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GerichtsmarathonPolnisch für Kläger

Wojciech Pomorski kämpft seit Jahren dafür, mit seinen Kindern Polnisch sprechen zu dürfen. Den Kontakt zu ihnen hat er darüber verloren.

Vollendete Umgangsformen im Einsatz für seine Sache: Wojciech Pomorski. Bild: Ulrike Schmidt

HAMBURG taz | Zur Begrüßung gibt es einen Handkuss. Der Tisch im Wohnzimmer ist gedeckt, Wojciech Pomorski hat Kaffee und Pralinen hingestellt und fängt an zu erzählen. Von seinem Kampf um seine Kinder, über den viele Zeitungen, deutsche und polnische, berichtet haben. Mehr als ein Dutzend Prozesse hat er inzwischen geführt. "Das alles ist nur Ausdruck meines Schmerzes, eigentlich bin ich ein ganz normaler Vater", sagt er und lächelt breit.

Pomorski ist oft als Opfer dargestellt worden, als jemand, der diskriminiert wird, weil die Stadt Hamburg ihm verboten hatte, mit seinen beiden Töchtern Polnisch zu sprechen. Seine Frau hatte ihn vor sieben Jahren mit den Kindern verlassen und war in ein Frauenhaus gegangen. Sie warf ihm vor, gegenüber ihr und den Töchtern gewalttätig geworden zu sein - ein Vorwurf, den Pomorski bestreitet.

Vier Monate später entschied ein Richter, dass Pomorski seine Töchter vorerst nur unter Aufsicht des Jugendamtes sehen dürfe - seitdem hat er sie sechsmal getroffen. Pomorski hatte darauf bestanden, mit den Töchtern Polnisch zu sprechen, das Jugendamt hatte ihm das verwehrt. In dem dazugehörigen Schriftsatz heißt es, dass das Jugendamt keine Polnisch sprechenden Mitarbeiter habe. "Es ist auch aus pädagogisch-fachlicher Sicht anzumerken, dass es im Interesse der Kinder nicht nachvollziehbar ist, dass die Zeit des begleiteten Umgangs in polnischer Sprache erfolgen soll."

1.000mal geklagt

Die wichtigsten Etappen in der juristischen Karriere Wojciech Pomorskis:

März 2004: Widerspruch gegen die Besuchsrechtsregelung des Jugendamtes

Juni 2005: Dienstaufsichtsbeschwerde gegen das Personal im Jugend- und Bezirksamt Bergedorf

August 2005: Klage beim Landgericht gegen die Stadt Hamburg

Dezember 2005: Petition an das Europäische Parlament und erneuter Antrag auf Durchführung des Rechts auf Kindesumgang

September 2006: Antrag, Kinder zu polnischem Kultur- und Sprachunterricht zu verpflichten

Januar 2009: Pomorski will alleiniges Sorgerecht - insgesamt stellte er von 2006 bis 2009 sechs Mal Anträge auf eine Neuregelung des Umgangs

Juni 2011: Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Während er seine Geschichte erzählt, klingelt das Telefon - auch der polnische Fernsehsender TVN 24 möchte Informationen. In der polnischen Presse gilt Pomorski fast als Märtyrer, der sich gegen die rassistischen deutschen Behörden wehrt. Noch immer wohnt er in der Familienwohnung in Niendorf. Obwohl er wieder geheiratet hat, ist das Zimmer seiner Töchter noch genau so, wie sie es hinterlassen haben. Die Betten sind bezogen und die Kuscheltiere sehen aus wie neu.

Die Hamburger Morgenpost hat Pomorski mit den allein gelassenen Kaninchen seiner Töchter abgebildet, dem Reporter erzählt er von der Sehnsucht nach seinen Kindern, während die Gegenseite nicht zu Wort kommt - auch weil sie es nicht will: Pomorskis ehemalige Frau scheut die Öffentlichkeit.

Im letzten Versuch, das Treffen mit seinen Töchtern nach seinen Vorstellungen zu gestalten, engagierte Pomorski eine deutsch-polnische Studentin, die übersetzen sollte. Das Jugendamt lehnte ab, mit der Begründung, dass eine eventuelle persönliche Beziehung zwischen Pomorski und der Studentin nicht nachzuprüfen, die Objektivität der Übersetzung somit nicht gesichert sei.

Pomorski stand vor der Wahl, deutsch zu sprechen oder auf die Treffen zu verzichten. Er verzichtete, und seine Karriere als Kläger begann. Vielleicht nimmt der Kampf gegen die deutschen Behörden nun den Platz ein, den vorher seine Kinder eingenommen haben.

Derzeit verklagt Pomorski die Stadt Hamburg auf 15.000 Euro Schmerzensgeld - für die verpasste Zeit mit seinen Töchtern. Im Hamburger Landgericht geht er auf die Menschentraube zu, die sich vor dem Gerichtssaal versammelt hat. "Ich freue mich, dass Sie hier sind", sagt er zu den JournalistInnen - und zu den Vätern, die aus Solidarität gekommen sind. Das Verbot, Polnisch zu sprechen, habe ihn tief getroffen, sagt er und fasst sich an die Brust, die eine Anstecknadel mit dem polnischen Adler schmückt. Später vor Gericht wird er sagen, dass ihn das Verbot an die Germanifizierung während der Nazizeit erinnert.

Pomorski kann gut sprechen, er hat Germanistik studiert, doch vor Gericht wird seine Sprache auf einmal stockend, er verhaspelt sich und seine Grammatik ist weniger geschliffen. Der Kämpfer für die Sprache spricht auf einmal ganz schwach.

Dabei ist Pomorski der Gerichtssaal bereits gut vertraut. 2005 klagte er zum ersten Mal gegen die sprachliche Diskriminierung. Mittlerweile hat er sogar einen eigenen Verein gegründet: Dyskryminacja, Polnischer Verband Eltern gegen Diskriminierung der Kinder in Deutschland e. V. Auf der Internetseite sehen die BesucherInnen eine Bildershow, in der Pomorski mit seinen Töchtern gezeigt wird - unter den Ehrenmitgliedern sind viele polnische Politiker, darunter die ehemalige Außenministerin Polens, Anna Fotyga.

2006 hat er eine Petition an das EU-Parlament geschickt - ein Jahr später bekam er als Antwort eine Entschuldigung von der Vertreterin der deutschen Regierung, Gila Schindler, in der sie ihr Bedauern über das Vorgehen des Hamburger Jugendamtes ausdrückt und dieses als "nicht rechtens" bezeichnet.

Ein Besuchsrecht hat Pomorski vor vier Jahren wieder erhalten, doch seine Kinder leben mittlerweile mit ihrer Mutter in Wien, und die österreichischen Behörden verhindern Treffen mit dem Vater, wegen der "Vorgeschichte", was auch immer darunter zu verstehen ist - die Akten sind nicht öffentlich. Für Pomorski ist die Sache klar: Das Jugendamt hat nicht nur in der Vergangenheit den Kontakt verhindert, sondern auch dafür gesorgt, dass er bis heute seine Töchter nicht sehen kann.

Pomorski klagt inzwischen auch in Wien, vor wenigen Tagen reichte er sogar Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein, weil der Staat Österreich ihm den Zugang zu einem Gericht verwehrt habe, sein Privat- und Familienleben missachte und ihn aufgrund seines Geschlechts diskriminiere. Auch vom österreichischen Staat fordert Pomorski deshalb die Zahlung einer "angemessenen Entschädigung".

Im Prozess gegen die Stadt Hamburg wurde die Klage am gestrigen Freitag abgelehnt. Die Richter sahen auf Seiten des Jugendamtes keine Diskriminierung der polnischen Sprache, sondern "rein organisatorische Versäumnisse". Eine Revision wurde nicht zugelassen, Pomorski darf also keine Klage bei der nächsten Instanz, dem Bundesgerichtshof, einreichen.

Sein Ersatzplan steht aber bereits: "Ich gehe jetzt zum Verfassungsgericht und dann raus aus Deutschland." Wie eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht wird, weiß er ja bereits.

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8 Kommentare

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  • K
    katya22

    I know the situation personally of Mrs Pomorski and I can say that there is no doubt of discrimination of the Jugendamt. After reading the court papers this discrimination is visible blinding. From the other side polish government behaves completely passively. The newest linguists researches show that the bilingualism develop the intelligence and language competences in any spoken language by the child and do not prevent it thus the comments of the Jugendamt is , at least, old-stylish and regarding the comments one person from here who said that speaking polish with the kids would be "Zwangpolnisierung" - learning English at school would be also Zwangeglisierung?

     

    p.s. I know German language but in those circumstances it's better to speak on the same level - if English is foreign language for both sides:-)

  • M
    Mirja

    Ohne Kommentar:

    Gila Schindler, Vertreterin der deutschen Regierung beim Europäischen Parlament entschuldigt sich bei Herrn Wojciech Pomorski für die Diskriminierung seiner und seiner Kinder Menschenrechte und erklärt öffentlich im Europäischen Parlament in Brüssel am 07.06.2007: "Im Mittelpunkt steht der Fall des Petenten Herrn Pomorski (Petition Pomorski 38/2006). Bevor ich auf die Rechtsfragen eingehe, möchte ich mein aufrichtiges Bedauern über das Vorgehen des Jugendamts zum Ausdruck bringen. Im Rahmen einer familiengerichtlichen Verhandlung wurde für Herrn Pomorski ein begleiteter Umgang mit seinen Töchtern vereinbart. Herr Pomorski wollte mit seinen Töchtern wie gewohnt polnisch sprechen. Das Jugendamt hat dies unter unhaltbaren Gründen abgelehnt und auf Verwendung der deutschen Sprache bestanden. Herrn Pomorski ist damit Unrecht widerfahren, denn die Haltung des Jugendamts war weder richtig noch rechtens. Es tut mir leid, dass dies passiert ist."

     

    Ist alles klar! Er und seine Kinder wurden diskrimminiert!

     

    Alles Gute wünsche ich Herrn Pomorski im weiteren Instanzen. Er kämpft nicht nur für sich und seine Kinder aber im Namen vieler Anderen, die unwürdig behandelt werden.

     

    Mehr dazu: www.dyskryminacja.de und http://blauer-weihnachtsmann.org/index.php?id=13&tx_ttnews%5Btt_news%5D=92&cHash=e46ab2ceebc37ea01f4cca6aad41d0e5

  • M
    Markus

    Die Jugentämter haben sein Ursprung im Dritten Reich.

    Also kein Wunder...

  • B
    becker

    "Es ist auch aus pädagogisch-fachlicher Sicht anzumerken, dass es im Interesse der Kinder nicht nachvollziehbar ist, dass die Zeit des begleiteten Umgangs in polnischer Sprache erfolgen soll."

     

    Die Fachlichkeit des Jugendamtes liegt mit vorliegender Begründung auf der Hand.

    Warum lernen dann Kinder in der Schule Fremdsprachen? Oder liegt das nur am Polnischen?

  • MS
    Malte Schröder

    Damit wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte uns Deutsche WIEDER zur Einhaltung des Völkerrechts auffordern.

  • G
    grafinger

    "September 2006: Antrag, Kinder zu polnischem Kultur- und Sprachunterricht zu verpflichten"

    Klar, die Kinder haben gefälligst ihre Lebensgewohnheiten nach den Wünschen des nicht sorgeberechtigten Elternteils auszurichten.

    Und wenn sie nicht polnisch lernen wollen? Kommen sie dann in Beugehaft oder werden gar Zwangspolnisiert?

    Der Typ ist einfach nur fanatisch in seiner Rachsucht und gekränkten Eitelkeit.

  • A
    Aleksa

    Das was deutsche Jugendgerichte und -Ämter in Bezug auf Kinder aus gemischten Elternpaaren entscheiden, erinnert oft an die Verhältnisse in manchen arabischen Ländern. Die Kinder werden meistens dem deutschen Elternteil zugesprochen ohne Rücksicht auf die Kinder. Der andere Elternteil auch oft die Mutter, ist gezwungen oft zu den letzten Mitteln, wie einer Entführung zu greifen, um die Kinder wieder bei sich haben zu dürfen. Medien stellen solche Mütter dann wir krimineller Entführer da. Es erinnert auf das Buch 'Nicht ohne meiner Tochter', nur es passiert hier. Es ist gut das Herr Pomorski um das Recht polnisch sprechen zu dürfen kämpft. Warum wird das überhaupt in Frage von deutschen Jugendämtern gestellt, und so permanent verhindert? jeder Kind hat das recht die jeweilige Muttersprache des Elternteils zu sprechen. Der Vorwurf der Germanisierung ist in dem Fall voll begründet.

  • TH
    taz hurra

    kann es sein, dass es bei den bionadegrünen taz-groupies gut ankommt, nur belangloses und nachteiliges über das östliche europa zu berichten? fühlen die sich von den "ostlern" bedroht? ich denke ja...