europäischen Bananenverordnung. Für Atomkraftwerke hingegen, die in der Union betrieben werden, gibt es keine einheitlichen Sicherheitsstandards. Da macht jedes Land gerade, was es will, und der bestenfalls urkomisch auf Vereinheitlichung fixierte EU-Apparat präsentiert sich plötzlich bar jeder formalen Kompetenzen.

Absurder geht es nicht. Wenn irgendwo in der EU ein Atommeiler außer Kontrolle gerät, ist der gesamte Kontinent betroffen. Aber ausgerechnet bei diesem Thema kann jedes Mitgliedsland alleine entscheiden, was es tut und was es lässt. Eine solche Konzeption der EU, die nur bei unwichtigen Themen Standards setzt, ist untragbar. Nach Fukushima mehr denn je. Sonst mutiert die Gemeinschaft am Ende zur - Bananenrepublik.

Apropos Entscheidungskompetenzen: Auch in der Innenpolitik ist beim Thema Atom längst nicht mehr klar, wer hier am Drücker sitzt. Welche Macht hat die Bundesregierung noch in der Energiepolitik - beziehungsweise: In welchem Maße hat sie sich diese bereits von der Nuklearlobby abnehmen lassen?

Bernward Janzing ist freier Journalist in Freiburg.

Wir erinnern uns, wie im letzten Herbst in einer Geheimsitzung die Konzerne der Regierung die Laufzeitverlängerung ins Atomgesetz diktierten. Nach Fukushima wollten Merkel & Co., unter dem Eindruck der Demoskopie scheinbar reumütig gewandelt, beim wieder beschleunigten Ausstieg jeglichen Eindruck der Lobbyhörigkeit vermeiden. Doch gerade dieser fatale Verdacht drängt sich nun erneut auf: Plötzlich steht die gerade erst eingeführte Brennelementesteuer auf der Kippe - womit die schwarz-gelbe Regierung sich anschickt, ihre einzige relevante energiepolitische Errungenschaft in die Tonne zu treten. Auch wieder ein Armutszeugnis.

Damit wird deutlicher denn je, dass die Energiewende nun vor allem Menschen braucht, die tatkräftig daran arbeiten, die Atomkraft durch Alternativen schlicht wegzudrücken. Gestern zum Beispiel erzeugten die Fotovoltaikanlagen in Deutschland 120 Millionen Kilowattstunden Solarstrom - und ersetzten damit die Tagesproduktion von vier Atomkraftwerken.

Fakten zu schaffen, das ist vermutlich zurzeit der beste Weg, die Epoche des atomaren Wahnsinns für alle Zeiten zu beenden. In Deutschland wie in Europa.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.