piwik no script img

Streit um Vitamin DSonne aus der Pillenpackung

Unter Wissenschaftlern tobt ein Streit, wie hoch der optimale Vitamin-D-Spiegel ist. Zu wenig führt wohl zu Knochenschwäche, zu viel zu Krebs.

Vitaminkur – oder in die Sonne. Das macht manchen aber wieder Angst vor Hautkrebs. Bild: Paulo Brandão | CC-BY-SA

Vitamin D soll vor Herzkrankheiten, Krebs, Depressionen, grippalen Infekten und Autoimmunerkrankungen schützen. Doch nun haben sich Wissenschaftler in Sachen Vitamin D gehörig in die Haare bekommen.

Vitamin D ist ein Stoff, den der Mensch großenteils mithilfe von UVB-Strahlen in der Haut bildet. In der Nahrung findet sich nur wenig Vitamin D. Aber schon darüber, was der optimale Bedarf ist, ist sich die Fachwelt uneins.

So hat das US-amerikanische Institute of Medicine (IOM) Ende vergangenen Jahres in einem Report konstatiert: Werte von unter 20 Nanogramm Vitamin D pro Milliliter Blut seien als unzureichend anzusehen und führten zu schlechter Knochengesundheit. Und dafür müssten Kinder und Erwachsene 600 IU (international units) Vitamin D täglich aus der Nahrung aufnehmen. Dass höhere Werte ein Schutz für die viel zitierten Krankheiten wie Diabetes oder Krebs sind, lasse sich jedoch mangels guter, klinischer Studien nicht belegen.

Der IOM-Report hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Michael Holick, Vitamin-D-Koryphäe von der University in Boston; USA, hält diese Empfehlungen schlichtweg für falsch: "Viele Daten sagen, dass mindestens 30 ng/ml Blut nötig sind, damit sich gesundheitliche Effekte einstellen." Zudem könne man mit der neuen Zufuhrempfehlung keineswegs seine Blutwerte aufbessern.

"Vitamin D ist kein Medikament"

Fakt ist, dass es zu Vitamin D fast nur sogenannte Beobachtungsstudien gibt, und die beweisen keine Ursache-Wirkung-Beziehung. "Aber Vitamin D ist kein Medikament, das man in klinischen Studien auf seine Wirkung untersuchen kann. Dass bakteriell belastetes Brunnenwasser oder Zigarettenrauch ein Risiko ist, hat man auch nicht in solchen Studien überprüft", argumentiert etwa Nicolai Worm, Ernährungswissenschaftler und Buchautor ("Heilkraft D", Systemed Verlag, 2010).

In Deutschland haben 60 Prozent der Erwachsenen laut Daten des Robert-Koch-Instituts einen Vitamin-D-Wert von unter 20 ng/ml – geht man nach den Empfehlungen des IOM-Reports, ist das ein Mangel. Um gegenzusteuern, Einige Mediziner plädieren für Vitamintabletten, wie etwa die Altersforscherin Heike Bischoff-Ferrari von der Universität Zürich. Sie glaubt, dass so vor allem Senioren und Frauen nach den Wechseljahren ihr Risiko für Knochenbrüche um etwa 20 bis 30 Prozent senken könnten.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin hält man auch ein Vitaminplus in Pillenform für sinnvoll, etwa wenn Kinder stundenlang vor dem Computer sitzen. Nicolai Worm empfiehlt allen Menschen im Winter, wenn kein Vitamin D aus der Sonne aufgebaut wird, Hilfe aus der Pillenpackung. Und zwar in relativ hohen Dosierungen von über 1.000 IU, aber nur in Absprache mit einem Arzt.

Immer mehr Ärzte verschreiben Vitaminkuren

Tatsächlich verschreiben immer mehr Ärzte ihren Patienten eine Vitaminkur, besagen zumindest Zahlen aus den USA. In den letzen zwei Jahren wurden doppelt so viele Vitamin-D-Tabletten verkauft wie zuvor.

Einen allzu laxen Umgang mit dem Vitamin bewerten jedoch Onkologen als kritisch, denn: Die Studien, die die Wirkung von Vitamin-D-Tabletten bei verschiedenen Krebsarten untersucht haben, waren widersprüchlich. "Bei Prostata-, Speiseröhren- und Pankreas-Krebs etwa war das Risiko durch Vitamin D eher erhöht", sagt die Krebsexpertin Leena Hilakivi-Clarke von der Georgetown University. "Wie Vitamin-D-Tabletten wirken, ist individuell sehr unterschiedlich." So könnten etwa Mikrotumore durch eine Vitaminkur erst recht wachsen.

Auch Hartmut Glossmann, Mediziner an der Universität Innsbruck meint: "Pillen reichen nicht, weil Sonnenstrahlen viel mehr gute Wirkungen haben, als nur Vitamin D zu liefern." Wärme und Licht der Sonne sind gut fürs Gemüt. Zudem kann UV-Strahlung auch ohne Mithilfe von Vitamin D direkt das Immunsystem puschen und Entzündungen eindämmen.

Renaissance des Sonnenbads

Wer also keine Pillen mag, der müsste im Sommer ausreichend Sonne tanken und im Winter gar ins Solarium gehen. Doch wird man nicht allenthalben gerade davor gewarnt?

Hautkrebsraten steigen seit rund 30 Jahren, daher haben die Gesundheitsbehörden große Kampagnen gegen ausschweifende Sonnenbäder initiiert und werben für einen vernünftigen Umgang mit der Sonne. Schließlich ordnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) UV-Strahlung auf der höchsten Krebsrisikostufe ein. So sollte man das Haus im Sommer nur mit Hut und reichlich Sonnencreme verlassen, sowie die Mittagsstunden zwischen 11 und 15 Uhr in Innenräumen oder zumindest im Schatten zubringen.

Vor dem Bräunen auf der Sonnenbank wird dringend gewarnt "Der regelmäßige Gang ins Solarium erhöht bei Frauen unter 35 Jahren das Melanomrisiko um 75 Prozent", erklärt Beate Volkmer von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention. Und diese Warnungen haben Wirkung gezeigt: Eine Umfrage des Sportartikelherstellers Columbia aus dem Jahr 2009 hat aufgedeckt, dass jeder zweite Befragte sein "Sonnen-Verhalten" in den letzten Jahren geändert hat und vorsichtiger geworden ist. Auch die Solarienbetreiber beklagen einen massiven Besucherschwund.

10 bis 20 Minuten ohne Sonnencreme

Doch die meisten Vitamin-D-Experten plädieren für ein Umdenken in Sachen Sonne. "Mit den derzeitigen Empfehlungen zum Schutz vor Hautkrebs und Falten ist die Bildung von Vitamin D fast unmöglich ist", meint Worm. "Man sollte zweimal pro Woche je nach Hauttyp 10 bis 20 Minuten ohne Sonnencreme auf Gesicht und Armen in die Sonne gehen, bei Vorbräunung sogar länger." Sonnencreme mit einem hohen Lichtschutzfaktor blockiert die Bildung von Vitamin D in der Haut komplett.

Auch Glossmann kritisiert die Angst vor der Sonne: "Es gibt tatsächlich mehr tödlichen Hautkrebs seit rund 70 Jahren, aber vor allem bei Indoor-Workern, nicht etwa bei Bauarbeitern. Regelmäßiges Sonnen schützt also vor Melanomen", meint Glossmann. Er empfiehlt darum etwa täglich 10 Minuten in der Mittagssonne seine Vitamin-D-Speicher aufzustocken, da dann das UV-Spektrum am besten sei.

Er sieht auch den Gang ins Solarium wohl dosiert als Heilmittel gegen diverse Krankheiten. Worm und Glossmann betonen jedoch, dass in jedem Fall Hautrötung oder gar Sonnenbrand zu vermeiden ist.

Webseiten von Geschäftemachern

Während sich Wissenschaftler über das Vitamin zanken, sehen Solarienhersteller und Vitaminpillen-Fabrikanten ihre Zeit als günstig an. So findet man im Internet zahlreiche Informationsseiten, hinter denen die Industrie steht.

Die Website www.sonnennews.de "Sonne ist Leben" bietet etwa Informationen zu Sonne Haut, Solarien und wird von einer PR-Agentur betrieben. Auch das "Sunlight Research Forum" (SFR) wurde von einem ehemaligen Solarieningenieur gegründet. Zudem schmücken sich diese Akteure zunehmend mit angesehenen Wissenschaftlern, veröffentlichen Interviews, zitieren deren Studien.

Auch zu Vitamin-D-Tabletten und angereicherten Lebensmitteln findet man verstärkt Werbung gekoppelt mit wissenschaftlichen Studien. www.Vit-D.info hat etwa das Ziel, "umfassend und aktuell zum Thema Vitamin D zu informieren". Der Betreiber DeltaStar ist spezialisiert auf den Vertrieb von US-Vitalstoffpräparaten.

Die Gegenseite ist ebenso gut formiert. So gibt es etwa Verbindungen des Industrieverbands Körperpflege und Waschmittel mit diversen Forschungseinrichtungen. Auch der "Tag des Sonnenschutzes" am 21. Juni wurde von medizinischen Berufsverbänden und der Kosmetikindustrie organisiert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • BA
    bitte anonym

    Achso, zu Sonnenallergien kann es auch kommen wenn man an Candida leidet, vor allem Candida Symptomatik, welches in letzten Jahren genauso gestiegen ist wie Sonnenallergien, da zuviel Antibiotika verschieben wurde, und daher Candida gestiegen ist - leider... Gibt es immer weniger Aertze die ganzheitmedizin betreiben, also moegliche Faktoren in betracht ziehen, und zb. Im fall ' sonnenallergie' den Patienten fragen welche medikamente dieser zu sich nimmt, oder sich mit dem gynokologen, oder Hausarzt in verbindung setzt, welcher zb. Candida bestaetigen kann.

     

    Heutzutage nehmen sich aerzte weniger zeit um symptomen auf den Grund zu kommen, und die ' ursache' zu diagnostizieren, anstatt symptom medizin zu betreiben, also, etwas verschreibt, oder vorschlaegt welches die ' symptome' lindert ( nicht in die sonne gehen, usw.).

  • BA
    bitte anonym

    Als ich vor kurzem beim Hautarzt war wegen einer Zyste, bemerkte er auch meinen herforagenden Tan; im Sommer werde ich sehr leicht braun - wohl wegen der Sonne. Mit blossen schulter spazieren zu gehen, oder ein wenig ' Sonne Tanken' fabriziert eine Braeune.

    Fragte mich der Arzt ob es ein Braeunespray ist, und ich sagte ' nein', ganz normale Sonne.

    Du nimmst aber ' sonnenschutz' ja ? entegnete er zudem ich ihm sagte, "nein, natuerlich nicht".

     

    Daraufhin meinte er das ich dann wohl Hauptkrebs bekomme, zu welchem ich ihm sagte: wenn er das glauben moechte, bitte ich glaube es nicht.

     

    Und jetzt die Tatsachen. Jeder unabhaengige Wissenschafer der nicht mit einer Uni verbunden ist welche pro-D3 berichte schreiben ' muessen' um ' finanziellen Research zuschuss von pharmazeutischen firmen bekommen koennen, kann ehrlich sein und die wahrheit sagen das Vitamin D3 ( synthetisches vitamin D) auch unter wissenschaflern D3= Depressionen, Delusions, Dementia, genannt wird.

    Der grund dafuer ist das D3 ' ZUVIEL' Kalzium innehaelt und nicht ausscheided, und es in den Gelenken abgelgt wird, wie auch das ' neurosystem' verkalkt.

    Menschen die zuviel D3 zu sich nehmen zeigen diese Symptome, und man weiss es aber es wird still geschwiegen.

     

    In den USA wird seit Jahren nun D3 der Milch beigefuegt, man kann gar keine normale gesunde milch ohne zusatzstoffe mehr bekommen.

    Das resultat ist eine dramatische steigerung gelenkproblemen auch in Kindern - konsentrationschwaeche,vergesslichkeit-

     

    Da einem taeglich auch eingeredet wird das Sonne ungesund ist, und man D3 statdessen in pillen oder durch milch einnehmen soll, wird dem Koerper natuerliches Vitamin ' D2 ' entzogen - das resultat ist ' depressionen -

    Das hilft natuerlich den pharmazeutischen firmen welche dadurch profit schlagen um anti-depressionsmedikamente zu verkaufen.

    Ich bin kein verschwoerungtheoretiker, und spekuliere auch nicht - jeder realist der Logisch denkt, kann es nachvollziehen -

    Warum sind so viele Amerikaner depremiert und abhaengig von Prozac, usw ?

    Muss doch gruende haben, oder ?

     

    Es gibt leute die an Sonnenallergien leiden - in manchen faellen ist es aber keine Sonnenallergie sondern wird durch das einnehmen von Medikamenten erzeugt mit welchem man emfindlich auf Sonnenlich reagiert -

  • L
    luetzgendorff

    @Leopold Bergmann

    Merke: Lobbyismus meint immer die Bösen (Banken, Versicherungen, Pharma-, Atom-, Gentechnikindustrie), die Guten (Greenpeace, Atomkraftgegner, Solar- und Windindustrie) betreiben keinen Lobbyismus, sondern engagierte Interessenvertretung im Sinne des großen Ganzen.

    Dabei ist es von keinerlei Interesse, ob die Informationen stimmen oder nicht, es kommt lediglich darauf an, von wem sie stammen. Lobbyisten informieren grundsätzlich immer falsch und manipulieren, die Guten haben immer Recht und alles, was sie sagen, stimmt.

    Wenn man es einmal verstanden hat, ist es eigentlich ganz einfach.

    /ironie off

  • HA
    H.J. Albrecht

    Die Website www.Vit-D.info informiert nicht nur umfassend und aktuell über Vitamin D. Sie möchte die Menschen auchdazu bewegen, ihren Vitamin D-Blutwert bestimmen zu lassen. Darüber hinaus werden eine Anzahl hyperallergener, natürlicher und hochdosierter Vitamin D3 Präparte angeboten, mit denen man einen Vitamin D-Mangel effizient beheben oder seinen Vitamin D-Blutwert optimieren kann. Sie unterstützt auch D*Action, eine weltweite Bewegung führender internationaler Wissenschaftler, Institute und Personen, die sich zum Ziel gesetzt hat, den weltweiten Vitamin D-Mangel zu beseitigen. Es wäre schön, wenn unsere staatlichen Gesundheitsorgane, Krankenversicherungen, Firmen und andere Organisationen sich dieser Bewegung anschließen würden.

  • LB
    Leopold Bergmann

    Der Beitrag von Frau Burger ist sicher ein Highlight in der deutschen Publizistik zum Thema Sonne, Vitamin D, Sonnenschutz und Sonnenangst.

    Einziger keiner Irrtum: Ich bin keine PR-Agentur und SonnenNews.de ist mein Privatvergnügen.

    Die unterstellte Parteilichkeit ist dennoch nicht ganz falsch. Weniger deshalb, weil ich als freier Redakteur die Redaktion des Bundesfachverbands Besonnung betreue, sondern weil mich der Underdog-Effekt in der bisherigen veröffentlichten Meinung reizte. Da wurde der haarstäubendste Nonsense von den Medien brav und massenhaft nachgeplappert, wenn der Absender eine dermatologische Organisation oder deren Repräsentant war. Die Gegenstimmen dagegen wurden - mangels "weißem Kittel" - souverän ignoriert.

    Natürlich ist die "Arbeitsgemeinschaft dermatologische Prävention" Partei - vor allem im beharrlichen Kampf für ein flächendeckendes, Patienten und Therapien produzierendes Hautkrebsscreening. Das Schüren von Sonnenangst und statistischen Manipulationen bei der Veröffentlichung bzw. Interpretation der Hautkrebsdaten gehört da zum Handwerk.

    Natürlich ist der Branchenverband der Solarienbetreiber Partei, der es auch nicht leichtfällt, Fehler der Vergangenheit offen anzusprechen.

    Aber entscheidend ist ja in jedem Fall die Genauigkeit und vor allem Nachprüfbarkeit der jeweiligen Informationen. Auf http://www.SonnenNews.de gibt es keine Information, die nicht mit einem einzigen Klick auf die Originalquelle immer und von jedermann auf seine Richtigkeit überprüft werden könnte. Mehr tun und mehr kann auch die durchaus gelegentlich bewusst "parteiische" taz nicht. Das ist der Grund, weshalb wir sie lieben.

    Übrigens: In einer Art Nebenbemerkung, sozusagen subkutan, die Experten (international renommierte Forscher)mit positiven Forschungsergebnissen zur Gesundheitswirkung von Sonne und Vitamin D in die "gekaufte" Schublade zu stecken geht garnicht.