Ströbeles Streit mit Lokalblog: Fischfutter gegen Pressefreiheit
Der Heddesheimer Lokalblog ködert einen grünen Bundestagsabgeordneten. Wie aus einer Futterkugel ein handfester Streit wurde.
Im Urlaub, beim Schwimmen, ist Juliana Ströbele-Gregor von einem Geschoss am Kopf getroffen worden. Ein paar 13-jährige Jungs des örtlichen Angelvereins hatten die Futterkugeln übers Wasser gejagt, um Fische anzulocken. Die Frau des Grünen-Abgeordneten und Alt-68ers Hans-Christian Ströbele zeigte einen der Jungen daraufhin an. Jetzt ist aus dem eigentlich unspektakulären Fall ein kurioser Rechtsstreit um die Pressefreiheit geworden.
Denn Christian Ströbele ließ nun den Heddesheimer Lokalblog, der über den Fall berichtete, abmahnen – wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte. "Meine Frau ist ja keine Person des öffentlichen Lebens, insofern geht die Sache eigentlich niemanden etwas an", sagte Ströbele am Sonntag der taz. Die Autoren des Heddesheimblog hatten zunächst berichtet, Ströbele selbst habe die Anzeige erstattet, auch gegen diese Falschdarstellung wehrte sich der Grünen-Abgeordnete.
Sehr zum Ärger von Hardy Prothmann, dem Herausgeber des Heddesheimblogs: "Ich habe Ströbele schriftlich um eine Stellungnahme gebeten, der hätte die Formulierung somit also noch vor der Veröffentlichung korrigieren können." Was er nicht tat. Stattdessen ließ Ströbele ausrichten, dass die Kommunikation künftig nur noch über seinen Anwalt, Johnny Eisenberg, laufen solle. Der will sich bislang nicht zu dem Fall äußern.
Ströbele bestätigte gegenüber der taz, dass er "in sehr knappem Tonfall" um eine Stellungnahme gebeten worden sei, die Email allerdings erst in der Nacht vor der Veröffentlichung erhalten habe. "Somit konnte ich nicht rechtzeitig reagieren."
Das Heddesheimblog bekam dafür am vergangenen Freitag Post von Eisenberg: Bei einer Vertragsstrafe von 10.000 Euro sei es den Autoren des Blogs künftig untersagt, den Satz "Bundestagsmitglied Christian Stöbele zeigt 13-jährigen Heddesheimer an", zu wiederholen. Zudem soll das Blog Ströbeles Anwaltskosten in Höhe von 775,64 Euro übernehmen.
In Prothmanns Augen geht es hier nicht darum, Persönlichkeitsrechte zu schützen, sondern eine freie Berichterstattung abzustrafen. "Ströbele tritt, etwa bei den Castorprotesten, sehr für Pressefreiheit ein, es ist nicht nachvollziehbar, warum die für ihn in diesem Fall offenbar nicht gelten soll."
Ziemlich viel Aufregung um eine Anzeige, die von der Staatsanwaltschaft Mannheim inzwischen eingestellt wurde, wie das Heddesheimblog auf Anfrage erfuhr. Der Junge, mit 13 Jahren ohnehin strafunmündig, habe nicht vorsätzlich gehandelt, heißt es.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung