piwik no script img

Debatte nach PolizeieinsatzSitzblockaden in Brandenburg verboten

Brandenburgs Innenminister gibt Fehler bei umstrittenem Polizeieinsatz in Neuruppin zu. Gleichzeitig aber warnt er: Die Strategie der Sitzblockade müsse aufhören.

Der Ausgangspunkt: Polizei räumt Sitzblockade Ende September. Bild: dpa

Der brandenburgische Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat Fehler bei einem umstrittenen Polizeieinsatz in Neuruppin Ende September eingeräumt. Dort hatten mehrere 100 Demonstranten versucht, einen Neonazi-Aufmarsch mit einer Sitzblockade zu stoppen, waren aber teils weggetragen und stundenlang festgehalten worden. Teilnehmer sprachen von einem "Kessel". Im Innenausschuss des Landtags nannte Woidke die Auflösung der Verhinderungsblockade am Donnerstag dagegen "rechtmäßig und geboten". Er kündigte an, die Polizei werde in Zukunft in ähnlichen Situationen ebenso handeln. Zugleich warnte er davor, die Strategie der Sitzblockaden fortzusetzen.

Mängel hat es laut Woidke sowohl bei der Kommunikation zwischen Polizei und Demonstranten als auch polizeiintern gegeben. Dabei war die Polizei nach eigenen Angaben mit sechs Antikonfliktteams vertreten, zu denen 18 Beamte gehörten. Zudem beklagte Woidke "eindeutig zu spät" bereit gestellte Toilettenwagen für die Teilnehmer der aufgelösten Sitzblockade. Auch seien sie nicht rechtzeitig mit Wasser versorgt worden.

Brandenburgs Polizeipräsident Arne Feuring sprach im Innenausschuss sogar von von einer "Chaosphase innerhalb der polizeilichen Umgruppierung" während des Einsatzes von rund 1.000 Polizisten. Von einem Polizeikessel mochte aber auch er nicht sprechen, nur davon, dass dieser Zustand "zu dem Eindruck einer Umzingelung" geführt habe. Der Fraktionschef der Grünen, Axel Vogel, kommentierte das mit den Worten: "Wir haben heute gelernt: Ein Kessel darf nicht Kessel heißen, sondern scheinbare Umschließung."

In einem Bericht des Aktionsbündnisses "Neuruppin bleibt bunt", der auf Schilderungen von Betroffenen fußt, ist von übergroßer Härte, der Festsetzung völlig Unbeteiligter zu lesen sowie davon, dass selbst Personen, die sich ausweisen konnten, zur Gefangenensammelstelle oder zur Polizeiwache nach Oranienburg gebracht wurden. "Durch den unprofessionellen und mindestens zum Teil rechtswidrigen Einsatz ist dem zivilgesellschaftlichen Engagement schwerer Schaden zugeführt worden", kritisierte ein Vertreter des Aktionsbündnisses, Martin Osinski, den der Innenausschuss zur Anhörung eingeladen hatte.

Der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, ebenfalls als Experte geladen, wies das zurück: "Die Polizei hat rechtsstaatlich gehandelt." Seine Gewerkschaft weise "in scharfer Form" jede Entschuldigung für rechtstaatliches Handeln zurück. Die Fraktionschefin der Linkspartei, Kerstin Kaiser, hatte kurz nach dem Einsatz von einem "verheerenden politischen Signal" gesprochen und sich entschuldigt, dass unter Rot-Rot so etwas möglich sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • U
    Unbekannter

    Damit die Behörden vielleicht doch noch lernen (man darf die Hoffnung ja nicht aufgeben) empfehle ich jedem Betroffenen, sich zu vernetzen und Schadensersatz vom Land Brandenburg einzufordern ...