Berliner Erfolgsprodukt mit Tradition: Herb und süß, mit Elefant
Bis in die Achtzigerjahre hinein gab es "Mampe-Stuben" in der Stadt. Heute widmet sich ein kleines Privatmuseum der Geschichte.
Ein schnittiger weißer Elefant im roten Kreis - das Logo des "Mampe"-Magenbitters sieht aus wie die neueste Kreation einer Werbeagentur aus Mitte. Doch die Flaschen mit Mampe Halb und Halb, die im Kreuzberger Designladen "Kultpur" ausgestellt werden, fügen sich nahtlos in die Reihe der Petticoats, tropfenförmigen Vasen und anderen Produkte aus den 1950er Jahren: Das Elefantenlogo stammt von 1951 und ist Teil der aktuellen Ladenausstellung "roaring fifties". Doch die Geschichte des Getränks ist viel älter.
"Mampe ist ein echtes Berliner Erfolgsprodukt mit Tradition", sagt "Kultpur"-Inhaberin Johanna Groß. Darum steht der Orangenbitterlikör, der 1831 in Pommern von dem Geheimen Sanitätsrat Dr. med. Carl Mampe als Mittel gegen Cholera entwickelt wurde, in der Genussecke, zwischen anderen kulinarischen Erfolgsgeschichten. So mancher Kunde, der bei Johanna Groß Mode, Kleinmöbel oder Accessoires von Berliner Designern kauft, nimmt noch eins der aparten Elefantenlikörgläschen mit - und bekommt dafür eine Kostprobe aus der bauchigen Flasche, die auf einem Schleifholztischchen thront. "Es schmeckt toll - erfrischend herb und ein bisschen süß", schwärmt Groß und lädt ins Hinterzimmer, wo sie zwischen Designtaschen und Kleidern ein kleines Mampemuseum beherbergt: Flaschen aus allen Epochen, Werbeträger, Fotos aus dem Berliner Stadtbild, wo bis in die 1980er Jahre Mampe-Werbebusse und dem Likörgenuss gewidmete "Mampe"-Stuben allgegenwärtig waren. Die erste Mampe-Stube, 1917 auf dem Kudamm eröffnet, wurde 1986 geschlossen, 1998 starb der nach dem Getränk benannte Elefant Mampe im Berliner Zoo. Seitdem fristet das einstige Kultgetränk eine Nischenexistenz in den Regalen von Eckkneipen und großen Getränkehändlern.
Das Mampemuseum, das aus dem Inhalt zweier gut gefüllten Vitrinen und Regalen besteht, erinnert an die Glanzzeiten des Getränks, das zuerst im pommerschen Stargard und ab 1877 in der Neuköllner Grenzallee produziert wurde. Bis zu siebzig Sorten Likör und Wodka produzierte die Firma, darunter den Verkaufsschlager "Halb und Halb" mit Kräutern und Bitterorangen - ein Fotoalbum zeigt, wie Arbeiterinnen tonnenweise Orangen schälen, von Hand, versteht sich. "Halb und Halb" oder "Karthäuser grün" wurden auch auf Zeppelinflügen gereicht. Sagenumwoben blieb Dr. Mampes erste Erfindung: Den "Bitteren Tropfen" aus 137 Kräutern wurden allerlei wunderbare Eigenschaften zugeschrieben. Ein Spiegel-Artikel von 1956, der in der Museumsvitrine hängt, berichtet vom Schicksal des Großtierfängers Schulz, der in Zentralafrika den "Totentanz der Baila-Neger" filmte. Die erbosten Eingeborenen hätten ihm Pflanzengift in den Tee gemischt, heißt es. Erst die von seiner Frau liebevoll eingeflößten Bitteren Tropfen hätten den Gelähmten ins Leben zurückgeholt.
Krieg der Erben
Ein Geschäftsmann war der Doktor aus Pommern aber nicht. Das Originalrezept überließ er bereits zu Lebzeiten seinen Stiefbrüdern Ferdinand Johann und Carl Mampe, die beide Produktionsfirmen gründeten und sich bald zerstritten. Fundstücke in der Vitrine belegen den skurrilen Nachkriegswettstreit der Hamburger und der Berliner Mampe-Werke, die sich gegenseitig mit Klagen überhäuften. Öffentlich stritten sie darum, aus welcher Produktionsstätte der äthiopische Kaiser Haile Selassie seinen Bitter bezog (es war Berlin, wie ein Brief vom Hofe final bestätigte). Die Mampe-Erben waren jedenfalls wahre Vermarktungskünstler: Sie erfanden den "Lufthansa-Cocktail" mit Aprikosennote, der bis in die 70er Jahre auf Flügen der Airline gereicht wurde, in Berlin sponserte Mampe Hertha BSC. Kuriosestes Sammelstück des kleinen Museums ist ein kurzer Auftritt von David Bowie als Mampe-Flasche - in dem Film "Schöner Gigolo, armer Gigolo" von 1978.
Dass es das Mampemuseum überhaupt gibt, ist Karin Erb zu verdanken. Die 35-Jährige kostete 2003 ihren ersten Mampe in einer Kneipe und war begeistert. Nicht nur vom Geschmack, auch vom Kommunikationspotenzial des Getränks. In Eckkneipen fand sie Reste einer fast ausgestorbenen Mampe-Kultur, im Internet und auf Flohmärkten erstand sie erste Sammlerstücke: Probiersets, Aufkleber, Gläser. Am 1. Oktober 2007, dem 150. Todestag von Carl Mampe, eröffnete sie ein kleines Museum in ihrer Wohnung. Inzwischen teilt sie ihre Leidenschaft mit Gleichgesinnten in aller Welt, die sich einmal im Jahr in Kopenhagen, Rom oder Berlin zu Partys treffen: Man mixt Mampe-Cocktails und stärkt sich mit "Mampemisu".
Den Einzug ihres Museums in den "Kultpur"-Laden sieht Erb, die von Beruf Pädagogin ist, als ersten Schritt zur Professionalisierung. Im neuen Domizil soll es regelmäßige Führungen und Verkostungsaktionen geben, die historischen Attraktionen werden um modernes Merchandising wie Elefantenohrringe, Stoffbeutel und Aufkleber erweitert. Erb hat sich zum Ziel gesetzt, Mampe wieder zu einem Berliner Kultgetränk zu machen - ähnlich wie der "Held-Wodka" unter zeitgenössischer Vermarktung gerade Eingang ins Nachtleben findet. "Alle trinken Becks oder Jägermeister", sagt die Mampe-Freundin, "aber es doch schöner, etwas mit Geschichte zu trinken, das einen mit Alteingesessenen zusammenbringt." Erb, die bereits Kontakt zu einem Hamburger Barbesitzer mit Mampe-Faible und zu einem Mampe-Urenkel unterhält, will sich demnächst mit der Mampe Group treffen, die sich um die Vermarktung des Getränks kümmert, das vom Berentzen-Konzern hergestellt wird. Dass Mampe seit Juli in Brandenburg produziert wird, stimmt Erb zuversichtlich. Ihr größter Traum ist es, eines Tages mit Freunden eine Original Mampe-Stube zu eröffnen, mit Originalrezepten wie der "Sport-Limonade" aus einem Mixerhandbuch von 1925: Angostura, flüssiger Zucker, Zitronensaft und ordentlich Mampe - Maraschino, Karthäuser grün und Edel-Orange weiß. Auffüllen mit Selters, Eis dazu. Klingt wie einer dieser neuen, trendigen Drinks aus Kreuzkölln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“