Kommentar Dänische Grenzkontrollen: Wie Populismus funktioniert
Die Rechtspopulisten in Dänemark geben vor, dem Volk aufs Maul zu schauen und die Sorgen der Bürgers ernst zu nehmen. Aus ihren Versprechen wird meistens nichts.
A ufregung herrschte an der Grenze zu Dänemark, als der EU-Mitgliedstaat am Dienstag wie angekündigt seine Grenzkontrollen verschärfte. Dabei handelte es sich um eine reine Schauveranstaltung. Denn eine Wiedereinführung permanenter Kontrollen wäre eine klare Verletzung des Schengener Abkommens, das seit 1985 bis heute die Reisefreiheit zwischen den Staaten der EU garantiert. So weit, dieses aufzukündigen, wollte die dänische Rechtsregierung dann doch nicht gehen.
Es wäre auch bemerkenswert, wenn der dänische Staat mehr als 30 Millionen Euro für neues Personal, neues Überwachungsgerät und neue Kontrollanlagen an den Landesgrenzen ausgeben würde. Denn eigentlich ist Haushaltssanierung das große Thema des Kopenhagener Minderheitskabinetts. Geld sparen und gleichzeitig mehr davon für Grenzkontrollen ausgeben - das passt eigentlich nicht zusammen.
Doch die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) hat die Einführung permanenter Grenzkontrollen zur Bedingung für ihre Zustimmung zu einer Erhöhung des Renteneintrittalters und anderer Kürzungsmaßnahmen gemacht. Das dänische Beispiel zeigt paradigmatisch, wie der Rechtspopulismus funktioniert. Populisten geben vor, dem Volk aufs Maul zu schauen und die Sorgen von Otto Normalbürger ernst zu nehmen.
RÜDIGER ROSSIG ist Redakteur im Umwelt- und Wirtschaft-Ressort der taz.
De facto aber sind die meisten ihrer Forderungen - vom EU-Austritt Finnlands, wie ihn die "Wahren Finnen" fordern, bis zu einem Einwanderungsstopp für Muslime, wie er Geert Wilders Partei für die Freiheit in den Niederlanden vorschwebt - in der Realität schlicht nicht umsetzbar.
Auf den ersten Blick mögen Kontrollen an den Landesgrenzen ja als geeignetes Mittel gegen illegale Einwanderung, Schmuggel und andere Formen grenzüberschreitender Kriminalität erscheinen. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass sie dazu mitnichten taugen. Nicht erst seit Schengen finden Schmuggler und andere Gesetzesbrecher immer Wege, Zöllner zu umgehen.
Gegen Verbrechen in Europa hilft nicht etwa nationale Abschirmung, sondern bessere Zusammenarbeit der europäischen Polizeikräfte. Tatsächlich hat der dänische Staat seine 5.000 Kilometer Küste nie wirklich kontrolliert. Die Koordination mit den Nachbarstaaten im Rahmen des Schengen-Systems hat dies verbessert. Neue Schlagbäume sind deshalb unsinnig.
Insofern war absehbar, dass Kopenhagen von den ursprünglichen Forderung nach "permanenten Kontrollen" abrückt und stattdessen eine Intensivierung der - mit Schengen nicht nur konformen, sondern ausdrücklich vorgesehenen - Zollkontrollen ankündigen würde. In der Praxis bleibt an den dänischen Grenzen also alles beim Alten.
So gesehen könnte man die Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei als ungefährlich abtun. Zur Bekämpfung von Kriminalität sind ihre Vorschläge untauglich, ihre Umsetzung zudem viel zu teuer. Doch offene Grenzen sind ein hohes Gut: Für die 400 Millionen Bürger der Schengen-Staaten sind sie der vielleicht konkreteste Wert Europas.
Viel gefährlicher sind daher jene Politiker der etablierten Parteien, die rechtspopulistischen Parolen übernehmen: Frankreichs Nicolas Sarkozy etwa, der ein paar tausend Angehörige der Roma-Minderheit aus den EU-Staaten Bulgarien und Rumänien aus seinem 65-Millionen-Einwohner-Staat ausweist und die Grenze zu Italien wegen rund 10.000 tunesischer Flüchtlinge schließen lässt.
Schon angesichts dieser Zahlenverhältnisse wird deutlich, wie überzogen das Pariser Vorgehen in beiden Fällen war. Allein stand Sarkozys Regierung damit allerdings nicht: Auch bayerische Politiker forderten, der 81-Millionen-Einwohner-Staat Deutschland möge wegen der paar tausend tunesischen Flüchtlinge im 2.000 Kilometer entfernten Süditalien wieder Grenzkontrollen einführen. Bis Mitte Mai haben ganze 63 Tunesier die Grenze der Bundesrepublik überquert.
Ein anderes Beispiel ist die Debatte um das Burka-Verbot, die Frankreich über Monate beschäftigte, dabei leben dort nur ein paar hundert Ganzkörperschleier-Trägerinnen. Der Staat hat wenig Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Denn wer will schon zusätzliche Polizisten dafür bezahlen, dass sie verschleierte Frauen überwachen, statt wirkliche Verbrechen zu verhindern? Rechtspopulisten blenden solche Widersprüche aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug