die wahrheit: Szenen einer Schweizer Krönung

Beim Fußball versteht der Engländer keinen Spaß. Schließlich hat man der Welt das Spiel geschenkt, als 1863 im Londoner Wirtshaus Freemasons Arms die Regeln aufgestellt wurden...

...Deshalb heißt ihr leitendes Gremium einfach nur "Fußballverband", denn alle anderen sind Nachahmer. Ebenso wenig schreiben sie den Landesnamen auf Briefmarken, denn die haben sie ja auch erfunden.

"England wurde selbst von den kleinsten Nationen in der Fußballfamilie attackiert", empörte sich der Daily Telegraph, nachdem kaum ein Land am Mittwoch den englischen Antrag auf Verschiebung der Wahl des Fifa-Präsidenten unterstützen wollte. Nicht mal auf die Nachbarn sei Verlass: Wales, Nordirland und Irland stimmten gegen Englands Antrag. Der englische Verbandsvorsitzende David Bernstein lamentierte, dass "eine Krönung ohne Gegenkandidaten ein mangelhaftes Mandat" sei. Nanu? Gerade Engländer müssten doch an Krönungen ohne Gegenkandidaten gewöhnt sein.

Die Wiederwahl des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter löste eine Welle von Schmähungen aus. "Eine Farce, ein Witz, eine Peinlichkeit und eine Schande", tobte das Boulevardblatt Daily Mirror. Der Guardian verglich Blatter gar mit nordafrikanischen Diktatoren, sein "Geplapper ist genau so verrückt". Die Zeitung erinnerte hämisch daran, dass Blatter in den Siebzigerjahren Präsident der "World Society of Friends of Suspenders" war, einer Vereinigung, die sich dem Kampf gegen die Verdrängung der Strumpfhalter durch Strumpfhosen verschrieben hatte. Und weil er Schweizer ist, kommt sein Heimatland nicht ungeschoren davon. "Die Fifa ist nicht nur von der Überprüfung durch internationale Wahlbeobachter ausgenommen", hieß es, "sondern hat auch das Glück, dort ansässig zu sein, wo andere Westentaschen-Diktatoren lediglich ihr Geld hamstern können: in der Schweiz."

Das Gossenblatt Sun hat in seiner unnachahmlichen Art ein Lied mit dem Titel "Fußballs amtierender Gnom" komponiert. Über Blatters Rede, in der er die Einheit der Fifa-Familie bejubelte, höhnte der Reporter: "Im Jahr 2002 erklärte Saddam Hussein, dass er jede einzelne der 11.445.638 Stimmen in einem Referendum gewonnen habe."

Die Sun hatte ihre Seite-drei-Mädchen vor das Fifa-Hauptquartier nach Zürich geschickt. Allerdings waren die Mädels bekleidet: Sie hatten sich in überdimensionale Hundert-Dollar-Scheine gewickelt und boten den Delegierten Umschläge mit angeblichen Bestechungsgeldern an. Aber vor den Augen der Kameras griff niemand zu.

Englands Qual war komplett, als Julio Grondona, der argentinische Delegierte, Blatters Sieg verkündete. Ausgerechnet Argentinien, das seit dem Falklandkrieg und Maradonas "Hand-Gottes-Tor" als Schurkenstaat gilt! Grondona brandmarkte die Engländer als "Piraten" und erzählte, dass er ihnen vor der Vergabe der Weltmeisterschaft 2018 angeboten habe, für sie zu stimmen - vorausgesetzt, sie geben die Falklands zurück. "Da waren sie traurig", sagte Grondona, "und verließen den Raum."

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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