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Weinkultur in ItalienDas schöne Gesicht Siziliens

Die sizilianischen Winzerinnen schließen sich zusammen. Das neue Netzwerk ist eine Chance für die Frauen - und sie wollen diese nutzen.

Die Familie von Mirella Tamburello bearbeitet das Land bei Palermo, auf dem sie jetzt Biowein anbaut, seit Generationen. Bild: Granvia

José Rallo singt Jazz, gern auch zu Weinproben. Mit ihrer Band ist die Winzerin aus Marsala schon bis in den New Yorker Jazz-Tempel Blue Note gekommen. Vinzia di Gaetano umgibt ein Hauch von Scarlett OHara, wenn sie durch ihre Weinfelder auf der Insel Favignana läuft und kritisch Pflänzchen für Pflänzchen beäugt.

Die Erde sei hart und ruppig, sagt sie. Margherita Platania steht jeden Tag auf einem Vulkan. Der Ätna, auf dessen Südseite ihre Reben wachsen, ist ein Teil ihres Lebens geworden. Mirella Tamburello aus Monreale war die Erste in Sizilien, die die antike Rebsorte Perricone in etikettierte Flaschen abgefüllt hat. Jetzt machen es ihr viele Winzer nach.

Die vier Frauen zeigen das schöne Gesicht Siziliens. Dieses bleibt oft hinter den Schlagzeilen von Mafia-Morden und Immigranten-Schiffen verborgen. Deshalb haben die vier Winzerinnen jetzt mit anderen 23 Kolleginnen die Initiative „Donne, territori e vini siciliani“ ins Leben gerufen. Sie organisieren Weinproben und erzählen in Talkshows, wie sie leben und arbeiten und wie sie sich in der Männerwelt - in der nicht nur die Mafia, sondern auch eine starre Tradition herrscht - durchsetzen. Bis jetzt hat sich die Initiative der Frauen auf Italien beschränkt, die nächsten Etappen sollen Deutschland und die Schweiz sein.

Job und Kinder sind hier schwer vereinbar

Zu den Ersten, die in Sizilien eine neue Weinkultur geschaffen haben, gehört die Familie von José Rallo. Sie leitet das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Bruder Antonio und den Eltern Gabriella und Giacomo. Die Rallos füllen ihren Wein mit dem Markennamen Donnafugata seit 1983 ab. Der Name stammt von der Gegend um die Hügel von Contessa Entellina. Bekannt ist Donnafugata auch für den süßen Passito-Wein Ben Rye, der aus den Zibbibo-Trauben der Insel Pantelleria gemacht wird.

Die Weingüter

Aziende Agricole Tamburello: Pietragnella Monreale (bei Palermo), Tel. (00 39) 091-8 46 57 77, www.aziendetamburello.it

Firriato: Via Trapani 4, Paceco Trapani, Tel. (00 39) 09 23 88 27 55 (verschiedene Weingüter auf Sizilien), www.firriato.it

Donnafugata: Via S. Lipari, Marsala, Tel. (00 39) 09 23 72 42 00 (auch Weingüter bei Contessa Entellina und auf der Insel Pantelleria), www.donnafugata.it

Feudo Cavaliere: Str. Cavaliere Bosco, Santa Maria di Licodia (Catania), Tel. mobil (00 39) 348 7 34 83 77, www.feudocavaliere.com

Die Rallos waren immer davon überzeugt, dass die Weinkultur nicht für sich allein steht. Deshalb haben sie bis vor ein paar Jahren einen Literaturpreis vergeben. José nimmt Platten mit bekannten Jazzern auf. Musik und Wein sind Universalsprachen, findet sie. Ihre Musik begleitet die Weinproben. So muss sie sich nicht zwischen ihren Leidenschaften entscheiden.

Bei der Initiative der Winzerinnen war José Rallo, die auch eine der wenigen weiblichen Verwaltungsratsmitglieder einer italienischen Bank ist, von Anfang an dabei. „Wir müssen den jüngeren Frauen unsere Erfahrung weitergeben. Hier herrscht noch eine traditionelle Familienstruktur, in der Job und Kinder schwer zu vereinbaren sind“, sagt sie. Sie selbst wurde von ihrem Mann, der auch ihre Musik komponiert, immer unterstützt.

In den Büros ihrer Firma sind die Hälfte der Angestellten Frauen. Sie können sich ihre Arbeitszeit nach ihren Bedürfnissen einteilen. Donnafugata gehört zu den bekanntesten Namen der sizilianischen Etiketten. „Es spielt doch keine Rolle, wer größer oder kleiner ist. Je sichtbarer wir sind, desto mehr Erfolg haben wir alle gemeinsam“, so die Firmenchefin.

Die Erde Siziliens ist wie ein Gummi

Dieser Meinung ist auch Vinzia de Gaetano, deren Firma Firriato der größte Weinhersteller Siziliens ist. Auch sie sieht kein Konkurrenzproblem. „Unsere Weine sind so verschieden wie wir“, sagt sie. „Das ist ja auch unsere Stärke.“ Sie und ihr Mann Salvatore di Giacomo besitzen Weinfelder in der Gegend um Trapani und am Fuße des Ätna. Die Familie füllt jährlich rund fünf Millionen Flaschen ab.

Vinzias Herz gehört derzeit den jüngsten Pflänzchen, die auf der Ägaden-Insel Favignana wachsen. Die weißen Trauben sind Grillo, Catarratto und Zibibbo, die roten Perricone und Nero DAvola. Sie werden dieses Jahr zum ersten Mal geerntet. Es sind überhaupt die ersten Weinfelder, die auf dem trockenen und unwirtlichen Tuffsteinboden der Insel angelegt wurden.

„Sie müssen gehegt werden wie Kinder“, erklärt Vinzia im Dialekt ihrer Insel. Sie verbindet Charme mit Bodenständigkeit und ist selbst die erfolgreichste Werbewaffe des Hauses. Von ihren Reisen zu internationalen Weinmessen kommt sie immer wieder schnell zurück. „Die Erde Siziliens ist wie ein Gummi. Sie stößt dich ab und zieht dich immer wieder an“, sagt sie.

Die Erde ist für alle sizilianischen Winzerinnen das wichtigste Thema. Denn um die Sonne brauchen sie sich nicht zu sorgen. Der Ätna, auf dessen Südseite ihre Reben wachsen, ist ein Teil von Margherita Platanias Leben geworden.

Auch ihre Weine haben ein ganz eigenen Charakter. Sie wachsen in 800 bis 1000 Meter Höhe auf dem höchsten Vulkan Europas. Das Terrain ist sandig und mineralhaltig. Parasiten haben bei dem starken Wind kaum eine Chance. Dafür sind die Winter kalt. „Als Kinder sind wir mit Skiern auf den Vulkan gestiegen“, erzählt die Winzerin aus Catania.

Sie hat Agrarwissenschaft studiert und 2004 das Landwirtschaftsunternehmen Feudo Cavaliere von ihrem Vater übernommen. Der Weinanbau am Ätna gehört zu den traditionsreichsten der Insel, die Rebsorten sind Nerello Maschalese, Nerello Capucci und Carricante. „Ich bin mit dem Ätna aufgewachsen.

Die alten Rebsorten wieder belebt

Er ist für mich wie etwas Lebendiges, das dampft und murmelt“, erklärt Margherita. Wie die meisten Frauen fühlt sie sich in der ländlichen Männerwelt oft fremd. Deshalb sehnt sie die Treffen mit den anderen Winzerinnen herbei. „Ich brauche den professionellen Austausch mit den Frauen“, erklärt sie. Die Kolleginnen geben sich gegenseitig Tipps. Viele von ihnen haben langjährige Erfahrung.

Mirella Tamburello aus Monreale war die Erste in Sizilien, die die antike Rebsorte Perricone in etikettierte Flaschen abfüllte. Jetzt machen es ihr viele Winzer nach. Die Familie von Mirella Tamburello bearbeitet das Land, auf dem sie jetzt Biowein anbaut, seit Generationen. Früher gab es hier in der Provinz von Palermo unendliche Weizenfelder. „Ich bin in die Landwirtschaft hineingeboren“, sagt die Winzerin. Seit ein paar Jahren setzt sie auf die Herstellung von Qualitätsweinen. 2002 traute sie sich als Erste, die reine Traube der antiken Rebsorte Perricone zu einem Etikettwein zu keltern. Dieser wurde bis vor hundert Jahren auf der ganzen Insel getrunken.

„Heute ist er von höherer Qualität und an den modernen Geschmack angepasst“, erklärt Mirella. Sie will nicht akzeptieren, dass Winzer heute immer mehr über Märkte und immer weniger über Reben sprechen. „Einen Wein muss man verstehen“, findet sie. Deshalb sind ihre Perricone-Flaschen „sprechende Weine“. Das auffaltbare Etikett erzählt die Geschichte dieses wiederentdeckten Rotweins.

Dass der sizilianische Wein, der vor 20 Jahren noch meist als Verschnitt in den Flaschen nord- und mittelitalienischer Hersteller landete, jetzt von internationalen Weinkennern geschätzt wird, ist nicht zuletzt ihr Verdienst. „Heute ist die Qualität der Weine hoch, den Bauernwein von früher gibt es so gut wie gar nicht mehr“, sagt Mirella Tamburello.

Die neue Weinkultur ist für die sizilianischen Frauen, die oft in der Landwirtschaft aufgewachsen sind und dann studiert haben, ein große Chance. Die wollen sie sich - angesichts der raren Erwerbsmöglichkeiten auf der Insel - nicht entgehen lassen. „Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir viel können“, findet Mirella. Und darüber wollen sie und ihre Kolleginnen jetzt endlich sprechen.

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3 Kommentare

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  • A
    aro

    I sapori dell‘ infanzia

     

    Es besteht kein Zweifel, dass auf Sizilien zwischenzeitlich gute Weine hergestellt werden. Was können wir aber daraus für Rückschlüsse ziehen? Dass die Menschen auf Sizilien und anderswo den sizilianischen Wein mieden oder das dieser Wein trotzdem getrunken wurde, weil die meisten keine Ahnung hatten, was ein guter Wein von einem schlechten Wein unterschied?

    Wenn ich in meinem jüngeren Jahren bei meinem Großonkel zu Besuch war, trank ich oft und gerne seinen Weißwein (meistens abends unter freiem Himmel und meine deutsche Freundin zeitweise auf meinem Schoß sah). Er war kein Winzer hatte aber auf seinem Grundstück eine Reihe Reben, aus denen er sich jedes Jahr zwei große Fässer Weißwein kelterte, (Frascati – Asciutto) dazu gab es das unvergleichliche Brot (Pane di Genzano). Für mich war es der beste Wein der Welt.

    Das ganze „Getue“ ich bezeichne es inzwischen als nichts anderes als „Getue“ um gutes Essen und Trinken in Deutschland ist nichts anderes als eine Erfindung der Wein- und Lebensmittelwirtschaft. Wer in den 60iger und 70iger Jahre in Deutschland zum „Italiener“ essen ging, ging dort zu aller erst wegen der italienischen Wirtsleute und der Nostalgie nach Italien hin. Über die Qualität des Essens und Trinkens musste nicht lange diskutiert werden, den man konnte sicher sein, dass die italienischen Wirtsleute ihr Bestes gaben.

  • JC
    joe conte

    Nach meinem Dafürhalten ist der Beitrag lesens- und lobenswert. Frauen haben in Italien und sonstwo eine engere Beziehung zu den Genussprodukten und deren Aufbereitung. Männer sehen in der Regel nur das rein Kaufmännische und zerfetzen alles Erhabene mit ihrer krankhaften Egozentrik und Suche nach einer vermeintlichen Vollendung, die ihnen nur mehr Profit Unantasbarkeit bringen soll. Es gibt sicher in ganz Italien zahllose edle Weine, die hierzulande unbekannt sind. Das ist gut so. Ansonsten die Paradoxe des Marktes würnden sie in ihrer Güte schmälern und den Preis, den Sie nicht vergessen haben zu zitieren in eine unverhältnismäßig hohe Region treiben.

    Um auf Cicero zu kommen, es gibt nur noch wenige Römer in der Welt und jene wenige versuchen nicht aufzufallen, um nicht in die Gefahr zu geraten zweitausend Jahr später erneut als Brechstangenzivilisatoren zu gelten. Last but not least: Weinhandel in Deutschland bedeutet zuerst Geld machen, die Leidenschaft zum Wein bleibt in der Flasche, Etikett und Preis, darauf kommt es an, genauso wie in der Gastronomie die Oberfläche, Interieur, hochtrabende Speisennamen sind das Wichtigste und das, was aus einem Händler einen reichen Händler macht.

  • CS
    Christoph Speier

    Ihre schöne Reportage romantisiert und feminisiert natürlich die Weinwirtschaft im Westen Siziliens. Das geht auch in Ordnung, nur neben einigen Ungereimheiten (es gab immer - seit Mitte der 1970iger Jahre weiß ich es aus eigener Anschauung und Genuß - qualitativ hochwertige sizilianische Weine, selbst die industrienahe Marke "Corvo" war immer gut) erlaube ich mir eine Anmerkung. Die anregendste und bedeutenste eingeborene Traube aus der reportierten Gegend dürfte nach wie vor die wunderbare Inzolia sein. Gigantisch bekömmlich seit den Zeiten, in denen ein Mandant Ciceros die sizilianische Provinz Roms verwaltete. Wer im norddeutschen lebt, hat übrigens die Chance diese Sorte als "Solatio Bianco Sicilia" in meiner Lieblingsdrogeriekette Budninowsky für unter vier Euro die Flasche zu kaufen. Erste Sahne. Im westsizialinischen Castelveltrano kostet derselbe Wein übrigens fast zehn Euro die Flasche. Im übrigen fehlt in der Empfehlungsliste der Vertriebe u. a. die wichtige Cantina Foraci in Mazzara del Vallo (TP), die die exzellentesten ökologischen Weine Westsiziliens an bietet und erfolgreich in die EU verschiebt. Trotzdem danke für das schöne Kaleiskop in der Sonntaz. Es war schön. Christoph Speier