Land hat keinen Baustopp beantragt: Stuttgart 21 wird weitergebaut
Kommende Woche soll das umstrittene Projekt Stuttgart 21 weitergebaut werden. Das Land Baden-Württemberg kritisiert die Informationspolitik der Bahn.
Stuttgart taz | Die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg hat ihre erste Niederlage einstecken müssen. Im Streit um Stuttgart 21 einigte sie sich am Freitag mit der Deutschen Bahn nicht auf eine Fortsetzung des Bau- und Vergabestopps. „Damit ist klar, dass wir nächste Woche bauen„, sagte Bahn-Vorstand Volker Kefer nach einer Sitzung des S-21-Lenkungskreises in Stuttgart. Im Lenkungskreis sind Vertreter der Bahn, des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart und der Region vertreten.
Entscheidender Knackpunkt der Verhandlungen waren die Kosten eines verlängerten Baustopps. Aus Sicht der Landesregierung hatte die Bahn horrende Zahlen in den Raum gestellt, ohne diese ausreichend zu belegen. Deshalb verzichtete Grün-Rot am Freitag darauf, einen weiteren Baustopp zu beantragen.
In zahlreichen Gesprächen hatte Grün-Rot zuvor versucht, auf eine Fortsetzung des Stopps zu dringen. „Reden lohnt sich“, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch in der vergangenen Woche gesagt. Nun aber wurden Grün-Rot die Grenzen ihrer Möglichkeiten in der Causa S 21 klar aufgezeigt. Die Regierung hatte keinen Hebel in der Hand, um die Bahn zu einer weiteren Baupause zu bewegen. Ihr blieb nichts anderes als Appelle an die Vernunft.
Bahn sah sich verpflichtet, so schnell wie möglich weiterzubauen
Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) waren der Meinung, dass die Bahn mit einem weiteren Bau- und Vergabestopp zumindest bis zum Ergebnis des Stresstests mögliche Fehlinvestitionen vermeiden könnte und alle Beteiligten ein Interesse daran haben müssten, den Weiterbau ohne Proteste durchzuführen.
Die Bahn jedoch hatte damit argumentiert, als Aktiengesellschaft verpflichtet zu sein, so schnell wie möglich weiterzubauen. Ihren Angaben zufolge hätte ein weiterer Baustopp bis zum Stresstest Mitte Juli 50 bis 60 Millionen Euro gekostet. Bis zur Volksabstimmung im Oktober würden laut Bahn gar 410 Millionen Euro anfallen. Diese Kosten sollte das Land Baden-Württemberg übernehmen.
Die Regierung zweifelt diese Zahl stark an und forderte seit Tagen gründlichere Informationen von der Bahn, um die Zahlen zu untermauern. Dies sei auch am Freitag nicht geschehen. Die Kosten seien „auf relativ wenig Papier“ vorgerechnet worden, kritisierte Verkehrsminister Hermann. „Ich weiß nicht, ob die Bahn mit so kurzen Papieren arbeitet. Wir können es jedenfalls nicht.“ Es wäre unverantwortlich gewesen, so Hermanns Argumentation, auf dieser Grundlage als Regierung die Kosten einfach so zu übernehmen.
Bahn will Projekt erst langsam wieder hochfahren
Bahn-Vorstand Kefer wies die Kritik an der Informationspolitik zurück. „Ich glaube, mehr Informationen als bei S 21 hat es im letzten halben Jahr noch nie gegeben.“ Die Bahn habe Zahlen überliefert. „Insofern sind wir der Verpflichtung nachgekommen.“ Außerdem hätte seiner Meinung nach die Regierung erst einen Baustopp beantragen müssen. Bis dahin habe es gar keine Veranlassung gegeben, die Zahlen näher zu erläutern.
Weiter sagte Kefer aber, die Bahn wolle bis zum Stresstest keine Fakten schaffen, die irreversibel wären. Sie wolle nicht provozieren. „Wir möchten das Projekt wieder in ruhigere Fahrwasser bringen.“
Vorerst scheint aber genau das Gegenteil der Fall zu sein. Die Fronten zwischen der Bahn und der neuen Regierung sind unübersehbar verhärtet. Ein Verhandlungsteilnehmer kam nach der Sitzung angesichts der Verhandlungshärte der Bahn kopfschüttelnd aus dem Raum. Minister Hermann sagte: „Ich habe erlebt, wie freundliche Manager auch knallhart sein können.“ Die baden-württembergische FPD-Landesvorsitzende Birgit Homburger sagte am Freitag: „Damit ist Grün-Rot heute in der harten Realität des Regierungshandelns angekommen.“
Entsprechend hart dürften auch die Auseinandersetzungen werden, wenn es um die Bewertung des Stresstests geht. In dem Stresstest soll bis Mitte Juli die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs nachgewiesen werden. Obendrein droht dann auch der Konflikt innerhalb der grün-roten Koalition wieder zutage zu treten. Die Koalitionäre hatten zwar gemeinsam für den verlängerten Baustopp geworben. Inhaltlich aber liegen auch ihre Meinungen nach wie vor weit auseinander.
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