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Kommentar EinbürgerungspolitikWie man eine Willkommenskultur schafft

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die Politik bemüht sich, die Scherben aufzukehren, die die Sarrazin-Debatte hinterlassen hat. Aber das kann nicht über die Realität hinwegtäuschen.

V on einer "neuen Willkommenskultur" ist in letzter Zeit viel die Rede. Die Kanzlerin und viele Politiker greifen zu dieser Formel, um zu betonen, dass Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiv bleiben müsse. Daraus spricht auch das Bemühen, die Scherben aufzukehren, die die Sarrazin-Debatte hinterlassen hat.

Nachdem Angela Merkel vor zwei Jahren schon einmal zu einer Einbürgerungsfeier ins Kanzleramt lud, zog nun Bundespräsident Wulff mit einer ähnlichen Zeremonie nach. Man soll die Bedeutung solcher symbolischen Gesten, die bundesweit immer mehr in Mode kommen, nicht gering schätzen und belächeln: Sie sind wichtig, weil sie eine emotionale Verbindung stiften und eine Form der Anerkennung darstellen. Früher war es oft üblich, dass man den deutschen Pass auf irgendeinem Amt formlos in die Hand gedrückt bekam.

Die schönen Gesten können aber nicht verbergen, dass die Zahl der Einbürgerungen zu wünschen übrig lässt - was nicht zuletzt an Merkel selbst liegt, die 2007 mit dem Einbürgerungstest neue Hürden dafür aufstellen ließ. Heute leben noch immer 6,75 Millionen Menschen in Deutschland, die teilweise sogar hier geboren sind, aber keinen deutschen Pass besitzen. Das ist ein Problem für unsere Demokratie, weil damit eine relevante Bevölkerungsgruppe vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, was in manchen Großstädten zu merkwürdigen Schieflagen führt. Es bringt auch Nachwuchsprobleme mit sich, etwa bei der Bundeswehr.

taz
DANIEL BAX

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Nun gibt es darüber zum Glück wieder eine Debatte. Denn es wäre richtig, auch Türken und Russen - und nicht nur, wie bisher der Fall, nur Bürgern aus EU-Staaten - die doppelte Staatsbürgerschaft zu erlauben. Auch ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger wäre gut. Und die Optionspflicht, nach der sich Jugendliche, die hier geboren wurden, aber ausländische Eltern haben, mit 23 Jahren für einen Pass entscheiden müssen, gehört abgeschafft. Sie ist bürokratischer Unsinn. Es braucht noch mehr als nur nette Gesten, um eine echte "Willkommenskultur" zu schaffen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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13 Kommentare

 / 
  • S
    spin

    Stugots fragt:

    "Warum sollte man Menschen erlauben zu wählen, die sich weder mit dem Land identifizieren (wollen), in dem sie sich aufhalten, noch irgendeine Art von Sympathie für die Deutschen hegen?"

     

    beides trifft auf mich auch zu. und was jetzt? soll ich mein wahlrecht abgeben?

     

    vielleicht können wir politik und identitätsgefasel mal trennen. wer hier 5 jahre wohnt soll wählen dürfen. das darf meine amrikanische freundin leider auch nach 16 jahren noch nicht, trotz hiesigem studienabschluss und job. der staat ist ein sachlich' ding, und weder ihm noch seinen insassen ist mit der patriotismusnummer gedient.

    außer natürlich den nationalisten, die sich vor ausländischer konkurrenz schützen wollen weil sie ahnen, dass ihre dümmlichkeit ihre chancen begrenzt.

     

    (übrigens ist meine kritik an den türkischen deutschen eher die, dass sie überhapt nationalistisch sind, und neben der türkischen auch deutsche fläggchen schwenken. lieber wäre es mir, sie würden dem hiesigen antitürkischen rassismus informierter und gern auch mit mehr wut begegnen.)

  • SL
    staunender Leser

    "Es bringt auch Nachwuchsprobleme mit sich, etwa bei der Bundeswehr."

     

    Wow! Wenn es darum geht Doppelpässe zu legitimieren, dann verbündet man sich nicht nur mit dem Großkapital (Fachkräfte) sondern inzwischen sogar mit dem Militär!

    Was für eine Wandlungsfähigkeit - wenn es der Sache nützt.

  • DG
    die geldelite

    - will billige arbeitskräfte (produktivität:export) und deshalb unmündige! Zuwanderer, die erpresst werden können - Und wer hier mitjubelt, soll wissen, die wirtschaft will auch:

     

    - keinen Inflationsausgleich seit einem Jahrzehnt, Rentenarmut zwecks Versicherungsvorsorge (2. Bankensektor)

     

    und sie will auch:

    - einen schönen finanzstarken! exportmarkt mit einer einheitswährung (keine relativ schwächeren auslandswährungen, mit denenen nicht eingekauft werden kann), das Leben auf Pump (zB der Griechen, vgl Rüstungsexporte) und

     

    Für alles sollen wir selbst zahlen und auch noch jubeln, wie die Innenpolitik so auch die Außenpolitik, halbe Gerechtigkeit gibts nicht.

  • S
    Sergej

    Lieber Herr Bax,

     

    die Russen, Sie meinen wahrscheinlich die Spätaussiedler können beide Staatsbürgerschaften haben - da haben sie schlicht nicht recherchiert. Die Aussiedler, die ihren russischen Pass nicht aufgegeben haben, besitzen zwei Bürgerschaften. Die Aussiedler, die nach der Ankuft in Deutschland auf den russischen Pass bewusst verzichtet haben, haben eben nur eine - aber aus freiem Willen.

     

    Ebenfalls unerwähnt bleibt im Text, dass sich viele Tärken gegen einen deutschen und für einen türkischen Pass entscheiden - das ist dann ihre Privatsache.

  • S
    sf2000

    @Stugots

     

    Sie sind ja der Experte. WEM soll ich mich anpassen? Wenn ich mir nur die drei ersten Blutsdeutschen ansehe, die mir egal wo über den Weg laufen: Außer, dass die atmen und halbwegs die gleiche Sprache sprechen (schreiben lassen sollte man sie die nicht), ich werde keine Gemeinsamkeiten finden außer vielleicht, dass alle "Das Supertalent" gesehen haben. Und bei allem gutem Willen, lieber gebe ich mein Wahlrecht ab.

  • D
    DermannimMond

    Und sie lernen nichts.

     

    "Das ist ein Problem für unsere Demokratie, weil damit eine relevante Bevölkerungsgruppe vom Wahlrecht ausgeschlossen ist, was in manchen Großstädten zu merkwürdigen Schieflagen führt."

     

    Es ist doch klar, worum es hier gehen soll.

    Hier wird ein Misstand als ein Vorwurf gegen die einhemische Bevölkerung umfunkunktioniert.

     

    Viele Städte haben einen hohen Migrantenanteil davon einen großen Teil aus nicht-europäischen Ländern, deren Verbleib in Deutschland den Leuten als zweiweilig und temporär (Gastarbeiter, und Asylanten) verkauft wurden.

     

    Diesen Migranten, vorzugsweise Muslime, von denen sich ein nicht geringer Teil weder als Deutscher oder Europäer fühlt oder besonders große Achtung für die "Ureinwohner" besitzt, die Lieblingsmigranten der Linken, soll so dass Wahlrecht gegeben werden, sodass sie gleich für Linke Parteien wählen gehen.

     

    Ein Problem für unsere Demokratie ist, dass Massenimmigration kulturfremder Menschen ohne jegliche demokratische Legitimation stattgefunden hat, unter deren Auswirkungen wir heute leiden.

     

    Das Deutsche Volk, und das Europäische Volk auch wenn Linke schon allein das Wort nicht leiden mögen und seine Kultur, haben ein Recht zu überleben.

  • C
    Caro

    Ach ja, was der einfachen Bevölkerung abverlangt wird und man selbst nicht bereit ist, zu geben.

    Das Schöne ist, dass die, die den moralischen Zeigefinger heben, selbst hübsch abgeschottet leben. Sofern sie Kinder haben, besuchen diese keine städtischen REalschulen oder Gesamtschulen, nein, das beste Gymnasium mit wenigen Muslimen ist gerade gut genug.

     

    Dass Herr Dax glaubt, dass die Situation seit Sarrazin vergiftet ist, spricht Bände. Seit Sarrazin ist sie nicht so, man spricht seitdem nur darüber.

     

    Schon mal eine Schule mit türkischen und arabischen Jungen besucht und gesehen, was so abgeht...

    Es gibt Gründe dafürm dass vor allem junge Menschen zwischen 15-25 Sarrazin zustimmen.

  • N
    Nicolai

    @Stugots

     

    Es ist doch erstmal total egal, ob sich jemand mit einem Land indentifiziert. Wenn jemand hier ist, ist er von allen Entscheidungen die hier gefällt werden betroffen. Er benutzt die Straßen hier, lebt hier, die Kinder gehen hier zur Schule, wenn beispielsweise die Mehrwersteuer erhöht wird, wird das alle treffen. Dann sollte er auch mitreden dürfen.

    Es muss doch keiner ein Glaubensbekenntnis aufsagen oder die Deutschen lieben. Wer da ist, der spielt mit.

     

    Es kann doch nicht sein, dass jemand von sämtlichen politischen Entscheidungen betroffen ist und dann nicht mal an einer Volksabstimmung über die Aufstellung neuer Blumenkübel teilnehmen darf!

     

    Demokratie und Republikanismus sind wichtig für eine Gesellschaft. Daran müssen sich auch alle halten. Aber da ist es nun wirklich von keinem zu verlangen, sich ausgerechnet an die Deutschen anzupassen. Dass es keine große Deutsche Tradition in dieser Beziehung gibt kann man nur sagen:

     

    Integrationskurse für ALLE!

  • V
    vic

    Ich stimme Ihnen zu, Herr Bax.

    Doch ich bin leider sicher, die Sprüche Merkels sind nur warme Worte aus einem eiskalten Kopf.

     

    @ Stugots

    Vielleicht bist du es ja, der sich nicht anpassen kann?

  • E
    E.A.

    @Stugots: Dann passen sie sich mal an, wie damals im Kommunismus und fallen sie ja nicht auf, sonst kommt der Staat oder ein engagierter Bürger und verpfeift sie an die Stasi... äähh ich meine BND.

  • F
    Fawkrin

    Mit Verlaub, die Kommentare von Weltfremd und Stugots passen ins 18. Jahrhundert und bringen Deutschland gar nichts. Im Gegenteil. Dieses Denken verhindert eine dringend erforderliche Modernisierung unserer Gesellschaft.

  • S
    Stugots

    Mit Verlaub, das ist doch völliger Blödsinn. Warum sollte man Menschen erlauben zu wählen, die sich weder mit dem Land identifizieren (wollen), in dem sie sich aufhalten, noch irgendeine Art von Sympathie für die Deutschen hegen?

     

    Mir ist schon klar, dass die linken Parteien sich mit solchen Vorstößen die Stimmen der Migranten erschleichen wollen - und vergessen dabei VÖLLIG, dass sich längst Parteien bilden, die aus den eigenen Reihen der vornehmlich islamischen Einwanderer bilden!

     

    Menschen, die in ein fremdes Land kommen müssen ihre Kultur nicht wegwerfen, aber sich dennoch derer der Gastgeber anpassen - anders funktioniert ein Zusammenleben NICHT!

  • W
    Weltfremd

    Vielleicht erstmal ne Volksabstimmung über Zuwanderung.

     

    Ist einfacher, wenn das Volk auch die Zuwanderung will.

     

    Ungewollte Zuwanderung und Willkommenskultur finde ich merkwürdig.