Fluglärm macht weiter krank: Jetzt auch online abgespeist
Einen Monat nach dem Start des Internet-Beschwerdeportals für Fluglärm gibt es mehr Klagen denn je. Der nächtliche Krach nimmt deswegen aber noch lange nicht ab.
Als die Internetplattform für Fluglärm-Beschwerden des Umweltsenators startete, gaben sich alle Beteiligten noch optimistisch. Doch schon nach einem Monat zeigen sich InitiatorInnen und BeschwerdeführerInnen desillusioniert von dem Portal, das für mehr Transparenz zumal in Sachen Nachtflug-Ausnahmegenehmigungen sorgen sollte. "Die Plattform ist im Grunde nur eine Vereinfachung für die Behörde", resümiert Hanne Bösch vom Bremer Verein der Fluglärmgeschädigten.
Jetzt gebe es die Standardantworten der Behörde und Verweise auf die Zuständigkeit anderer eben online. "Naja, das ist ja üblich, dass wir dauernd abgespeist werden", sagt die Lärm-Gegnerin, die in Habenhausen wohnt und seit einem Jahr auch bei der offiziellen Fluglärm-Komission des Landes Bremen aktiv ist.
Immerhin, was früher nur die zuständigen Beamten zu Gesicht bekamen, ist nun für jedermann öffentlich einsehbar: "Es reicht jetzt!!! Das ist um 04.38 Uhr das dritte Mal, dass ich und meine Familie diese Nacht durch ein startendes Kleinflugzeug aus dem Schlaf gerissen wurden", schreibt ein empörter User. Ein anderer regt sich über Transall-Überfüge auf: "Die pauschal gegebenen Antworten der letzten Monate, dass es sich um keine signifikante Lärmerhöhung durch diese Maschinen handelt, greifen nicht."
Etwa 70 Beschwerden sind seit Anfang September über das Internet eingegangen. Klagen per E-Mail gebe es so gut wie keine mehr, sagt Brigitte Köhnlein, Sprecherin des Umweltressorts. Auch die Zahl der Beschwerenden habe sich erhöht. "Ich habe den Eindruck, dass die Leute mutiger geworden sind", sagt Bösch dazu. Das Ressort für Umwelt, Bau und Verkehr gibt sich bemüht. "Die Beschwerdeplattform ist ein Instrument, um die Transparenz für BürgerInnen zu erhöhen", sagt Köhnlein. An den Flugrouten könne man aber leider nichts ändern. Langfristig würden Schwerpunktthemen ermittelt, gegenwärtig seien das Nacht- und Militärflüge.
"Die Leute sind wütend, weil die Dinge, über die sie sich beschweren, nicht abgestellt werden", sagt Monika Morschel, Vorsitzende des Vereins der Fluglärmgeschädigten und Projekt-Initiatorin. "Doch der Umweltsenator hat gar nicht die Kompetenz, Ausnahmegenehmigungen für Nachtflüge zu verweigern." Die hätte nur der Wirtschaftssenator, "und der zieht weiter seinen Stremel durch", so Morschel. Eine Interessensabwägung im Sinne der belasteten Bevölkerung sei nicht wahrnehmbar. Das bestätigt auch Bösch. So sollen es am 13. September in einer Nacht ganze vier Ambulanzflüge gewesen sein: "Wir glauben das einfach nicht."
Immerhin gibts Bewegung im politischen Raum. So fordert die Grünen-Fraktion, höhere Belastungen durch Starts und Landungen in der Nachtzeit auch mit höheren Gebühren zu belegen. Zudem müsse der Senat künftig nachvollziehbar machen, welche Flüge genehmigt wurden - und warum. Die Flughafen-Anlieger hätten "ein Anrecht auf Nachruhe", so die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Maike Schaefer. Der Senat könne viel dafür tun, wenn er die Gebührenordnung nach Krach-Emission der Flieger staffele und somit ein Anreizsystem für geräuschärmeren Flugverkehr schaffe.
Not täte das auch, weil das Problem demnächst zunehmen könnte: Gerade erst hat der Flughafen die Airline Germania als neuen Großkunden gewonnen. Deren Flugzeuge sollen in Bremen gewartet werden - weshalb das Unternehmen sich theoretisch abendliche Homecarrier-Flüge genehmigen lassen könnte. "Der Bedarf ist erstmal nicht gegeben", gibt ein Germania-Unternehmenssprecher noch Entwarnung. Geplant seien derzeit "14 Verbindungen pro Woche". Das sei auch "während der regulären Betriebszeiten zu schaffen". Eine spätere Betriebserweiterung kann er aber nicht ausschließen.
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