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Kommentar GriechenlandPapandreou heizt den Protest an

Kommentar von Jannis Papadimitriou

Mit eine Kopfsteuer nach osmanischem Vorbild will Ministerpräsident Papandreou weiter sparen. Dabei steckt das größte Sparpotential anderswo.

E ine Sondersteuer auf Immobilien soll im überschuldeten Griechenland die noch fehlenden zwei Milliarden Euro im laufenden Haushalt zusammenbringen – wie üblich eine Kopfsteuer nach osmanischem Vorbild, die Kleinverdiener und Wohlhabende, Steuerzahler und Steuersünder gleich belastet.

Kaum zwei Monate ist es her, als eine Kopfsteuer von 300 Euro jährlich auf alle Freiberufler im Land verhängt wurde. Sowohl Prominentenärzte als auch Krankenschwestern werden dadurch pauschal zur Kasse gebeten, prekär beschäftigte Journalisten entrichten die gleiche Sondersteuer wie ihre Verleger.

Das ist der Stoff, aus dem neue soziale Konflikte entstehen. Denn das Gefühl der Ohnmacht und der Ungerechtigkeit breitet sich immer weiter aus. Von Regierungspolitikern hört man die Rechtfertigung, Sparmaßnahmen seien alternativlos; aber spart man wirklich dadurch, dass Freiberufler, Raucher oder Autofahrer immer höhere Pauschalsteuern bezahlen – ohne Rücksicht auf Einkommensunterschiede? Und was kommt als nächstes? Vielleicht eine Sondersteuer auf Linkshändler oder Rotweinliebhaber?

Jannis Papadimitriou

ist Griechenland-Korrespondent der taz.

Das größte Sparpotential in Griechenland steckt im ausufernden Staat. Das weiß auch Ministerpräsident Papandreou. Aber er wagt es nicht, auf Konfrontation zu gehen mit den mächtigen Berufsgilden in der Regierungspartei, die 2009 seine Wahl zum Ministerpräsidenten erst ermöglicht haben.

Unvergesslich bleibt sein Auftritt auf der Internationalen Messe von Thessaloniki vor zwei Jahren: Im Brustton der Überzeugung erklärte der damalige Oppositionsführer Papandreou, im Haushalt gäbe es genug Geld für Steuererleichterungen und Lohnerhöhungen, es reiche doch nur, dass man die vorhandene Geldmenge gerecht verteilt. Mit diesem Versprechen, an das er sich heute nicht erinnert werden möchte, konnte Papandreou im Oktober 2009 einen grandiosen Wahlerfolg einfahren.

Zwei Jahre später sind seine Wähler zutiefst desillusioniert. Sie glauben mitnichten, dass das Geld nach gerechten Kriterien verteilt wird. Aber es wäre immerhin schon viel gewonnen, wenn die Regierung ihr Geld irgendwann mal nach gerechten Kriterien besteuern würde.

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7 Kommentare

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  • HT
    HansJot Tilly

    Genau meine Meinung...

    ... griechische Politik wie gehabt: beliebig, kurzsichtig, ohne wirklichen Plan und ungerecht

    - einfach eine Katastrophe! Ohne Sinn und Verstand.

     

    Warum jetzt nur eine Immobiliensteuer, KEINE Grundsteuer?

    Doch nur weil die orthodoxe Kirche und andere Großgrundbesitzer (meist als Milliardäre im Ausland lebend) dagegen sind!

     

    Es ist sowohl der vorhandene und genutzte Wohn-, Haus- und Industrie- Immobilienbesitz als auch der bloße Grund- und Bodenbesitz, der dem Staat Kosten bereitet, für Erschließung, Zufahrtswege, Verkehrsanbindungen etc.pp.

     

    Diese elementaren Dinge werden von den Eigentümern und Besitzern vom Staat eingefordert, in der Lokalpolitik dann auch durchgesetzt, aber dafür zahlen will dann niemand, es sei denn ein dussliger Gläubiger, wenn man ihn denn mal gefunden hat.

     

    Daß der Immobilienbesitz, also Wohnungs- und Hauseigentum dabei vorne ansteht, ist ja gar kein Zweifel (privates Wohnungseigentum ist in Griechenland eine ziemliche Selbstverständlichkeit, anders als in Deutschland), aber eben nicht nur - die Bodenspekulanten lassen Jahr für Jahr die kostbaren Waldflächen abbrennen, die Nachbarländer dürfen dann beim Löschen helfen, Menschen kommen dabei zu Tode - eine Mutter mit ihren Kindern verbrannte elendiglich! - die Verantwortlichen in der Politik klopfen dann öffentlich und medienwirksam große Sprüche, es wird sogar gemeinsam dazu geweint - aber wirklich und wirksam geändert wird NICHTS!

     

    Die Gewinne aus solchen Machenschaften werden von einigen wenigen sehr reichen Privatleuten eingesackt - mit Hilfe korrupter Politiker, die auch nicht leer ausgehen - und der arme dumme Bürger zahlt und zahlt dafür, in Griechenland und auch anderswo.

     

    DIES ist der Krebs der griechischen Gesellschaft, die kriminell erworbenen Reichtümer der aktuellen und per se kriminellen "Eliten" dieses Landes, gegen diese "Eliten" muß vorgegangen werden, und das weiß dort jedes Kind, aber es passiert NICHTS, da die Verflechtung so ungeheuer dicht ist - Anwälte, Beamte(!), Ärzte, Apotheker, selbstständige Kaufleute, Klein- und insbesondere Groß-Industrielle und die KIRCHE! Eine Mafia aus "Eliten" und Politik.

     

    Eine EU-Kontrolle ist die einzige Chance, das inszenierte und auch das dumme nationalistische Geschrei von gekauften sowie kriminellen und sonstigen Fanatikern darf dabei nicht stören.

  • E
    Europäer

    Kopfsteuern sind Dynamit für jede Gesellschaft.

    Man kann auch sparen, ohne von unten nach oben zu verteilen. Das ganze klingt mal wieder nach neoliberaler Schocktherapie.

  • A
    Atlas

    "....wie üblich eine Kopfsteuer nach osmanischem Vorbild....."

     

    Wie wäre es eigentlich wenn Sie einfach Ihre eigene Misere betrachten anstatt gleich irgendwelche Vergleiche zu Ihren Ex Besatzern zu stellen. Oder ist es ein griechischer Komplex?

     

    Natürlich muss was passieren. Schließlich ist das Volk an dieser Misere mit schuld.

     

    Wie kann man überhaupt gegen Sparpläne demonstrieren wenn man jahrelang so viel Mißwirtschaft und Korruption betrieben hat??? Wenn niemand seine Steuern bezahlt hat?

     

    Fassen Sie sich an Ihre eigene Nase und lassen Sie unnütze Vergleiche.

     

    Den Osmanen geht es heute gut - auch ohne Kopfsteuer.

     

    In welchem Jahrzehnt leben Sie eigentlich????

     

    Mir ist es auch scheißegal ob Sie diesen Kommentar posten oder nicht. Er ist für Sie bestimmt. Seien sie mal Journalist und kein Parteigenosse für Ihre Landsleute. Das ist ja erbärmlich!!!

  • M
    mar

    @ Stephan Mirwalt: Ich verbitte mir Beleidigungen meines Autos! "Alte Spritfresser müssen am besten doppelt besteuert werden!" Mein Auto ist 23 Jahre alt und fährt sparsamer als die Alle-2-Jahre-neue-Karre-Idioten sich vorstellen können! Immer das neueste Auto -- Schrottproduzenten!

  • DG
    Dod Grile

    Leidet der Verfasser unter Schizophrenie? In diesem Artikel beklagt er:

     

    "Eine Sondersteuer auf Immobilien soll ... zwei Milliarden Euro ... zusammenbringen – wie üblich eine Kopfsteuer nach osmanischem Vorbild, die Kleinverdiener und Wohlhabende, Steuerzahler und Steuersünder gleich belastet."

     

    Aber in seinem zweiten heutigen taz-Artikel ("Eigentum abkassiert") schreibt er über diese vermeintlich undifferenzierte Kopfsteuer für alle Armen Griechenlands:

     

    "Alle Wohnungseigentümer [!] werden zum wiederholten Mal zur Kasse gebeten und müssen eine Kopfsteuer von 0,50 bis 10 Euro pro Quadratmeter entrichten, je nach Lage [!] und Zustand [!] ihrer Wohnung."

     

    Vorausgesetzt, die Fakten im zweiten Artikel sind korrekt, ergibt sich hier also tatsächlich eine Differenzierung um den Faktor 20, dazu nach Kriterien, die schwerlich als unsozial gelten können: teure Wohnungen, d.h. groß, frisch renoviert, in guter Lage, werden höher besteuert, als kleine, heruntergekommene Hütten auf dem Dorf.

    Außerdem kenne ich zwar nicht die Statistiken über Eigenheimbesitz in Griechenland, würde aber doch einmal annehmen, dass, wer nicht zur Miete wohnt, eher nicht zu den Ärmsten der Armen gehören dürfte.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    "Autofahrer immer höhere Pauschalsteuern bezahlen"

     

    Auch in Griechenland ist Autofahren immernoch viel zu billig!

     

    Man sollte den Benzipreis auf 10€ pro Liter festlegen, und davon müssen mindestens 7,50€ an den Staat gehen!

     

    Alte Spritfresser müssen am besten doppelt besteuert werden!

  • 1M
    10 Milliarden

    Enteignung von Fußball- und Basketballvereinen und anschliessender Spielerverkauf würde locker 10 Milliarden Euro bringen.

    Daß niemand auf derartige Ideen kommt, zeugt davon, daß es überhaupt keine nennenswerte Krise gibt.