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Farbe im FllussDer alte Mann und das Grün

Zu ihrem 20. Geburtstag ließ die Weserburg die Weser gestern grün färben. Anders als der Künstler verstehen das nicht alle auch als umweltpolitisches Statement.

Eine spektakuläre Kunst-Aktion zum 20-sten der Weserburg - Nicolás Uriburu in Aktion mit "Green Bremen" Bild: Jan Zier

Und es war doch ein großes Event. Die Weserburg rief. Und die BremerInnen kamen zu Hunderten. Klatschten, als das kleine Motorboot der Lebensretter, darauf der Mann in Grün, immer wieder große, giftig-gelbrote Wasserfontänen aufwirbelte. Johlten, als die erst rote Farbe den Fluss, sofort, ja, knallgrün einfärbte. "Zugabe, Zugabe!", schallte es vom Ufer rings um das Museum für moderne Kunst, wo sie sich all überall unter Regenschirmen versammelt hatten, an der Schlachte entlang, auf der Teerhof-, an der Bürgermeister-Smidt-Brücke. Dazu wurden Pommes gereicht, und ein Cocktail, natürlich so grün wie die Weser unten - ein Mix aus Orangensaft und Blue Curaçao. Doch am Ende war das Farbspektakel schnell wieder verschwommen, zu schnell fließt die Weser, selbst am frühen Nachmittag, im Tidenkalender also genau auf halber Strecke zwischen Hoch- und Niedrigwasser.

Indes: Es ist alles schon mal da gewesen, auch in Bremen. Dass die Weser so leuchtend hellgrün schillerte, so wie gestern Nachmittag, das hatten wir hier zuletzt 1998. Damals war es der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson, der den Fluss mit Uranin färbte. Und auch da war die Idee nicht mehr neu: Nicolás Uriburu, 73, ein Argentinier, hatte sie zuerst. 1968 färbte er bei der Biennale den Canal Grande, weithin, lange sichtbar. Und das war, damals, eine radikale, eine politische Aktion. Nicht nur, weil sie die Kunst aus den für sie vorgefertigten Räumen holte. Sondern vor allem, weil es ein sehr früher Protest gegen Gewässerverschmutzung und Naturzerstörung war, in einer Zeit, als die Flüsse in der Regel weit davon entfernt waren, so badesauber wie heute zu sein.

Jetzt also wieder so ein Uriburu. Er versteht auch seine gestrige Bremer Aktion als "politische Manifestation", als "Statement" für den Naturschutz. "Jetzt ist der Anfang vom Ende", sagt er, während diese Kunstform inzwischen fast antiquiert erscheint, total "Sechziger" anmutet. Und auch längst von anderen okkupiert wurde, vielfach abseits dessen, was sich "Kunst" nennt. Am irischen St. Patrick's Day etwa wurde der Chicago River mindestens schon seit 1962 einmal jährlich grün eingefärbt, und am diesjährigen "Tag des Wassers", dem 23. März 2011, ebenso - in London, Paris und anderen Metropolen.

Immer kommt dabei das Färbemittel Uranin zum Einsatz, ein Stoff, der sich sonst vor allem in Badezusätzen, Shampoos und Frostschutzmitteln oder als Leuchtfarbe in Diskotheken wieder findet, und, entgegen anders lautender Gerüchte und der radioaktiv anmutenden Optik, für die Umwelt ganz und gar unschädlich ist.

Beim Nabu regte sich gleichwohl harsche Kritik: "Das Symbol, ein ganzes Ökosystem zu manipulieren, ist in Zeiten der Wasserrahmenrichtlinie äußerst schlecht", sagt Geschäftsführer Sönke Hofmann. Und weiter: "Wenn so etwas Schule macht, sprüht die Telekom demnächst im Bürgerpark Bäume und Rehe rosa." Der Nabu hält das alles für eine schale, vor allem aber für eine "Werbeaktion". Schließlich findet sie anlässlich des 20. Geburtstages des Museums Weserburg statt. Peter Friese, der stellvertretende Direktor, der die Aktion initiiert hat, übrigens mit Hilfe von Kunsthallen-Direktor Wulf Herzogenrath, Friese also will Uriburus "Green Bremen" dagegen in erster Linie als Kunstaktion verstanden wissen. Und nicht als Marketinggag.

"Was uns wirklich ärgert ist, dass die Stadt für solch eine Aktion Geld hat", schimpft der Nabu. Und ist dabei, wie auch manch Leserbriefschreiber des Weser-Kuriers, völlig fehl informiert: Das Happening, für das 30 Kilogramm Uranin verbraucht wurden, das dem Vernehmen nach eine fünfstellige Summer gekostet hat - es wird allein von den Freunden der Weserburg finanziert. Und nicht mit den Steuermitteln eines Haushaltsnotlagelandes. Die Grünen sind also unschuldig.

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