Datenschutz gegen Facebook: Keine Bonbons für Schleswig-Holstein
Kiels höchster Datenschützer Thilo Weichert will mehr Privatsphäre für Facebook-Nutzer. Der Internetkonzern winkt ab, auch Weicherts Hamburger Kollege nennt eine Insellösung "unwahrscheinlich".
HAMBURG taz | Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftrager Thilo Weichert war am Freitag ein begehrter Gesprächspartner. Ein Kamerateam nach dem nächsten wurde durch sein Büro geschleust, wer ihn sprechen wollte, musste sich hinten anstellen. Auslöser für den Andrang war eine weitere Wendung im "Gefällt mir"-Button-Streit um die die Weitergabe von Nutzerdaten, den das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und das größte soziale Internet-Netzwerk Facebook miteinander austragen. Und zunächst sah es aus nach einem kleinen Sieg Davids gegen Goliath.
In einem Gespräch mit einem Facebook-Manager habe "die Firma eine gewisse Beweglichkeit signalisiert", sagte Weichert am Freitag. "Wir hatten das Gefühl, dass unsere Forderungen erstmals verstanden wurden." Das Problem sei: Wer auf den "Gefällt mir"-Button klicke, werde nicht darüber informiert, welche Daten daraufhin in die USA und nach Irland übermittelt werden - geschweige denn, was dort dann mit diesen Daten passiert. "Das verstößt klar gegen deutsches und europäisches Datenschutzrecht", so Weichert.
Facebook halte erweiterte Wahlmöglichkeiten für Seitenbetreiber und Facebook-Nutzer in Schleswig-Holstein für denkbar - das wäre weltweit einmalig. Konkrete Änderungsabsichten für eine Insellösung seien aber nicht geäußert worden. Auch Facebook sprach am Freitag lediglich von konstruktivem Austausch. Also doch nichts mit David gegen Goliath. Letztlich wird es Weichert zufolge wohl auf eine gerichtliche Klärung hinauslaufen.
Bereits im August hatte der Kieler Datenschützer angekündigt, gegen Betreiber von Websites vorgehen zu wollen, die den "Gefällt mir"-Button einbinden oder Facebook-Fanpages betreiben. Und sich damit auch im eigenen Bundesland nicht nur Freunde gemacht: Facebook-Angebote auf ihren Seiten eingebunden haben auch die Industrie- und Handelskammer und die Kieler Staatskanzlei.
"Wir wollen diese Bürgerbeteiligung an demokratischen Entscheidungsprozessen weiter ausbauen", sagte Staatssekretär Arne Wulff im August zu Weicherts Vorstoß. "Daher setzen wir auch auf soziale Netzwerke wie Facebook." Außerdem könne man Schleswig-Holstein nicht isoliert betrachten. "Es ging nie um eine Insellösung für die Nutzer", sagt auch Weichert, "sondern darum, dass sich Unternehmen und Internetseitenbetreiber an bestehenden Datenschutz halten."
Facebooks kleine weiße Hand mit dem hochgereckten Daumen ist auf immer mehr Internetseiten eingebunden. Ein Problem, sagt Schleswig-Holsteins Datenschützer Thilo Weichert.
Mit einem Klick auf den "Gefällt mir"-Button werden bisher ohne explizite Einwilligung des Nutzers seine Daten erfasst - auch von Nutzern, die selbst nicht Mitglied im Netzwerk sind.
Welche Daten zu welchem Zweck erhoben, übermittelt, verarbeitet und gespeichert werden, ist ungewiss. Facebook hält sich in dieser Frage bedeckt.
Erhebliche Zweifel an der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von "Gefällt mir"-Buttons formuliert auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten. Aber: "Das geltende Datenschutzrecht sei von Unsicherheiten geprägt und mache die eindeutige Beantwortung rechtlicher Fragen schwer."
"Ich begrüße es, dass Thilo Weichert mit Facebook verhandelt und versucht, eine Lösung zu finden", sagt Hamburgs Datenschützer Johannes Caspar. Auch in der Hansestadt gebe es Unternehmen, die wissen wollen, ob und wie sie den "Gefällt mir"-Button einsetzen können.
In Hamburg haben sich einige Seiten für die sogenannte Doppelklick-Lösung entschieden, so Caspar: Beim ersten Klick auf den "Gefällt mir"-Button werden noch keine Nutzerdaten übertragen, erst beim zweiten Klick werde der Nutzer gefragt, ob er mit der Weitergabe seiner Daten einverstanden ist. "Diese Lösung ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagt Weichert. "Aber um die Nutzer darüber aufzuklären, was mit ihren Daten passiert, müssen wir eben das genau wissen." Bislang wisse man aber gerade nicht, wie Facebook die Daten nutzt. "Man hat uns aber zugesichert, dass man uns zeitnah informieren will."
Eine Ausnahmeregelung speziell für Schleswig-Holstein hält Caspar für unwahrscheinlich. Das Problem mit der Weitergabe von Nutzerdaten sei ja nicht auf das nördliche Nachbarland begrenzt, sondern gelte genauso für Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Bayern. "Das Datenschutzrecht gilt für alle Nutzer in Deutschland", sagt Caspar. "Da kann Facebook keine Extrabonbons verteilen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!