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Urlaub in der JugendherbergeVom Vielbettzimmer zur Familiensuite

Das neu eröffnete Haus in Prora auf Rügen zieht Familien an und verkörpert das moderne Modell der preisgünstigen Unterkunft.

Vor der Jugendherberge Prora auf Rügen. Bild: dpa

Da hockt ein fetter Frosch. Der zieht keine Grimasse, aber dafür grinst ein Strichgesicht zu seiner Linken - und auch die Sonne zu seiner Rechten ist ein Smiley mit krummen Strahlen. Über dem Trio aus der Spraydose erstreckt sich in dünnen Großbuchstaben der Schriftzug "The only good system is a soundsystem!!!". Und zum Beweis sind all jene Fenster eingeschlagen und herausgebrochen, die kein mahnendes Graffito tragen.

Eine düstere Höhle aus Putz ist hier freigelegt. Hier saßen die Wehrdienstverweigerer der DDR ein. Feuchtigkeit kriecht die Wände empor und die maroden Gänge und Zimmer werden zum Sinnbild zwei gescheiterter Ideologien: Prora auf Rügen war als 4,5 Kilometer langes "Seebad der 20.000" unter Hitler erdacht und dann zu DDR-Zeiten als Kaserne genutzt worden. Lange lag das Gebiet zwischen dem Kleinen Jasmunder Bodden und der Prorer Wiek brach. Nun werden Graffiti zur Hommage an Freiheit und Aufklärung. Bildungsstätten und eine Diskothek siedeln sich an. Und die Jugendherberge in einem Teil des Blocks V. Ihr Motto: "Aus grau mach bunt".

Im Speisesaal ist es bunt. Gesund soll es auch sein. Klöße werden in der Küche per Hand gedreht, es wird saisonal gekocht und zehn Prozent der Produkte kommen aus dem Bioanbau. Nachhaltigkeit und Fortschrittssinn ziehen sich auch durch alle weiteren Räume: "Kratzige Wolldecken, Bettruhe ab 22 Uhr und Graubrot gibt es nicht mehr in der Jugendherberge", scherzt die Pressesprecherin des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH) Mecklenburg-Vorpommern, Kathrin Röder. Viele Erwachsene hätten noch das Bild ihrer eigenen Klassenfahrten im Kopf - die müsse man "zum Probieren bringen".

"Jeder ist willkommen - wir sind eine Riesenkommune", ergänzt der Herbergsleiter, Dennis Brosseit. Sein Beweis: drei Profil-Auszeichnungen, welche die Jugendherberge von seinem Träger, dem DJH, erhalten hat. Familienfreundlich muss es hier sein. Das sollen Spielzimmer mit Bälle-Pool, Strandwächter und 50 Kinderbetten garantieren. Rund 40 Prozent der Gäste sind junge Familien.

Auch mit ihrer zweiten Profil-Auszeichnung, nämlich der für Internationalität, kann die Jugendherberge punkten: Piktogramme helfen dem Verständnis, die Angestellten sind mehrsprachig und der Schüleraustausch wird gefördert. Dafür bietet sich vor allem der Zeltplatz neben der Herberge an. "Wir planen außerdem ein world-house", erzählt Brosseit. Noch ist der Gebäudeteil nebenan nicht renoviert. Dort soll aber bald eine Galerie entstehen. "Wir wollen alle Länder von internationalen Künstlern darstellen lassen - so kann man innerhalb weniger Stunden die ganze Welt bereisen." Die meisten ausländischen Gäste kommen aus dem Baltikum oder Skandinavien. Backpacker sind wenige dabei, sie reisen meist in die größeren Städte - und gehen dort in Hostels.

Infos

Jugendherbergen: Wenn Sie dort mit der Familie urlauben wollen, achten Sie auf den Vermerk: für Familien besonders geeignet. www.jugendherberge.de

Herberge Prora: Sie will sich als internationale Jugendbegegnungsstätte profilieren Am Nordende der uniformen Anlage entstanden unter Einhaltung der Vorgaben des Denkmalschutzes 96 Zimmer mit insgesamt 402 Betten. Damit ist die Herberge die größte in Mecklenburg-Vorpommern und die sechstgrößte bundesweit. Im benachbarten Teil soll bis 2013 eine Bildungsstätte entstehen. Zwischen 1982 und 1989 waren in dem Abschnitt sogenannte Bausoldaten, Wehrdienstverweigerer, untergebracht worden.

KdF-Seebad Rügen: 1936 wurde der Grundstein im Naturschutzgebiet Prorer Heide gelegt. Eine "Urlaubsmaschine" der nationalsozialistischen Organisation "Kraft durch Freude": 20.000 Gäste sollten in Doppelzimmern mit Meerblick untergebracht werden.

Auf Rügen gibt es kein Hostel. Und selbst wenn: "Hostels haben billige Zimmer für Rucksackreisende, dafür haben wir eine Menge Erfahrung, hohe Qualitätsstandards, einheitliche Konditionen und immer eine inhaltliche Komponente", erklärt Röder. "Eine Jugendherberge muss authentisch sein." Dazu gehöre auch, dass jeder Gast sein Bettzeug selbst abzieht und es ein Buffet statt einer Kellnerin gibt.

Die dritte Profil-Auszeichnung bestätigt: Die Jugendherberge ist in Sachen Umwelt fit. Im Keller steht ein Rapsölkraftwerk, alles ist gut gedämmt und die Lüftungstechnik samt Touch-Screen soll ihrer Zeit sogar sieben Jahre voraus sein. Hier übernachte man CO2-neutral, berichtet Brosseit stolz.

"Man liebt oder hasst diese Riesenanlage", scherzt Herbergsleiter Brosseit. Der gebürtige Düsseldorfer besitzt auf Mallorca ein kleines Hotel mit 17 Zimmern. In der Jugendherberge sind es 400 Betten - verteilt auf 96 Zimmer. Ein Quantensprung für ihn - am Morgen müssten 1.000 Brötchen gekauft werden. Die Idee zur Jugendherberge Prora kam von jugendlichen Teilnehmer eines "Workshops zur Zukunft des Ortes". Der Landkreis Rügen stieg schnell mit ein und so erhielt das Projekt auch Fördergelder der EU. Schließlich wird dem Touristiker Brosseit vom DJH Mecklenburg-Vorpommern die Geschäftsführung angeboten.

Im Jahr 2009 beginnen die Bauarbeiten. Mit unterspülten Kellern, ungleichmäßigen Raumabmessungen und sehr dünnen Decken wird Prora zum Problembau. Endsumme: 16,8 Millionen Euro für die Hälfte der geplanten Renovierung. Im Juli 2011 eröffnet die Jugendherberge vorerst ohne Räume für die Bildungsstätte Prora-Zentrum.

Aber der Verein zur Dokumentation, Forschung und Bildung rund um Prora gibt nicht auf: "In einem der Räume ist eine geheime Rügen-Karte. Ein Bausoldat, also ein Wehrdienstverweigerer der DDR, hatte den Auftrag, sie zu malen. Er hat geheime Botschaften auf der Karte versteckt: einen schwimmenden Nackedei zum Beispiel, der Uniform und Gewehr am Strand liegen gelassen hat", berichtet die leitende Geschäftsführerin des Prora-Zentrums, Susanna Misgajski. "Ein Seminarraum mit so einem guten Anschauungsmaterial, das ist doch großartig!" Der gemeinnützige Verein Prora-Zentrum führt heute Projekte und Rundgänge im historischen Gelände von Prora durch.

Die Jugendherberge Prora ist seit ihrer Eröffnung voll ausgelastet. "Wir leben hier das Prora Vida!", triumphiert Brosseit. Neben ihm hängt ein Türschild, "Odwaga" steht darauf. Das ist Polnisch und heißt Mut.

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2 Kommentare

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  • UN
    user name placeholder

    Das Loblied auf Jugendherbergen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Nicht nur weil 10% Bio in meinen Augen wirklich nicht besonders fortschrittlich ist. Sondern auch, weil die beschriebene "Familienfreundlichkeit" und die ach so tollen Standards die mittlerweile anzutreffen sind dazu führen, dass die Jugendherbergen für die Jugend völlig ungeeignet weil zu teuer sind, und in erster Linie Familien und sonstige Betuchte sich dort wohlfühlen.

  • SN
    scheiss name

    leider kann bei weitem nicht über jede jugendherberge positiv berichtet werden. es gibt nur sehr wenige jugendherbergen, die preiswert sind und trotzdem die note 1-2 bekommen können (bsp. barth oder leer). sehr viele jugendherbergen sind völlig überteuert und haben trotzdem sehr große mängel. hier wird einem versucht, den letzten penny aus der tasche zu ziehen, dort hat man das gefühl, in einem krankenhaus zu pennen. woanders ist das personal unfreundlich, widerum andere sind total verdreckt oder das essen dienst einzig zum brechreiz auslösen während man im essenssaal massenabgefertigt wird

    nur die jugendherberge auf borkum ist komplett anders. dies ist wirklich die einzige jugendherberge in d-land, auf die alle erwähnten, negativen punkte zutreffen.