die wahrheit: Im Glücksgarten
Paradies: Wo alles, alles, einfach alles gut, richtig und schön ist.
Wohlig warm schien die Sonne. Am blauen Himmel formten harmlose weiße Wölkchen beruhigende Muster. Wie jeden Tag hatte es exakt siebenundzwanzig Grad im Schatten bei nicht zu hoher Luftfeuchtigkeit und einer angenehmen Brise. Es war ein Wetter zum Wohlfühlen wie jeden Tag hier auf der Glückswiese im Glücksgarten und alle fühlten sich wohl. Sie waren so unendlich glücklich hier, wie jeden Tag.
Die Gänseblümchen machten Witze mit den Butterblümchen und die Tiere neckten und zausten einander, dass es eine reine Freude war. Alle waren extrem positiv. Die Dideldadeldudelmaus lachte über das ganze Gesicht, das Wuffelschnuffelhundchen rollte grinsend über den Rasen und das Miezemauzekätzchen warf mit glitzerbuntem Konfetti um sich. Hoch über allen turnte froh das Waffelbaffeläffchen in den lichtdurchfluteten Bäumen, deren mildes Grün alles noch heller und schöner machte, als es ohnehin schon war. Hühpferdchen und Mähschäfchen tanzten auf rosa Schwebebalken Spitze, und wenn eines fiel, so fiel es unendlich weich, lachte, stand auf und tanzte weiter.
Glückliche Grunzschweinchen bliesen einander im sportlich fairen Wettstreit Wattebäuschchen zu - wichtig war niemals der faschistoid tumbe Sieg, sondern die selbstlose Freude am Geschick des Spielpartners. Der Rest lag einfach nur herum und war wunschlos glücklich. Bloß der beleibte Brummelbär war ein winziges bisschen weniger positiv als die anderen, die sich deshalb besonders rührend um ihn kümmerten. "Es kommt auf die Einstellung an, bester Brummelbär", flöteten sie, nahmen ihn in die Arme und kosten und herzten ihn ein wenig.
Auch Sexualität war beileibe kein Fremdwort auf der Glückswiese im Glücksgarten, doch diente sie nicht der egomanischen Triebabfuhr, sondern der Festigung einer tiefen und liebevollen Nähe. Und so war auch der beleibte Brummelbär meist schnell wieder zufrieden.
Jeden Nachmittag um drei kam die liebe Frau in den Glücksgarten und setzte sich auf ein Kuschelkissen inmitten der Glückswiese. Um sie herum ließen sich alle nieder und blickten die liebe Frau erwartungsfroh und voller Zuneigung an. Sie wussten: Nun war Glücksstunde, und gleich dürfte ein jedes sagen, wie glücklich es war. Darauf freuten sie sich schon seit dem Morgen, obwohl sie sich ja ohnehin fortwährend auf und über alles freuten.
"Nun?", fragte die liebe Frau mit hauchzarter Stimme die Dideldadeldudelmaus, "bist du glücklich, liebe Dideldadeldudelmaus?" Und die Dideldadeldudelmaus antwortete: "Ja, liebe liebe Frau - ich bin sehr, sehr glücklich." "Das freut mich", antwortete die liebe Frau, und ihr Tonfall klang so ehrlich wie der Tonfall aller hier, denn Lüge, Opportunismus oder auch nur ausweichende Rede waren hier auf der Glückswiese und speziell zur Glücksstunde vollkommen unbekannt. Die liebe Frau gab der Dideldadeldudelmaus ihre Glückspillen, bevor das Nächste an die Reihe kam.
"Nun?", fragte die liebe Frau das Wuffelschnuffelhundchen, "bist du glücklich, liebes Wuffelschnuffelhundchen?" Und auch das Wuffelschnuffelhundchen zeigte sich überaus glücklich, und so ging es reihum, und alle waren sehr, sehr glücklich, bis endlich die Reihe an den beleibten Brummelbären kam, der leise brummte, er sei leider nur "ziemlich glücklich". - "Aber lieber Brummelbär", befand die liebe Frau sanft, "auf die Einstellung kommt es an."
Aha. Glücklich sahen alle einander an. Das war es also: Der beleibte Brummelbär musste nur neu eingestellt werden. Wie glücklich alle waren, dass ihm so schnell und leicht geholfen werden konnte. Doch das ging zum Glück immer leicht hier im Glücksgarten, anders kannte man das gar nicht. Als die liebe Frau ging, sah er so glücklich wie alle anderen hinüber zur hohen Glücksmauer, die Glückswiese, Glücksgarten und Glücksanstalt von der bösen, bösen Welt da draußen trennte.
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