Nachruf R.E.M.: Der Sieg des Paradieses
Nach drei Jahrzehnten hat sich mit R.E.M. eine der größten Bands der Rock-Geschichte aufgelöst. Die Musiker haben ihre Mission erfüllt.
BERLIN taz | Jedes Ding hat seine Zeit. Das gilt auch für Rockbands. Insbesondere sogar. Denn Beständigkeit, Qualitätssicherheit und Verlässlichkeit, das sind Werte, die durchaus zu schätzen sind beim Kauf eines Automobils. Tolle Rockmusik aber glänzt gewöhnlich mit eher gegensätzlichen Eigenschaften. Manche brauchen nur etwas länger, das zur Kenntnis zu nehmen. R.E.M. haben sich nun dazu durchgerungen und offiziell ihre Auflösung bekannt gegeben. Die Band wurde 31 Jahre alt.
Sie ruhe in Frieden. Sie hat ihren Auftrag erfüllt. Als sich R.E.M. 1980 in Athens, Georgia, zusammentaten, erspielten sie sich schnell einen Status als Aushängeschild der Alternativkultur. Musikalisch orientierten sie sich an den Byrds, gespielt wurden sie im College-Radio, gehört wurden sie von Intellektuellen, die einen Ausweg aus dem Nihilismus des Punk suchten.
Der Brückenschlag von den Hippies zur Postpunk-Generation gelang. Kaum eine zivilgesellschaftliche Bewegung der achtziger und neunziger Jahre, denen R.E.M. nicht den Soundtrack oder sogar konkrete Unterstützung lieferte. Die Band sammelte Geld für Menschen-, Frauen- und Tierrechte, setzte sich ein für Homosexuelle und den Umweltschutz, gegen die laxen Waffengesetze in den USA und die Militärdiktatur in Burma. Peter Buck spielte eine romantisch jängelnde Gitarre und Michael Stipe sang dazu: "It's the end of the world as we know it and I feel fine."
Mittlerweile ist die Welt tatsächlich eine andere. Das, was damals, als R.E.M. begannen, Gegenkultur war und subversiv, das ist heute Mainstream. Schwule dürfen heiraten, Baden-Württenberg wird von einem grünen Politiker regiert und Burma heißt jetzt Myanmar. Okay, auch unter neuem Name ist Myanmar weiter dasselbe menschenverachtende Regime, aber es wäre wohl zu viel verlangt von einer Rockband, weitermachen zu müssen, bis das Paradies endgültig ausgebrochen ist.
Vor allem von einer Band, deren Mitglieder zwischenzeitlich nur mehr in verschiedenen Bussen zu ihren Auftritten gereist sein sollen. Man verlasse das Musikgeschäft, so R.E.M. in einer abschließenden Erklärung, mit "Erstaunen, was wir alles erreicht haben". Das ist wohl wahr. Und nun ist es aber auch gut.
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