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Besser kann man den Ort nicht nutzen

Ein ganzer Bezirk stellt sich hinter ein politisches Anliegen

Von Patricia Hecht

Der Protest, der am Oranienplatz seinen Ort gefunden hat, ist der größte und radikalste Flüchtlingsprotest, den es in der Bundesrepublik je gab. Er ist selbst organisiert, er ist existenziell, und er ist in seinen Forderungen hochpolitisch.

Der Ort ist in diesem Protest von zentraler Bedeutung und klug gewählt. Erstens ist es Berlin, die Stadt, die die Bundespolitik repräsentiert, gegen deren Gesetze sich die Flüchtlinge richten. Ein Camp, symbolträchtig in der Nähe des Bundestags gelegen, wurde allerdings aufgelöst – nachdem es immer wieder Repressalien gegen die Flüchtlinge gegeben hatte. Von einem Treffen mit der Flüchtlingsbeauftragten Maria Böhmer blieb nur das leere Versprechen, sich für eine „Diskussion“ über ein liberaleres Asylrecht einzusetzen.

Der konkretere Ort des Protests ist nun seit Monaten Kreuzberg, wo den Flüchtlingen eben nicht mit Schikanen begegnet wird. Dort bekennt der Bezirksbürgermeister Farbe, schließt sich den Forderungen sogar an und unterstützt sie mit dem, was ihm in diesem Fall zur Verfügung steht: öffentlichem Raum.

Schulz nimmt damit eine originär politische Aufgabe wahr. Er setzt sich für eine Minderheit ein, die eben keinerlei privaten Raum zur Verfügung hat, den sie umnutzen kann – sondern die darauf angewiesen ist, dass ihr irgendwo in einem Land, das ihr ihre Rechte sonst verweigert, ein Stück solchen Raumes zugestanden wird. Als Möglichkeit, sichtbar zu bleiben.

Breite Unterstützung

Dass die KreuzbergerInnen die Umnutzung ihres Oranienplatzes befürworten, hat sich bereits gezeigt: Seit Monaten organisieren UnterstützerInnen Nachtwachen, bringen Kleidung und Essen. Was hier passiert, ist, dass sich ein ganzer Bezirk hinter ein politisches Anliegen stellt. Sinnvoller kann man öffentlichen Raum nicht nutzen.

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