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Studium 2.0Virtualisiertes Lernen

Die Uni feiert zehn Jahre Multimediales in der Lehre. Was von den einen als flexibel und effizient gelobt wird, kritisieren andere als anonyme Massenabfertigung

So prüft man heute: "Testcenter" an der Uni Bremen Bild: Jean-Philipp Baeck

Mit dem Laptop auf dem Schoß im Grünen sitzen, die Füße baumeln lassen, dabei ein Lernvideo gucken, auf Webseiten Themen erschließen: 1995 war das noch so exotisch, dass "Multimedia" zum "Wort des Jahres" gekürt wurde. Nun feierte das Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) an der Uni Bremen sein zehnjähriges Bestehen.

In Powerpoint-Präsentationen lobten FestrednerInnen die "Wettbewerbsvorteile" gegenüber anderen Unis, sprachen von "Effizienz" und "Flexibilität", davon, dass die neue Medien das Studium beschleunigten. "Lernen, wo und wann man will" - das ist das Motto. Das ZMML feiert sich auf seiner Website mit Videos, in denen Studierende der Werbebotschaft ein Gesicht verleihen: "Räumliche und zeitliche Flexibilität", sagt eine Lehramtsstudentin, das bedeute für sie "ein Praktikum im Ausland machen, auch ohne Sorge, eine Veranstaltung zu verpassen".

Es sind eben solche Botschaften, die Klaus Bönkost vor ein paar Jahren am Wunder des multimedialen Fortschritts haben zweifeln lassen. Der Professor für Arbeitslehre an der Uni Bremen war beim ZMML von Anfang an mit dabei, zeitweise dessen stellvertretender Leiter. 2006 stieg er aus. "Es ist der Versuch, mit Technik ein soziales Problem zu lösen", so Bönkost. "Die Studierenden haben keine Zeit zum Lernen, weil sie nicht sozial abgesichert sind und jobben müssen." Der Rationalisierungsprozess gelte ebenso für die Universitäten: Wenn, wie in den Wirtschaftswissenschaften, hunderte Erstsemester gleichzeitig geprüft werden müssten, komme man schneller auf computergestützte Lösungen - statt einfach mehr Lehrende einzustellen.

Der Inhalt der Lehre werde durch die technische Massenabfertigung jedoch nicht besser, so Bönkost. Er tritt für eine "Entschleunigung" des Studiums ein: "Für Bildung braucht man Zeit und ein menschliches Gegenüber, um zu diskutieren." Die "Apparatur", der Bildschirm zwischen den Menschen verändere das Lernen selbst. "Heute wird in Seminaren blitzschnell im Internet alles nachgeschlagen." Das sei ein "multimediales Häppchen-Lernen", so der Didaktik-Professor, bei dem das Erkennen von Zusammenhängen auf der Strecke bleibe. "Mit Stichwörtern auf digitalen Folien nur noch einen Überblick zu verschaffen, verhindert, dass eine kritische Reflexion zu Stande kommt".

Auf der Online-Lernplattform "Stud.Ip" können StudentInnen Lernmaterial und Referate digital austauschen, Termine absprechen und wie in anderen sozialen Netzwerken kommunizieren. Als 2004 "Stud.Ip" vom ZMML aus seinen Anfang nahm, sahen manche StudentInnen darin eher das Gegenteil einer Flexibilisierung. Begrenzte Seminarplätze etwa vergaben manche Lehrende auf einmal an die ersten 20 StudentInnen, die sich online angemeldet hatten. Auch konnten DozentInnen nun kontrollieren, wie viele den Text fürs Seminar überhaupt herunter geladen hatten. Mittlerweile werden über die "eLearning"-Plattform an der Uni Bremen über zwei Drittel aller Seminare verwaltet, mehr als 23.000 BenutzerInnen sind angemeldet.

Gegründet wurde das ZMML mit der Idee, Lernprozesse durch den Einsatz von Computern und Netzwerken zu verbessern. "Wir fragten uns, ob die Menschen multimedial schneller und nachhaltiger lernen, ob Lehre etwa an den Tagesrhythmus angepasst werden kann", so Bönkost. Auf Initiative des ZMML baute die Uni als erste deutsche Hochschule ihr W-Lan Funknetz flächendeckend über den Campus aus, wurde 2002 als "Notebook-University" gefördert. Wissen solle von nun an "organisiert" statt gepaukt werden. "Lehrende", so schrieb es das ZMML einst, würden von "Wissensvermittlern" zu "Informationsmanagern". So oder so: Das ZMML, dass zunächst mit nur einem Mitarbeiter begann, ist zu einem zentralen Knotenpunkt der Lehre an der Uni geworden.

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2 Kommentare

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  • TE
    Thomas Elias

    Ich habe von 2003 - 2007 ein berufsbegleitendes Online-Studium absolviert und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass onlinegestützes Studieren keine einsame Lernform ist.

    Es gibt zahlreiche Formen des Austauschs, welche sich die Studierenden auf einer Lernplattform organisieren können:

    Foren, Chats, Videokonferenzen, Telefonate, E-Mails, Messenger, regionale Lerngruppen, Präsenzveranstaltungen.

     

    Der Austausch mit den Lehrenden ist oft sogar noch wesentlich intensiver, als beim Präsenzstudium, da man so jederzeit "Zugriff" auf die DozentInnen hat.

     

    Es hängt sehr stark von der Eigeninitiative ab, wie man diese Lernform nutzt. Für Berufstätige (und Alleinerziehende) ist es jedoch ideal, da man nicht auf Vorlesungszeiten angewiesen ist, sondern sich selber einen funktionierende Zeitstruktur bauen kann.

     

    Ein weiterer Vorteil ist, dass relevante Literatur und Texte online zur Verfügung gestellt werden und somit langwierige Fahrten zur Bücherei und das Warten auf verliehene Bücher entfallen.

     

    Wer sowieso schlecht organisiert ist, beständig einen Tritt in den Hintern und dementsprechenden Druck benötigt, wer auch nichts "gebacken" bekommt, wird auch hier sicherlich scheitern.

    Das hat aber nichts mit dem Medium zu tun, sondern mit den Usern.

  • TE
    Thomas Elias

    Ich habe von 2003 - 2007 ein berufsbegleitendes Online-Studium absolviert und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass onlinegestützes Studieren keine einsame Lernform ist.

    Es gibt zahlreiche Formen des Austauschs, welche sich die Studierenden auf einer Lernplattform organisieren können:

    Foren, Chats, Videokonferenzen, Telefonate, E-Mails, Messenger, regionale Lerngruppen, Präsenzveranstaltungen.

     

    Der Austausch mit den Lehrenden ist oft sogar noch wesentlich intensiver, als beim Präsenzstudium, da man so jederzeit "Zugriff" auf die DozentInnen hat.

     

    Es hängt sehr stark von der Eigeninitiative ab, wie man diese Lernform nutzt. Für Berufstätige (und Alleinerziehende) ist es jedoch ideal, da man nicht auf Vorlesungszeiten angewiesen ist, sondern sich selber einen funktionierende Zeitstruktur bauen kann.

     

    Ein weiterer Vorteil ist, dass relevante Literatur und Texte online zur Verfügung gestellt werden und somit langwierige Fahrten zur Bücherei und das Warten auf verliehene Bücher entfallen.

     

    Wer sowieso schlecht organisiert ist, beständig einen Tritt in den Hintern und dementsprechenden Druck benötigt, wer auch nichts "gebacken" bekommt, wird auch hier sicherlich scheitern.

    Das hat aber nichts mit dem Medium zu tun, sondern mit den Usern.