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Betriebsversammlungen des BahnpersonalsReisende müssen an den Automaten

370 Servicestellen waren am Freitag geschlossen. Die Beschäftigten diskutierten über den geplanten Stellenabbau. Der Fahrgastverband Pro Bahn unterstützt den Protest.

Wer am Freitag auf einen offenen Schalter hoffte, war aufs falsche Gleis geraten. Bild: dapd

BERLIN taz | Wer am Freitag an einem Schalter der Deutschen Bahn eine Fahrkarte kaufen wollte, hätte sich besser am Automaten angestellt. Etwa 370 der bundesweit 400 Servicestellen waren nach Firmenangaben mehrere Stunden geschlossen - wie schon am Donnerstag die restlichen Reisezentren in Hamburg und Schleswig-Holstein. Grund: In Betriebsversammlungen diskutierten die Beschäftigten über Pläne der Bahn, rund 700 der 2.350 Jobs in den Servicestellen zu streichen.

Der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, begrüßte den Entschluss der ArbeitnehmerInnen, die Reisezentren für einen Tag lahmzulegen: "Es ist eine einmalige Aktion, die der Öffentlichkeit zeigt, welche Folgen die Sparpläne für die Kunden haben können", sagte er der taz. Die Fahrgäste konnten ihre Tickets zum Schalterpreis im Zug kaufen. Das habe den Aktionstag aus Sicht der Kunden erträglich gemacht, so Naumann. Allerdings befürchte er, dass der Streit eskaliere - mit schweren Folgen für den Service. Nun sei die Bahn in der Pflicht, den Beschäftigten entgegenzukommen.

Der Konzern begründet die geplante Stellenstreichung mit dem gestiegenen Ticketabsatz im Internet und an den Automaten. "Es werden immer weniger Tickets im Reisezentrum gekauft, das stimmt", erklärte Naumann. Allerdings gehöre zum Service nicht nur der Fahrkartenverkauf. Die Kunden wollten sich auch persönlich im Reisezentrum beraten lassen. Immer mehr Kunden hätten technische Fragen etwa zum Ticketkauf übers Handy.

"Unsere Reisenden sind technisch versiert", antwortete ein Bahnsprecher. Für Fragen gebe es nach wie vor Personal in Bahnhöfen. Weil die Kunden der Reisezentren seit 2010 Wartenummern ziehen, seien 85 Prozent in weniger als zehn Minuten an der Reihe. Naumann dagegen rechnet wegen des Stellenabbaus mit kürzeren Öffnungs- und längeren Wartezeiten.

"Wir hoffen nach dem Aktionstag auf positive Signale von der Bahn", sagte Oliver Kaufhold, Sprecher der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Wenn die nicht kämen, werde die Organisation den Druck erhöhen. Da es in der Auseinandersetzung nicht um Löhne gehe, könne man aber aus rechtlichen Gründen nicht streiken. Allerdings sei in jedem Quartal eine Betriebsversammlung möglich.

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6 Kommentare

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  • T
    TabulaRasa

    Diese Witzbolde bei der Bahn. Natürlich werden immer mehr Tickets am Automaten oder im Internet gekauft, es werden - bei gleichbleibendem oder wachsendem Passagieraufkommen - ja auch seit Jahren immer weniger Leute im Ticketverkauf beschäftigt.

  • N
    Neo

    Viel Erfolg bei Ihren Bemüehungen um Ihre Arbeitsplätze! Weg: Arbeit-Arbeitslosigkeit-HartzIV

     

    Neo, die Unbestechlichen

  • FS
    Florian S.

    Es ist schon bemerkenswert: Auf der einen Seite sollen hier 700 Stellen zur Kostenersparnis (aus welchem anderen Grund sonst?) abgebaut werden, auf der anderen Seite stehen infrastrukturell fragliche Projekte wie Stuttgart 21, die Millarden kosten und keinen signifikaten Nutzen für diesem Preis bringen. Dem Service kommt sicherlich keines von beidem Zugute. Ich persönlich finde es ja heute schon unangebracht, zwei Euro mehr für ein Ticket am Schalter zu verlangen, auf Kosten der technisch nicht so versierten Bevölkerung. Hier wird wie so oft mal wieder am falschen Ende gespart. Naja, wen wundert's? So ein Prestigebahnhof fällt schließlich mehr ins Auge als ein zufriedener Kunde.

  • A
    Alex

    Mmh, ich bin super technisch versiert - sobald etwas nicht "wie immer ist", stehe ich erst einmal da und blockiere den Automaten. Glücklicherweise läuft dort öfter mal "Personal" vorbei, das sich mit der verflixten Menüführung auskennt und einem gerne hilft - nur tragen die Leute entweder blaue Westen mit dem Schriftzug "Bahnhofsmission" oder haben 'ne Buddel Bier in der Hand und viel Freizeit. Die richtigen Mitarbeiter der Bahn sitzen derweil in einem kleinen Büro in der Haupthalle fest, wo sie einen auch gerne beraten und so - nur eben leicht ab vom Schuss und halt mit Wartezeit verbunden, weil: zu viele Mitarbeiter kann man ja auch nicht da hinsetzen (gibt ja auch nur drei Plätze), da müssen die Leute (besonders zum Wochen-/Monatsanfang) eben etwas Zeit mitbringen, wenn sie bedient werden wollen.

     

    Jetzt sollen auch noch Stellen gestrichen werden? Prima, passt genau zum Konzept, die "Penner" vom Bahnhof zu vertreiben - irgendwann stehen die Kunden da völlig alleine, ist ja auch egal.

  • P
    Peter

    Letztlich werden die meisten Bahnschalter nicht zu retten sein; Vertriebsformen wie Internet, Automaten und Einzelhandel werden den traditionellen Kartenverkauf weitgehend verdrängen. Zu sagen, dass die Bahn durch die aktuelle Entwicklung gezwungen wird, viele Stellen zu streichen, ist aber nicht ganz ehrlich. Schließlich hat die Bahn diese Entwicklung bewusst massiv gefördert, indem sie den Schalterverkauf gezielt benachteiligt hat, und zwar durch lange Warteschlangen (zu viel Personal?), Preisaufschläge für die "persönliche Beratung", Nichtanbieten bestimmter Sonderangebote und das Vorenthalten von günstigen Kartenkontingenten.

     

    Bezogen auf Letzteres habe ich Folgendes mehrfach erlebt: Verbindung zum Sparpreis im Internet herausgesucht. Am Schalter dann, diese Verbindung ist nicht mehr zum Sparpreis erhältlich. Zuhause geprüft, diese Verbindung ist sehr wohl noch zum Sparpreis erhältlich. Verärgerung.

     

    Betriebswirte machen häufig die Rechnung "Kosten gespart, Gewinn gemehrt" ohne zu berücksichtigen, dass der Schuss nach hinten los geht, wenn man durch die Kosteneinsparungen Kunden vertreibt. Das gilt für vieles, was die Bahn in den vergangenen Jahren geleistet hat.

     

    Weiterhin ist die Bahn zu Recht im Staatsbesitz und hat einen Versorgungsauftrag zu erfüllen, der auch den Transport von Menschen einschließt, die mit den modernen Vertriebsformen nicht umgehen können. Dies betrifft insbesondere ältere Menschen.

  • OS
    OliverMichael Schilcher

    toll, endlich mal wieder ausgiebig schwarz fahren. Danke Bahn!!