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Hohe Strahlenwerte in FukushimaZeitbombe Kernschmelze

10.000 Millisievert in Fukushima – und das ist nur der Anfang. 100.000 Tonnen verstrahltes Wasser befinden sich unter den Reaktorblöcken. Und noch mehr im Meer.

Die IAEA in Fukushima. Bild: dapd

BERLIN taz | Die aktuell gemessenen Strahlungswerte von 10.000 Millisievert pro Stunde im japanischen Unglücksmeiler Fukushima sind zwar erschreckend. Und noch äußert sich Kraftwerksbetreiber Tepco nicht offiziell über die genauen Ursachen oder kennt sie vielleicht tatsächlich nicht. Doch überraschend sind diese Werte fünf Monate nach dem schweren Unglück nicht. Es ist zu erwarten, dass es in den nächsten Wochen weitere Schreckensmeldungen dieser Art geben wird.

Am 12. März - also einen Tag nach dem schweren Erdbeben - hat es im Reaktor 2 vom Atomkraftwerk Fukushima Daiichi eine Kernschmelze gegeben. Konkret heißt das: Die Brennelemente sind so weit geschmolzen, dass hochradioaktive Materialien den Reaktorboden durchfräst haben.

Bei den Löscharbeiten und Kühlungsversuchen haben die Rettungskräfte zugleich Tonnen von salzhaltigem Meerwasser in die Reaktoren gepumpt, die sich mit den geschmolzenen Brennstäben zu einer hochradioaktiven Brühe vermischt haben. Immer noch befinden sich vermutete 100.000 Tonnen dieses giftigen Gemischs allein in den unteren Geschlossen der über Schächte und Rohre verbundenen Reaktorblöcke 1 und 2.

Über den defekten Reaktorkern in den Boden

Ein Teil dieser Brühe hat Tepco ins Meer gepumpt, weswegen selbst in weiter entfernten Küstenorten immer wieder hohe Strahlenwerte gemessen werden. Einen weiteren Teil hat der Kraftwerksbetreiber in Tankern zwischengelagert. Und wiederum ein Teil ist über den defekten Reaktorkern eben in den Boden gesickert, in den Untergrund gelangt und unter anderem über Schächte damit an die Außenwelt. Bislang ist es den Rettungsmannschaften nicht gelungen, alle Lecks zu versiegeln. Auch ein Verfahren, das die radioaktiven Partikel aus den vielen Tausend Tonnen hochradioaktiven Schlamms herausfiltert, ist bislang nicht gefunden.

Insofern ist damit zu rechnen, dass in den nächsten Wochen noch zahlreiche dieser Strahlennester auftauchen werden – und zwar auch außerhalb des verseuchten Kraftwerksgeländes. Nichtregierungsorganisationen, die den Messungen von Tepco schon lange keinen Glauben schenken, haben etwa auch in den nahe gelegenen Städten Date, Koriyama und drei weiteren Städten hohe Werte gemessen. Dort hat es bislang nur einzelne Evakuierungen von Bewohnern gegeben, deren Häuser auf besonders brenzligen Hotspots stehen.

Der größte Teil des radioaktiv verseuchten Schlamms ist ohnehin im Meer "entsorgt" worden. Und so sehr Umweltorganisationen ankreiden, dass in der Umgebung nicht ausreichend gemessen werde – im Meer finden so gut wie gar keine Messungen statt. Sprich: Das gesamte Ausmaß der Fukushima-Katastrophe wird nie ans Licht kommen.

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12 Kommentare

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  • H
    Halbhirn

    All das ist und war schon immer normales Verhalten. Die Welt ist wie sie ist und die Menschen waren vor 1000 Jahren genauso menschlich wie heute. Solange die Menschen sich Psychopaten als, wie immer man es nennen mag, König, Kaiser, Führer, Präsident oder Gaddafi leisten, wird sich nichts ändern.

    Dummheit, Machtgier, Geld dominiert, nicht der Verstand, dazu noch die unterstützenden Religionen.

    Also, worüber regt ihr euch auf ?

  • J
    johann

    In Zeitungen und TV-Medien wird -wenn sie überhaupt etwas von der Fukushima berichten- der horrende Umfang der Katastrophe meist nicht dargestellt.

    Da wird zwar noch berichtet, dass jetzt Strahlenwerte von 10 Sievert pro Stunde gemessen wurde und vielleicht auch noch, dass der Grenzwert für die unbedenkliche Dosisleistung in Europa 1 Millisievert pro Jahr (Quelle: Wikipedia) ist. Aber die Rechnung 10 Sievert pro Stunde mal 24 mal 365 ergeben 87.600 Sievert pro Jahr macht schon keiner mehr auf. Dass dann geteilt durch 0,001 Sievert der europäische Stahlenunbedenklichkeitsgrenzwert um das gigantische 87,6-Milliardenfache überschritten wird, können so die Wenigsten zur Kenntnis nehmen.

    Und wenn in der TAZ am 3.8.2011 zu lesen ist, dass Tepco einen Teil des höllisch atomar verseuchten Kühlwassers in Fukushima bereits ins Meer gepumpt hat, frage ich mich, wofür haben wir eigentlich eine UNO, die sich angeblich um die Weltgesundheit zu kümmern hat, aber offenbar nichts unternimmt um solche Machenschaften zu stoppen?

  • J
    Jana

    Als Physikerin und als Mutter habe ich echt Angst.

    Die radioaktiven Soffe, welche die Strahlung verursachen sind ja nicht verschlossen, sondern gelangen über das Regenwasser auch zu uns. Es sind alle Lebensformen und ihr Nachwuchs betroffen.

    Auf Arte lief ein Bericht, wonach die Ausbildung männlichen Geschlechtsteile im Mutterleib duch die Aufnahme von Pestizieden und Weichmachern auch bei Menschen gestört wird. (Das gilt alles für Mengen, die zugelassen sind.)

     

    Es läßt sich nicht abschätzen was bei der Aufnahme von geringen Mengen (gesetzlich zulässiger Mengen) radioaktiver Substanzen passiert.

  • J
    johannnes

    wer bei der GRS mal nachliest wird sehen, dass der wert nun wirklich nicht eine meldung wert ist....natürlich der taz schon, den propaganda muss sein....aber welcher taz-leser will schon die wahrheit im umweltteil lesen, die wahrheit gibt es doch nur auf der letzten taz.seite

  • R
    rugero

    Gut mal wieder über das Thema zu lesen. Man hatte schon den Eindruck Fukushima war von den Journalisten als abgefrühstückt aufgegeben.

     

    Dabei gibt es dort noch Nachrichtenstoff für Jahrzehnte. Ich würde gern mehr lesen über den japanischen Umgang mit der Katastrophe und welche Möglichkeiten geprüft werden mit dem enormen Entsorgungsproblem fertig zu werden.

  • B
    Bump

    Vor zwei Tagen gab es in Tokio mal wieder ein SEHR heftiges Beben - vielleicht hat das ja etwas mit den Werten zu tun???

  • B
    barbara

    Wichtig, dass Sie noch einmal darauf aufmerksam machen. Allerdings sollten Sie auch auf inhaltliche Korrektheit achten, damit man solche Infos auch ernst nehmen kann. Und ich weiß sogar als Laiin, die sich ein bißchen was angelesen hat zum Thema, dass eine Kernschmelze nichts damit zu tun hat, dass das so genannte Containment beschädigt sein muss, wie oben behauptet - Kernschmelze heißt nur, dass sie Brennstäbe schmelzen.

     

    In Three Mile Island gab es damals auch eine partielle Kernschmelze, aber das ist noch vergleichsweise glimpflich abgelaufen, weil da eben dieses Containment gehalten hat.

  • B
    Blinkifisch

    "Sprich: Das gesamte Ausmaß der Fukushima-Katastrophe wird nie ans Licht kommen."

     

    Doch wird es, spätestens dann wenn Godzilla mit seiner gesamten Verwandtschaft auftaucht oder die ersten dreibeinigen Mutantenbabies geboren werden. Als wenn irgedetwas davon völlig überraschend oder aus heiterem Himmel käme. Hoppsala, Radioaktivtität verursacht Krebs, obowohl man sie gar nicht schmecken oder fühlen kann! Na,sowas.

  • M
    Marcus

    Die hier genannten 10.000 Millisievert ist ein volkommen unglaubwürdiger Wert. So viel bekommt man vieleicht ab wenn man eine Brennstab mit ins Bett nimmt und damit kuschelt. Auf jeden Fall währe es innerhalb eine Stunde zu 100% Tödlich (der Tod würde in den nächsten 14 Tagen erfolgen) und schon nach wenigen Minuten hätte man gute Chansen daran zu Sterben. Eine so enorme Strahlendosis würde auch keinen "Hottspot" bilden sondern nur lnagsam in der Umgebung abnehmen. Jedenfals währe kein Techniker doof genug so nahe ranzugehen um es zu messen. Zum Vergleich Werte von eine Millisivert pro Stunde werden nur Tolleriert wenn die Arbeiter regelmäßig ausgetauscht werden. Sobald ein Arbeiter dort 100 Millisivert angesammelt hat (also 36 sekunden bei oberen Wert, oder 100 Stunden bei 1 mSv/h) wird er kommplet Ausgetauscht, also gar nicht mehr eingesetzt.

     

    PS: Ich finde es sehr gut das die Taz Zahlen veröffentlicht da man diese selbst in relation setzen kann und sich nicht auf (selbst) ernannte experten Verlassen muss. Da Kommentiert der Jahrzentelange Atomgegner eine Wert mit extrem gefährlich und ein Atompysiker würde dazu Sagen den hatt ja schon mein Kaffee(oder umgekehrt). Gerade bei den im Artike erwähnten Messungen die ja offensichtlich bekannt sind würde ich mir dass in noch größerem Umfang wünschen. Wenn man aber Veröffentlich ist doch ein Mindestverständniss der Verwendeten Größen wünschenswert.

  • EV
    Erdbeben Vergessen?

    Am 23.7 gab es auch in der Provinz Fukushima wieder ein Erdbeben der Stärke 6,4-6,5. Eine Woche später hat das aber anscheinend schon wieder niemand mehr auf dem Schirm, als Tepco "plötzlich" die höchsten Radioaktivitätswerte misst.

     

    Traurig, dass selbst Journalisten so schnell vergessen und Tepco immer noch nicht kritisch hinterfragen....

  • M
    Micha

    10.000 mSv/h? Wo soll das denn momentan gemessen worden sein? Klingt unglaubwürdig hoch die Zahl.

  • I
    Icarium

    Tja, so ist es nunmal mit diesen Multinationalenkonzernen... Die Probleme undurchsichtig machen und verschieben ist halt einfach billiger als effizientes Krisenmanagment und aufklärende Öffentlichkeitsarbeit.

    Ich erinner mich noch an ein klitzekleines Unglück vor Mittelamerika mit so ner Bohrinsel... war da nicht BP dran beteiligt? Aber die haben das ja auch hinbekommen den sichtbaren Ölteppich dank Chemikalien verschwinden zu lassen... nun siechen zichtausend barrel Öl einfach unterhalb des Meeresspiegel.

    Wieso hat man diesen Heinis auch das Sprichwort beigebracht: Aus den Augen, aus den Sinn?

    Und wieso fallen diese dämlichen Print&TV-Medien immer wieder darauf rein anstatt weiter nachzuhacken?!

    Traurige, traurige Realität