Debatte Antiislamismus nach Norwegen: Aufklärung, ganz radikal
Nach dem Attentaten von Oslo könnte nun falsche Rücksichtnahme auf den Islam zur Selbstzensur führen. Dabei sind Tabus immer ein Zeichen von Schwäche.
J etzt heißt es: die ganze "Islamophobie" (Küchenpsychologie) schnell zusammenpacken und die innere Migration suchen. Denn wer es in der gut bürgerlichen oder auch linken Szene noch weiter wagt, antidemokratische oder antiemanzipatorische Tendenzen im Islam zu kritisieren – etwa die Scharia oder Fatwa – läuft nun schnell Gefahr, mit dem norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik in einen Sack gesteckt zu werden.
Maul halten also, damit "die Mitte der Gesellschaft" nicht noch weiter nach rechts verschoben wird, aus der heraus sich dann vielleicht neue islamophobe Christenmenschen über Recht, Gesetz und alle Menschlichkeit erheben und mit dem Verstand kaum zu erfassende Blutbäder veranstalten. Liebe deine Muslime so wie dich selbst (also unkritisch), heißt jetzt die Parole der Mahner und Warner. Dann werde alles wieder gut.
Dabei schrecken einige dieser geschichtsbewusstlosen Islamkritikerkritiker und Islamkritikerkritikerinnen noch nicht einmal davor zurück, ganz unzulässige, bösartige Vergleiche mit der Hetze der Nazis gegen die Juden zu ziehen. Als ob das liberale, sich durch das friedliche und weitgehend auch freundschaftliche Zusammenleben von Menschen vieler Nationen und Religionen auszeichnende Deutschland kurz davor stünde, Muslime etwa mit einem gelben Halbmond zu stigmatisieren und auszugrenzen.
ist taz-Korrespondent für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.
Das aber ist Blödsinn. Und eine Verharmlosung des Naziterrors und der Massenmorde an Juden und Sinti und Roma im Dritten Reich und eine Verhöhnung der Opfer.
Links ist das schon gar nicht. Nur Ausdruck von Hilflosigkeit und Ignoranz. Renommierte Gutachter halten den skandinavischen Kreuzritter mit den Schnellfeuerpistolen schließlich für verrückt. Handeln nicht auch die Terroristen überall auf der Welt, die sich auf den Islam berufen, aus der Mitte ihrer jeweiligen Gesellschaften heraus? Im Irak, in Pakistan, in Afghanistan? Alles Irre? Ja!
Übrigens: Auf der norwegischen Insel wurden junge Sozialdemokraten massakriert; da waren sicher auch ein paar den Irrungen und Wirrungen im Islam skeptisch gegenüberstehende Menschen dabei. Wer sich früh politisch engagiert, ist ja kein Dummkopf.
Verfassungsrecht auf Meinungsfreiheit
Tabus sind jedenfalls immer ein Zeichen von Schwäche. Gesellschaftliche Konflikte offen fair und friedlich auszutragen, ist dagegen das Markenzeichen einer funktionierenden Demokratie. Ich jedenfalls werde mir weiter das in der Verfassung verbriefte Recht auf Meinungsfreiheit herausnehmen und auf Fehlentwicklungen im Islam hinweisen – so wie auch auf den Wahnsinn, der im Namen Christi tagtäglich verkündet wird. Etwa von Millionen grenzdebiler gefährlicher Fundamentalchristen in den Staaten, die ihrem bedauernswerten Nachwuchs glauben machen wollen, dass Gott die Welt exakt so geschaffen habe, wie es in der Bibel steht, und zwar im 17. Jahrhundert.
Aus der Mitte dieser absurden Gesellschaft heraus – im Mittleren Westen – dürften bald weitere schwer bewaffnete Ungeheuer (Amokläufer) erwachsen.
Haben Sie hierzulande schon einmal Engel TV auf Astro TV gesehen? Frau Silvia trägt darin die unerfüllten stummen – alles Telepathie – Wünsche und Fürbitten der Anruferinnen den Engeln vor und gibt dann – nach einer Schweigeminute – deren Entscheidung bekannt: Ja, ist genehmigt! Oder: Leider nein! Und das alles für nur 30 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz.
Wer das glaubt, ist zur Rettung seines Seelenheils vielleicht gleichfalls zu Mord und Totschlag aus Verzweiflung bereit, kommt dann aber post mortem nicht in den Himmel, sondern nur in die Bild-Zeitung: Familiendrama; meist auf dem Lande oder in mittelgroßen Städten. Und immer aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Der eigentliche Feind der Menschheit nämlich ist die Religion an und für sich. Amen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Prognose zu KI und Stromverbrauch
Der Energiefresser
Nahost-Konflikt vor US-Wahl
„Netanjahu wartet ab“
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn