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4 Wochen Unabhängigkeit des SüdsudanOhne rosarote Brille sieht man besser

Nach vier Wochen Unabhängigkeit freuen sich die Südsudanesen nicht mehr einfach darüber, dass sie frei sind. Sie wollen jetzt auch ihre internen Probleme lösen.

Unabhängigkeitsfeier in Juba am 9. Juli. Bild: reuters

JUBA taz | Vier Wochen nach der Unabhängigkeit ist die Ruhe zurückgekehrt nach Südsudan. Es gibt wieder freie Hotelzimmer in der Hauptstadt Juba. Der Stau auf den paar Kilometern asphaltierter Straßen ist verringert. "Wir haben unser Ziel erreicht. Die rosarote Brille ist abgesetzt. Die Realität sieht nicht hübsch aus, aber es ist unsere Realität", sagt Godfrey Abati, ein junger Rechtsanwalt.

Probleme gibt es reichlich: Im schlimmsten Fall kann es zu einen neuen Krieg kommen mit dem Nachbarn Sudan über den Verlauf der Grenze. Auch über Öl und Geld wird gestritten. Vor allem in der zentralsudanesischen Region Abyei, die seit Mai von Sudans Armee besetzt ist, herrscht eine Pulverfasssituation. Zwar sind die ersten 1.200 äthiopischen Soldaten angekommen, die im Namen der UNO die Ruhe in Abyei bewahren sollen. In kurzer Zeit sollen es mehr als 4.000 sein. Doch vier davon sind bereits bei einer Landminenexplosion gestorben. Die Ölförderung in Abyei ist um drei Viertel verringert. Nicht weit entfernt begeht Sudans Armee überdies ethnische Säuberungen in den Nubabergen.

Rechtsanwalt Abati glaubt aber, dass die nächsten Konflikte im Südsudan interner Natur sein werden. Er ist entsetzt über das neue Grundgesetz. "Ich habe noch nie so eine jämmerliche Verfassung gesehen. Der Präsident hat alle Macht. Auf dem Papier sind wir eine Föderation, aber im Grundgesetz ist den Bundesstaaten jede Macht entzogen", meint er.

Damit bleibt die Macht im Südsudan seiner Meinung nach komplett bei den ehemaligen Rebellenkämpfern wie Präsident Salva Kiir und seinen Freunden, zumeist vom Volk der Dinka. "Mir fehlen die Vertreter von anderen Völkern und der jüngeren Generation. Die meisten Führungskräfte sind Eisenfresser aus dem Krieg."

"Wir brauchen Führer mit Ideen"

Ein Regierungsposten erscheint als eine gute Möglichkeit, um sich zu bereichern. Es gibt zahllose Meldungen über Korruptionsfälle. SPLM-Führer beschuldigen sich gegenseitig des Diebstahls und des Griffs in die Staatskasse.

In Juba fahren schon ein Dutzend Hummer, das sind extrem teure und extrem spritfressende US-amerikanische Geländewagen. "Die Besitzer dieser Autos haben alle hervorragende Beziehungen zu den Behörden", sagt Peter Adwok, ein hoher Funktionär der Regierungspartei SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung). "Die Partei hat einen Umschwung gemacht: von der Befreiungspolitik während des Krieges zur Machtpolitik jetzt." Er glaubt, dass es der Staatsführung an Zukunftsvisionen mangelt: "Wir brauchen Führer mit Ideen."

Den Geberländern hat Präsident Kiir gesagt, dass er genau weiß, wer stiehlt, und dass er etwas dagegen tun wird. Das Versprechen ist schon alt und wenig ist getan. Salva Kiir kann mächtige ehemalige Rebellenkommandanten nicht vor den Kopf stoßen. Sie würden sofort mit ihren noch immer existierenden Milizen in den Busch ziehen und wieder Krieg führen.

Manche haben das bereits getan. Bei Kämpfen zwischen Aufständischen und der Armee im Südsudan sind dieses Jahr nach UN-Angaben schon ungefähr 2.000 Menschen umgekommen. Die südsudanesische Regierung beschuldigt Khartum, abtrünnige Warlords mit Waffen zu unterstützen, um so die junge Republik zu untergraben.

Um die Gewalt in den Griff zu bekommen, nimmt Salva Kiir immer wieder Kriegsherren in die Armee auf, zuletzt den wichtigsten Milizenführer Peter Gadet, dessen Bewegung das allerdings bestreitet. So bleibt das Land militarisiert, die Hälfte des Budgets geht an die Streitkräfte.

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