Vietnam und China: Streit ums Meer
Maritimer Territorialstreit zwischen Hanoi und Peking schlägt hohe Wellen. Nach einem schweren Zwischenfall mit einem Seil kündigt Vietnam Marinemanöver an.
BERLIN taz | Zwischen den autoritär regierten Nachbarstaaten China und Vietnam ist der alte Streit um Gebiete im Südchinesischen Meer wieder so stark eskaliert, dass ein Ausweg, der beide Seiten das Gesicht wahren lässt, immer schwieriger wird. Am Freitag meldete das vietnamesische Onlineportal Dat Viet sogar ein Seemanöver mit scharfer Munition. Die demonstrative Übung soll am Montag in dem Gebiet stattfinden, in dem kürzlich zweimal Schiffe der beiden Nationen zusammenstießen. Beide Staaten beanspruchen das öl- und gasreiche Gebiet für sich.
Am Donnerstag war ein von PetroVietnam beauftragtes Schiff zur Erkundung des Meeresgrunds mit einem chinesischen Fischkutter kollidiert. Nach vietnamesischen Angaben rammte der Kutter in vietnamesischen Hoheitsgewässern absichtlich das Forschungsschiff. Dabei sei das an einem Seil hängende Unterwassergeschirr dieses Schiffs gezielt abgetrennt worden.
Eine vietnamesische Außenamtssprecherin sprach von einer "sehr systematischen Strategie" Pekings, vietnamesische Gebiete als umstritten darzustellen. Laut Peking dagegen bedrängte das vietnamesische Schiff den Kutter in chinesischen Gewässern und zog ihn an seinem Netz hinter sich her. Die Chinesen hätten das Netz kappen müssen.
Unstrittig ist der Ort der Kollision. Umstritten ist nur die Fragen, wem dieser Ort gehört. Am Mittwoch hatte Vietnams Premier Nguyen Tan Dung mit gesagt: "Wir - die Partei, das ganze Volk und die ganze Armee - sind weiter stark entschlossen, die vietnamesische Souveränität über Seegebiete und Inseln unseres Landes zu schützen."
Proteste in Vietnam
Dem waren am Sonntag Demonstrationen von jeweils ca. 300 Menschen vor chinesischen Vertretungen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt vorausgegangen. Solche seltenen und auch für die Hanoier Regierung riskanten Proteste gab es in Vietnam zuletzt 2007. Die Proteste, die über das offiziell blockierte Onlinenetzwerk Facebook organisiert worden sein sollen, sind ohne zumindest indirekte Zustimmung der herrschenden Kommunistischen Partei nicht möglich gewesen und indizieren, dass diese Peking eine Grenze aufzeigen will.
In der Vergangenheit hatte Peking Hanoi öfter zur Unterdrückung antichinesischer Proteste gedrängt. Chinesische Hacker versahen jetzt einige Regierungswebsites mit prochinesischen Parolen.
China beansprucht den Löwenanteil des Südchinesischen Meers für sich, inklusive der Gebiete vor den Küsten anderer Anrainer. Peking leitet dies aus der Geschichte ab, weil im Mittelalter die Nachbarstaaten dem chinesischen Kaiserreich gegenüber tributpflichtig waren. Pekings Position wird von Taiwan weitgehend geteilt, das Peking seinerseits aber ebenfalls beansprucht. Vietnam, die Philippinen, Brunei und Malaysia dagegen reklamieren nach der UN-Seerechtskonvention jeweils eine 200-Seemeilen-Wirtschaftszone vor ihrer Küste für sich.
Die in dem Gebiet liegenden Spratly-Inseln (chinesisch: Nansha) - kleine, meist unbewohnte Riffe - sind zwischen diesen Ländern und China umstritten. China eroberte zudem 1974, in der Endphase des amerikanischen Vietnamkrieges, vom damaligen Südvietnam die Paracel-Inseln. Die behielt es zum Ärger Hanois auch am Kriegsende. In dem Gebiet kam es in den 90er Jahren zu Scharmützeln zwischen Patrouillenbooten beider Seiten.
Offiziell bekennen sich alle beteiligten Staaten zur gemeinsamen Erkundung der Rohstoffvorkommen. De facto versuchen sie aber, in dem von ihnen reklamierten Gebieten Tatsachen zu schaffen. China will mit seinen Nachbarn nur bilateral verhandeln, während diese multilaterale Lösungen anstreben. Zuletzt gab es auch Streit zwischen China und den Philippinen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!