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Kommentar Rassistische MordeDie Fähigkeit zu trauern

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Ein öffentlicher Staatsakt für die Opfer der rechtsextremen Mordserie wäre ein richtiges Signal. Merkel hat nun die Chance, es besser zu machen als ihr Vorgänger Kohl.

A uf das Erschrecken folgt der Aktionismus. Nun überbieten sich die Politiker mit Ideen, welche Konsequenzen aus der rechten Mordserie zu ziehen sind: ein Zentralregister für gefährliche Neonazis, wie es bereits für Islamisten existiert? Ein genereller Verzicht auf V-Leute beim Verfassungsschutz? Oder ein neuer Anlauf zu einem Verbot der NPD, den nun sogar die Bundeskanzlerin für bedenkenswert hält?

All diese Vorschläge haben eines gemeinsam: Sie sind eher technischer Natur. Als gelte es nur, einen Fehler im System zu reparieren, damit sich so ein monströses Verbrechen nicht wiederholen kann. Aber das reicht nicht aus.

Denn das Versagen der Ermittlungsbehörden hat nicht nur das Zeug, Deutschlands "Ansehen in der Welt" zu schaden, wie Außenminister Guido Westerwelle jüngst zu Recht beklagte. Es ist auch geeignet, das Vertrauen in den deutschen Staat zu erschüttern - insbesondere, aber nicht nur bei Einwanderern aus der Türkei. Die Bundesregierung muss deshalb jetzt ein Zeichen setzen, dass alle Menschen in Deutschland den gleichen Schutz genießen und sie den Kampf gegen rechte Gewalt ernst nimmt. Die immer neuen, ungeheuerlichen Details, die in diesem Fall ans Licht kommen, nähren die Zweifel daran, ob das in der Vergangenheit immer der Fall war.

taz
DANIEL BAX

ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Ein öffentlicher Staatsakt für die Opfer der rechtsextremen Mordserie wäre ein richtiges Signal. Was für die durch die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean im Winter 2004 getöteten Deutschen recht war, wäre auch für von rechten Verbrechern Ermordete angemessen.

Angela Merkel hat nun die Chance, es besser zu machen als ihr Vorgänger Helmut Kohl. Der weigerte sich einst, nach dem Brandanschlag von Solingen 1993 zur Trauerfeier für die Opfer zu fahren. Damit nahm er in Kauf, viele Einwanderer aus der Türkei auf Jahre von Deutschland zu entfremden. Merkel kann nun zeigen, dass sie die Fähigkeit zum Trauern besitzt - und damit ein wichtiges integrationspolitisches Signal setzen.

Natürlich können solche symbolischen Gesten des Mitgefühls keine bessere Integrationspolitik ersetzen. Aber die Bundesregierung kann damit deutlich machen, dass ein Angriff auf eine Minderheit immer auch ein Angriff auf unser ganzes Gemeinwesen ist. Dieses Bewusstsein ist hierzulande noch immer unterentwickelt. Ein Mentalitätswandel wäre hier wichtiger als jedes neue Gesetz.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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7 Kommentare

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  • V
    vic

    Sollte ich mal Opfer sein, möchte ich ausdrücklich nicht, dass jemand von denen meinen Namen in den Mund nimmt.

    Die sollten sich besser mal auf die lange vernachlässigte

    rechte Szene konzentrieren, anstatt konstant linke Paranoia zu verbreiten.

  • V
    viccy

    "Aber die Bundesregierung kann damit deutlich machen, dass ein Angriff auf eine Minderheit immer auch ein Angriff auf unser ganzes Gemeinwesen ist."

     

    So, so, "immer" also... Na ja, aber allenfalls seeeeehr abstrakt...

  • T
    Toby

    Sehr richtig.

    Kohl hat seinerzeit vor dem Hintergrund brennender Plattenbauten Pogrome ausgesessen. Und damit klar gemacht, daß seine "geistig-moralische Wende" auch gänzlich ohne Moral, vor allem aber ohne Anstand auskam.

    Jens Stoltenberg hingegen hat unlängst in Norwegen vorgemacht, wie man selbst dann noch Haltung zeigen kann, wennman mit leeren Händen vor einem Massaker steht. Ganz ohne Aktionismus. Nur mit verinnerlichten Werten.

    Von Merkel wird das nicht zu erwarten sein. In diesen Dingen ist sie zu sehr Kohl.

  • BR
    Birgit Reime

    Wie trauern wir, wir alle? Im Guardian-Blogg steht zu lesen, die Deutschen würden sich niemals mit ihren türkischen Mitbürgern solidarisieren, auf Buttons wie "Wir sind alle Türken" könne man hier lange warten. Habe deshalb gestern eine Facebook-Gruppe "Wir sind alle Türken" gegründet, aber nicht weil ich so was regelmäßig täte, sondern weil mir aus Hilflosigkeit und Schock nichts Besseres einfiel. Wie trauert man, wie protestiert man angesichts dieses unglaublichen Ausmaßes an Unrecht?

  • M
    MoOr

    Als die Morde noch für 'normale' Morde gehalten wurden, hat dies nicht interessiert. Nun dreht ihr am Rad. Heuchelei ist das. Aber natürlich P.C.

  • S
    Silvia

    der mentalitätswandel ist da.schon lange!was nunmehr folgt ist der systemwandel-schon bald!ein klitzekleiner quantensprung pass besser auf,dass du vor lauter richtigen signalen nicht die zeichen der zeit verpasst-und ja!mein mitgefühl ist bei den opfern,ich traure nur ein wenig anders...

  • M
    Mensch

    wenn die Nazis bei der Wahl ihrer Morde und Mordanschläge zwischen Ausländern und Deutschen differenzieren, dann ist dies weder der staatlichen Exekutive, also hier: Behörden (Verfassungsschutz), Polizei, Staatsanwaltschaft, Regierung noch der Justiz , noch Vertretern der Legislative, also Politikern in den Parlamenten, erlaubt, denn vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, nicht etwa deutsche Menschen. Es stellt sich somit für die fraglichen Handelnden die Frage des Verfassungsbruchs, des verfassungswidrigen Handelns.

    Im übrigen vertrete ich die Auffassung, dass auch Journalisten überlegen sollten, ob es für ihre Berichterstattung wirklich bedeutsam ist, ob die Opfer der Morde der Nazis Türken waren, denn Opfer der Nazis kann jeder Nicht-Nazi sein!!! Eine staatliche Trauerfeier, wäre in dem Sinne ein Akt gegen Rechtsradikalismus und der Solidarität mit allen potentiellen und realen Opfern dieser Barbaren, also nicht nur ein Zeichen der Achtung von Menschen bestimmter Nationalität oder Herkunft, die in dieser Frage völlig irrelevant ist.