piwik no script img

Gesundheitsbericht BerlinDown im Westen, dick im Osten

Der neue Gesundheitsbericht des Senats zeigt: In Westberliner Bezirken kommen Depressionen gehäuft vor. Viele Ostberliner sind zuckerkrank.

Rauchen bis der Arzt kommt: Ein Grund fürs frühe Sterben. Bild: dpa

Die Berliner Bezirke sind ein Strauß Buntes - nicht nur was ihre unterschiedlichen finanziellen Strukturen und kulturellen Hintergründe angeht, sondern auch in punkto Gesundheit. Der am Dienstag veröffentlichte Gesundheitsbericht 2010/2011 der Senatsverwaltung für Gesundheit und Verbraucherschutz zeigt: Vor allem die Bewohner der Bezirke im ehemaligen Ostberlin sind überdurchschnittlich von Übergewicht und der Zuckerkrankheit Typ II-Diabetes betroffen, während Menschen in Charlottenburg-Wilmersdorf und in Steglitz-Zehlendorf häufiger unter Depressionen und Angststörungen leiden.

Carsten Engelmann (CDU), Bezirksstadtrat für Gesundheit in Charlottenburg-Wilmersdorf, sieht den Grund dafür in den stressigen Berufen der Bewohner in seinem Bezirk: "Sie sind oft mit hohem mentalem Druck verbunden." Viele seien selbstständig oder in Führungspositionen tätig. "Wir richten unser Präventionsangebot seit Jahren gezielt danach aus", betont Engelmann.

Die noch amtierende Senatorin für Gesundheit, Katrin Lompscher (Linkspartei), vermutet jedoch, dass nicht nur tatsächliche gesundheitliche Risiken ausschlaggebend sind. Es sei sicher auch von Bedeutung, wie viele Ärzte einer bestimmten Fachrichtung in einem Bezirk niedergelassen sind. "Doch hier haben wir bisher keine Planungsinstrumente, um auf die einzelnen Bedarfe der Bezirke besser einzugehen", sagt Lompscher. Da das Land Berlin zumindest bis zur geplanten Reform des Versorgungsstrukturgesetzes (KBV) auf Bundesebene ein einziger Planungsraum sei, könne man die Ärzte nicht gezielt in bestimmten Bezirken anwerben. Doch mit dem Bericht schaffe man eine erste Grundlage für die Zukunft. "Für Berlin insgesamt liefern wir schon jetzt wertvolle Hinweise darauf, welche Versorgungsstrukturen wir brauchen", glaubt Lompscher.

Der Gesundheitsbericht

Berlin wächst: Schon zum sechsten Mal in Folge ist die Einwohneranzahl 2010 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, diesmal um 18.000 auf 3.460.725 Hauptstädter. Es wurden außerdem 1.159 Menschen mehr in Berlin geboren als 2010 starben.

Von den 101.300 pflegebedürftigen Berlinern werden 74 Prozent zu Hause gepflegt. Das sind 5 Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. Die Senatsverwaltung für Gesundheit führt das einerseits auf die bessere Mobilität in der Großstadt und andererseits auf die klamme finanzielle Lage vieler Berliner zurück.

Die Hauptstädter sind wesentlich schlanker als der Durchschnittsdeutsche. Dennoch sind auch hier 46 Prozent der Bevölkerung übergewichtig und davon 12 Prozent fettsüchtig.

Dass der Gesundheitsbericht relativ genaue Aussagen über die Häufigkeit chronischer Krankheiten zulässt, ist ein Novum. Grundlage dafür sind anonymisierte Behandlungsdaten von 2,7 Millionen gesetzlich versicherten Berlinern. Die häufigsten Krankheiten in der Stadt sind demnach Rückenschmerzen, Bluthochdruck und Sehfehler.

"Bei insgesamt steigender Lebenserwartung hängen die Perspektiven Einzelner noch immer stark von den sozialen Lebensbedingungen ab", sagt Sabine Hermann, Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitsberichterstattung der Senatsverwaltung. So leben Frauen in Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf im Schnitt 2,5 Jahre länger als in Friedrichshain-Kreuzberg, bei den Männern sind es sogar 3,7 Jahre Unterschied. Ein Hauptgrund für die geringere Lebenserwartung in Mitte ist nach wie vor der höhere Drogen- und Alkoholkonsum vor allem in Wedding und Tiergarten. Zusammen mit Lungenkrebs waren Leberschäden 2010 für die Hälfte der vermeidbaren Todesfälle verantwortlich.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!