Fußballverband verprellt Ultras: Bengalos auf Eis
Funkstille statt Pilotprojekt: Der Streit zwischen dem DFB und Fußballfans, die sich für das Abbrennen von Pyrotechnik starkmachen, ist festgefahren.
BERLIN taz | Ein kurzes Aufflammen, mehr nicht: Zwischen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Faninitiative "Pyrotechnik legalisieren" sind die Verhandlungen fürs Erste gescheitert. "Der DFB konterkariert mit seiner jüngsten Stellungnahme die guten Gespräche, die es gab", sagt Benjamin Hirsch, juristischer Berater der Faninitiative, die sich für genehmigte Flächen zum Abbrennen von Pyrotechnik in Stadien einsetzt.
Darum geht es im Detail: Mitte Juli hatte die Initiative mit den Sicherheitsbeauftragten des DFB verhandelt. Ein Pilotprojekt zum kontrollierten Abbrennen von Bengalos in Bundesligastadien sollte angeschoben werden. Auflage war, dass die teilnehmenden Ultragruppen drei Bundesliga- beziehungsweise fünf Zweitligaspieltage auf Pyrotechnik verzichten. Nun wurde doch gezündelt, 21 Vorfälle hat der DFB gezählt.
In einer Presseerklärung vom vergangenen Freitag signalisiert der DFB kaum noch Kooperationsbereitschaft, da die Faninitiative "ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen" sei. Man müsse jetzt erst einmal die "juristischen Bewertung" einer möglichen Legalisierung vornehmen - jetzt, knapp zwei Monate, nachdem sie der Initiative ernsthafte Hoffnung auf das Pilotprojekt gemacht hatten.
Der DFB rudert zurück
Man wollte prüfen, ob ausgewiesene Pyrozonen in den Bundesligastadien realisierbar sind. In denen wäre dann das Abbrennen von Bengalos unter Aufsicht und mit ausreichend Sicherheitsabstand erlaubt gewesen. Mehr als 75 Fangruppen hatten sich der Initiative angeschlossen. Der DFB stellt nun fest, es seien "zu keinem Zeitpunkt Zusagen gemacht" worden, "die eine restriktionslose Legalisierung von Pyrotechnik in Stadien in Aussicht stellen". Dies war allerdings auch nie Gegenstand der Verhandlungen.
Mit Verweis auf das abgelaufene Moratorium rudert man nun zurück: "Das von der Faninitiative angestrebte Ziel wurde nachweislich verfehlt." Glaubte man beim DFB, die Initiative zur Legalisierung von Pyrotechnik könne Einfluss auf die gesamte Fanszene nehmen, auf 1.247.804 Personen, die an den ersten drei Spieltagen allein in den Stadien der Bundesliga waren? Rückfragen wollte Ralf Köttker, Pressesprecher des DFB, in dieser Woche nicht beantworten: "Wir haben mit der Presseerklärung alles dazu gesagt."
Chance zur Entspannung vertan
Benjamin Hirsch meint, "die Selbstregulierung der beteiligten Fangruppen" habe "gut funktioniert". Gezündete Fackeln etwa seien selbstverantwortlich gelöscht worden. Nun aber würden vonseiten des DFB erneut alte "Ablehnungsschemata" bedient. Vielleicht habe sich der ehemalige DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn, mit dem es konstruktive Gespräche gegeben habe, bezüglich der in Aussicht gestellten Pilotprojekte zu weit aus dem Fenster gelehnt. Genauso wenig kann Jonas Gabler, Autor des Buchs "Die Ultras", das Umschwenken nachvollziehen: "Das wäre auch die Chance gewesen, das Verhältnis zwischen Fans und Polizei deutlich zu entspannen."
In der Debatte geht es auch um klare Trennungen und Definitionen. Es geht der Initiative um das sichere Entflammen bengalischer Feuer - nicht aber um die Nutzung von Böllern, Kanonenschlägen oder Knallkörpern. Der ehemalige Dynamo-Dresden-Ultra "Ede", Unterstützer der Kampagne, sagt: "Wir hätten der Öffentlichkeit zeigen können, dass das sichere Zünden von Pyrotechnik möglich ist und nicht mit Krawallmacherei gleichzusetzen ist." Nun sei es Sache des DFB, zu einer klaren Linie zurückzufinden und so eventuell doch noch den Brückenschlag mit den Fans zu schaffen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen