AKW-Neubau in Schweden abgesagt: Vattenfall will nicht mehr
Der Energiekonzern Vattenfall erteilt seinem Kooperationspartner eine Absage für einen AKW-Neubau. Die Kalkulation stimmt nicht mehr, vermuten Atomkraftgegner.
STOCKHOLM taz | "Vattenfall will ein neues Kernkraftwerk bauen", schlagzeilten schwedische Medien Ende Oktober 2009. Da hatte der Staatskonzern ein Übereinkommen mit einer Gruppe industrieller Stromgroßverbraucher der Papier- und Stahlbranche geschlossen, die sich unter dem Namen "Industrikraft" zusammengetan hatten.
Gemeinsam wollte man mindestens ein neues AKW bauen, "da die Sicherung von Arbeitsplätzen auf konkurrenzkräftigen Strompreisen beruht". Eine Inbetriebnahme in den 2020er Jahren wurde ins Auge gefasst.
20 Monate später wird das Abkommen mit Industrikraft - vom damaligen Vattenfall-CEO Lars G. Josefsson als "wegweisend" gefeiert - nun von Vattenfall nicht verlängert, sondern das Projekt begraben. Der Grund: Die kommerziellen Rahmenbedingungen stimmen nicht.
Die Kalkulation ging nicht auf, vermutet Lise Nordin, energiepolitische Sprecherin der schwedischen Grünen: Schweden sei aufgrund des Ausbau erneuerbarer Stromproduktion auf dem Weg zu einem Stromüberschuss. Dieser werde 2020 etwa 23 Terawattstunden betragen.
Wenn jemand Pläne für AKW-Neubauten in Schweden habe, so könnten diese nur auf den Exportmarkt zielen, so Nordin.
Leser*innenkommentare
Bernd Frieboese
Gast
So, neue Aktualisierung:
Die Firma Vattenfall dementiert die Kernaussagen des Artikels aus Dagens Industri vom 7.7. in einer eigenen Pressemitteilung auf ihrer Webseite.
Demnach gibt es "zur Zeit keine konkreten Pläne oder Entscheidungen für den Neubau" von Atomkraftwerken in Schweden.
Allerdings sollen bis 2016 25 Milliarden Kronen (etwa 2,8 Milliarden Euro) in Modernisierung, Leistungssteigerung und Sicherheit der Atomkraftwerke Ringhals und Forsmark investiert werden.
Alles gute,
Bernd
Bernd Frieboese
Gast
Die Information dass Vattenfall und Industrikraft ihre Zusammenarbeit beim Bau neuer Atomkraftwerke aufkündigen beruht auf Pressemitteilungen beider Firmen vom 28.6.2011.
Laut einem Interview in "Dagens Industri" vom 7.7. hat Generaldirektor Øystein Løseth inzwischen verkündet, dass die Planung für den Bau eines neuen Atomkraftwerks in den nächsten Jahren beginnen soll, Bauzeit wäre dann in den 20er Jahren, als Ersatz für die Stillegung des ältesten Reaktors am Standort Ringhals.
kurt wicke
Gast
Laut hat Vattenfall keine Pläne für "neue" Atomkraft. Aber bis 2016 will man 2,5 Mrd Euro für Modernisierungsmassnahmen in Ringhals und Forsmark ausgeben, die die jährliche Atomenergieproduktion mit 8 Twh erhöhen.
kurt wicke
Gast
Schweden ist auf dem Weg. Die Liberalen wollen der 4%-Sperre entgehen, indem sie vor Muslimen und (seid gestern) vor einer russischen Invasion der Insel Gotland warnen.
Wirtschaftlich gesehen liegt die Liberale Volkspartei auf der sogenannten Arbeitslinie der Regierung, die durch harte Massnahmen gegen Arbeitslose, Kranke und Behinderte Menschen "stimuliert", auch Niedriglohnangebote in anderen Berufen oder Regionen Schwedens oder im benachbarten Ausland anzunehmen.
Für die Wirtschaft kommen ausser diesem Lohnabbau auch noch Stimulanzmassnahmen dazu. Seit Jahresanfang ist das Verbot gegen Ausbau der Atomkraft aufgehoben, und die Volkspartei wie auch Vattenfall argumentieren für einen Ausbau der Atomkraft.
Die Absicht ist offensichtlich, die BRD auch in Zukunft mit Atomkraft zu beglücken.
JanG
Gast
@Markus Müller
Es wird aber noch eine ganze Weile dauern (wenn es überhaupt je erreichbar ist), dass die erneuerbaren das leisten können, was die Kernkraft leistet: grundlastfähig sein.
Rüdiger Kalupner
Gast
Es gibt eine betriebswirtschaftliche Ausstiegsoption aus der Kernenergie. Sie wird leider von allen totgeschwiegen. Sie liegt nahe. Man muß die 'öko-soziale Erneuerung' von Wirtschaft und Lebenstil nur steuerungssystem-konkret und evolutions- und chaosphysikalisch fundiert denkt.
Dann weiß man, das die ökosoziale Erneuerung - machtpolitisch-durchsetzungslogisch - nur funktioniert, wenn die staatlichen und sozialen Leistungen vom Faktor Arbeit auf die Faktoren Energie und Sachkapital - via Energie- und Anlagevermögen-Steuern - öko-soziale umfinanziert werden, und der Produktivitätsfortschritt durch ein KREATIV-Lohn (= Zweiteinkommen für Jedermann) verteilt wird, der ebenso finanziert wird.
Eine solche ökosoziale Umfinanzierung wird mit evolutionsprozess-gesetzlicher (= naturgesetzlicher Sicherheit in allen Industriestaaten kommen. Wer diese Realität denken kann, der weiß, dass AKW's sich dann nicht mehr profitabel betreiben lassen.
Das wird wohl bei Vattenfall angekommen sein. Sie mußten nur die Webseite der KREATIVEN - www.die-kreativen-partei.de - finden und begreifen, was da mitgeteilt wird.
vic
Gast
Erst wenn sich Bau UND Betrieb von AKWs für die Konzerne nicht mehr lohnen, keinen Profit mehr generieren, werden wir auch grenzüberschreitend aussteigen. Aus Gesundheits oder Umweltgründen sicher nicht.
Auch nicht in Deutschland. Merkels Beschluss ist das Papier nicht wert, auf das er gedruckt ist.
Markus Müller
Gast
Sieh an,sieh an,wie das sich plötzlich entwickelt ist wirklich unfassbar.Da hat der deutsche Atomausstieg schon seine ersten positiven Folgen in der Nachbarschaft.Kann man nur hoffen,dass sich der Rest von Europa auch noch anstecken läßt und plötzlich durch erneuerbare Energien das geleistet wird,wofür bisher nur Atomkraft "verläßlich" schien.
Branko
Gast
"...sei aufgrund des Ausbau erneuerbarer Stromproduktion auf dem Weg zu einem Stromüberschuss."
Können wir das bitte nochmal als Schlagzeile in Bild-Format sehen?