piwik no script img

Unterdrückung der Kurden in der TürkeiAngst nach Verhaftungswelle

Die Repression der kurdischen Minderheit in der Türkei steuert auf einen neuen Höhepunkt zu. Am Wochenende wurden fast 100 Menschen festgenommen.

Demonstration gegen Angriffe auf türkische Soldaten durch die PKK. Bild: reuters

ISTANBUL taz | Lange waren sie nicht mehr zu sehen, jetzt sind sie zurück: die Mütter der Verschwundenen. Gut fünfzig Frauen hielten am Wochenende im Zentrum Istanbuls vorbeikommenden Passanten Fotos ihrer Söhne entgegen, die sie auf Pappschilder geklebt und an einen Stock gebunden hatten. Unter den Fotos stand neben dem Tag der Festnahme "seitdem verschwunden".

Die Rückkehr der Mütter erinnert an die schlimmsten Zeiten Mitte der 90er Jahre während des Bürgerkriegs der türkischen Armee gegen die kurdischen Aufständischen von der PKK. Sie signalisiert, dass sich die staatliche Repression gegen die kurdische Minderheit erneut auf einen Höhepunkt zubewegt.

Hunderte vermeintliche oder tatsächliche Sympathisanten der kurdischen PKK sind in den letzten Wochen verhaftet worden. Allein am Wochenende waren es knapp 100 Personen, darunter 41 Rechtsanwälte, die im Laufe ihrer Karriere einmal an der Verteidigung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan oder anderer PKK-Funktionäre beteiligt waren.

Ihnen wird vorgeworfen, sie seien geheime Mitglieder der "Union kurdischer Gemeinschaften", einer angeblichen neuen Dachorganisation der PKK. Ihr sollen die zivilen und militärischen Kräfte der PKK angehören mit dem Ziel, im kurdisch besiedelten Südosten der Türkei eine Parallelgesellschaft aufzubauen.

Auch im Westen schlägt der Staat jetzt zu

Schon Anfang des Jahres waren aus den gleichen Gründen knapp 3.000 Kurden im Südosten, darunter Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker der legalen kurdischen BDP, verhaftet worden. Seit die PKK im Sommer ihre Angriffe auf Soldaten und Polizisten intensiviert hat, schlägt der Staatsapparat auch im Westen des Landes hart zu.

Längst werden nicht mehr nur kurdische Aktivisten ins Gefängnis gesteckt, festgenommen werden immer häufiger türkische Intellektuelle, bei denen die Staatsanwaltschaft vermutet, dass sie den Kampf der Kurden für mehr Freiheit unterstützen.

Prominenteste Opfer in den letzten Wochen waren der Verleger, Journalist und Menschenrechtler Ragip Zarakolu und die Professorin Büsra Ersanli. Beiden wird vorgeworfen, sie hätten an der Politischen Akademie der kurdischen BDP, einer Partei, die mit 36 Abgeordneten im Parlament vertreten ist, Vorträge gehalten und sich dadurch der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gemacht.

"Die Verhaftung von Ragip Zarakoglu und Büsra Ersanli ist ein neuer Tiefpunkt beim Missbrauch der Antiterrorgesetze zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit", sagte Emma Sinclair-Webb, Vertreterin von Human Rights Watch in Istanbul. "Die Antiterrorgesetzgebung der Türkei ist absichtlich so vage gehalten, dass man je nach politischer Opportunität fast jeden danach anklagen kann."

Entsprechend geht unter Kritikern der offiziellen Kurdenpolitik die Angst um. Obwohl Zarakoglu zu den bekanntesten und mutigsten Verlegern gehört, fielen die Proteste gegen seine Verhaftung sehr zaghaft aus. Öffentlich hatte Erdogan gedroht, wer gegen die Verhaftung von "Terror-Unterstützern" protestiere, müsse damit rechnen, selbst als Sympathisant eingestuft zu werden.

"Hoffentlich werden wir uns das nächste Mal wieder im Café sehen können und nicht im Knast treffen müssen", verabschiedete sich ein langjähriger Gesprächspartner vor wenigen Tagen. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • DC
    dr. cucu

    Also Menschen die vom hören sagen oder aus den türkischen Medien ihr Bild der Kurden und der pkk haben, sollten erst das abc der intelligenz verinnerlichen. Mich wunderts nur wie Menschen wie aynur oder julian mit dem Internet umgehen können?! Wie man herausgefunden hat schaffen Affen es auch im www ihr Unfug zu treiben.

     

    Die pkk ist ein Resultat der türkischen Politik! Ob Sie gut oder böse ist entscheidet im meisten Fall die politische Beziehung: Türkei-Nato?!

    Ich respektiere die Menschen welche ihr leben für eine Idee aufgeben und verabscheue Menschen die vor dem pc sitzen und überall ihre einfältige Ideologie einer Türkei verbreiten welche Sie nur aus dem fernsehen kennen... Wenn ihr die Türkei so toll findet solltet ihr meiner Meinung nach einfach zurück in die Türkei! Ihr habt ein land...die Kurden nicht?! Also liebe türken macht eure Politik in eurem land aber nicht hier!

  • F
    Franke

    Servus,

     

    Ich find das einfach nur Dreist. In unserem Land dürfen Türken und viele andere Nationen, ihre Muttersprache, in Deutschland fördern. Sowie den Glauben frei ausleben. Und das ist auch gut so! Den das zeigt die Demokratie. Aber wenn wir jetzt von Türkei reden, sehe ich das Gegenteil. Nehmen wir mal Dersim als Beispiel. Es wurden ca 200.000 alevitische kurden auf grausame Art ermordet. Der Premier hat sich zwar entschuldigt, aber ich fand es war keine Entschuldigung. Er hat es nur daher gesagt um die Stimmen zu kassieren. Kommen wir zu den Massaker an den Armeniern. Bis heute streitet die Türkei, dies ab und meint sowas nicht, begangen zu haben. Aleviten, Christen und Yeziden dürfen ihren glauben nicht Frei ausleben. Die türkische Regierung war der Meinung, dass Kurden nachfahren der meder, kein eigenständiges Volk ist. Ihnen wurde die Sprache verboten, Kinder müssten in türkische Internate damit die nur noch türkisch sprechen und die Muttersprache somit vergessen. Das nenne ich Asimilation!! Herr Gott nochmal wenn ein Volk über soviele Jahre unterdrückt wird ist es Logisch, dass die dann zurück schlagen. Aus Ende

     

    Mit besten Gruß

     

    Jörg

  • W
    Wahrsager

    Na, hat Die Redaktion Angst vor der Realität. Ich kann mir schon vorstellen, warum meine zwei Kommentare nicht veröffentlicht ist. Ich kann Ihnen sagen. Es geht TAZ nur um Türkei und Türkenhass zu verbreiten. Meine Kommentare entsprechen genau Gegenteil. Jornalismus mus bisschen Anspruch haben.

  • M9
    MC 90

    Keiner von euch kennt das wahre problem doch ihr redet und redet und zeigt mit euren fingern auf die böse pkk

    Die kurden sind ein eigenständiges volk mit eigener sprache trotzdem wird ihnen das naturrecht der selbstbestimmung verwehrt !

    Wenn ein volk fast 100 betrogen und misshandelt wird, ist es doch klar, dass solche organisation wie die pkk entstehen

    Also macht eure augen auf, denn nur gerechtigkeit kann frieden bringen !

  • N
    Neo

    @Hogir

     

    Finden Sie, dass in Deutschland Presse- und Medienfreiheit herrscht?

     

    Nein, natürlich nicht. Ebenso wenig in Frankreich oder der Türkei. Die Unterschiede sind hier nur marginal.

     

    Denn diese Freiheit endet immer da, wo zu Mord, Gewalt, Unterdrückung, Hetze, Faschismus, Nationalsozialismus, Rassismus, sezessionistischen Nationalismus usw. aufgerufen wird.

  • J
    Julian

    Ich führe seit einige Jahre Beziehungen mit Türken sowohl auch mit Kurden. Es sind einfach beide Seiten gegen die Terrororganisation PKK,nun werde Ich hier Zeuge,wie die deutschen Medien, Journalisten die PKK verharmlosen,Sie bringen es nicht einmal zur Erwähnung,dass es hierbei um eine Terrororganisation handelt,die von der EU und USA als eine Terrororganisation eingestuft wird.Warum werden die Fakten nicht genannt? Was sind das für Absichten?Was haben die Medien hier vor?Schlechte Darstellung der Türkei?Hass Verbreitung?

  • N
    Neutralo

    Ich will niemanden beleidigen,aber blicken wir doch auf die Geschichte zurück wie es denn überhaupt dazu gekommen ist.Der Auslöser für diesen Streit ist und bleibt die Türkei.Wenn man bedenkt wie sie die Kurden unterdrückt haben und es immer noch tun, dann braucht man sich nicht zu wundern das die Kurden auch so reagieren.Ich will die PKK nicht schön reden natürlich ist das was sie tun nicht zu entschuldigen,aber die Türkei ist in sachen Terror auch nicht viel besser.Man soll nicht ständig den Finger auf anderen zeigen, sondern endlich mal anfagen diesen Konflikt zu beenden sonst endet das alles in einer Tragödie.Es kann nicht sein,dass unschuldige Menschen wegen so einem beschissenen Stolz beider Parteien sterben .

  • H
    Hogir

    Adnan

     

    findest du das in der Türkei auch Presse bzw. Medienfreiheit herrscht.

  • H
    Hogir

    Hallo Aynur,

     

    sagen wir mal Sie hätten geschrieben, dass die PKK eine Terrororganisation ist wird es dann die Sache leichter machen würde dann das KurdenProblem in der Türkei damit beseitigt.

  • N
    Neo

    Ja sicher doch! Herr Gottschlich ist wieder in seinem Element. Da wird wieder eine illegale Organisation verharmlost, die eine politische und militärische Agenda verfolgt, die im nichts des NSU (Nazional-Sozialistischer Untergrund) nachsteht. Da gehen mal die verhafteten "Anwälte" jeden Monat in den Nordirak zu den Terrorcamps und machen dort "Urlaub" mit einer AK 47 und erhalten Befehle, um einen "tiefen Staat" aufzubauen. Das Tolle dabei ist, sie lassen sich dabei auch noch fotografieren, tja dumm gelaufen.

     

    Hier wird eine illegale, gewalttätige, mordende, faschistoid-nationalsozialistische PKK von Herrn G. weiter verklärt, geschönt und hereosiert.

    Nein Herr Gottschlich, die Türken und die meisten Kurden haben es satt, von der PKK und ihren Tarnorganisationen bedroht, ermordet, erpresst und versklavt zu werden!

     

    Ich hoffe, diese Faschisten werden für sehr sehr lange weggesperrt und ihre Unterstützer (siehe Kommentare hier) ebenfalls.

  • R
    rolfmueller

    Worin soll eigentlich der Unterschied bestehen zwischen den Kurden, die seit 27 Jahren für Freiheit und demokratische Selbstbestimmung kämpfen und den Lybiern, denen die Nato mit Waffen und Flugzeugen half?

     

    Die Einstufung der PKK als Terrororganisation ist eine rein politische Entscheidung. Die Kurden machen nichts anderes als die Lybier.

     

    Die Türkei dagegen setzt chemische Kampfstoffe in diesem Bürgerkrieg ein und verstößt damit gegen internationale Vereinbarungen. Das ist den Waffenbrüdern USA und Deutschland aber offenbar egal.

  • O
    oemer

    Ich wünschte, dass der deutsche Staat, die Nazis und ihre Helfer vor den Morden festgenommen hätte. Genauso wie die Nazis, sind auch die PKK und ihre Helfer böse Menschen, die andere Menschen schaden wollen. Ich persönlich beglückwünsche die türkischen Sicherheitskräfte, denn Sie haben allein in den letzten Wochen mehrere Terroristen unmittelbar vor Ausführung ihrer tödlichen Mission stoppen können.

     

    Preventiv Leib und Seele seiner Bürger zu schützen, sollte in jedem Land allerhöchste Priorität geniessen.

  • C
    Cengiz

    Sie mögen mit Ihrer Berichterstattung gut meinen, doch Sie übersehen da wichtige Punkte.

    Die Terrororganisation PKK ernährt sich vom Blut, anders kann man das einfach nicht ausdrücken. Dabei spielt es für sie keine Rolle, ob es sich um Kurden, Lazen oder Türken handelt. Die letzten zivilen Morde der PKK -verstärkt in letzter Zeit- lässt daran keinen Zweifel.

    Für die Rechte aller Minderheiten, einschließlich der Kurden, setzt sich Herr Erdogan mit seiner AKP ein. Siehe dazu die Ergebnisse der letzten Wahlen in Kurdengebieten der Türkei. Hinzu kommen die diversen Reformprozesse in den vergangenen Jahren, wie Kurdische Fernsehsender, Aufbau und Modernisierung der Kurdengebiete. Bzgl. Christen in der Türkei ist zu sagen, dass ihnen ihre Besitztümer zurückgegeben werden. Zeugen Jehovas sind in der Türkei auch erlaubt. Auch die in Pakistan verbotene und verfolgte Reformgemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat, ist ebenfalls in der Türkei erlaubt. Kurzum, Herr Erdogan möchte Freiheit für ALLE Menschen. Was die Verhaftungen angeht, sollen wirklich Terrorunterstützer sich frei bewegen dürfen? In Deutschland haben wir gesehen was dabei herausgekommen ist, wenn man rechte Gewalt mehr oder weniger verharmlost hat (z.B.Dönermorde). Ist es undemokratisch, wenn nun Nazis und deren Unterstützer in Deutschland und Terrorunterstützer in der Türkei verhaftet werden?

  • A
    Aynur

    Warum wird hier nicht erwähnt, dass die PKK als terroristische Gruppe eingestuft ist?

  • UB
    Und bei uns?

    EU-Beitritt sofort! Man sollte ihn mit einer Volksabstimmung endlich durchsetzen. Hahahaha. Mit der Demokratie ist es bei solchen Themen bei uns auch nicht besser als in der Türkei. Die Medienberichterstattung zum Thema Demokratie bei Zuwanderungsfragen ist so wie in der Türkei die Berichterstattung über Kurden die einen Kurdischen Staat fordern. Also nicht so aufplustern.

  • A
    Angst-Welle

    Und wieder ein Beispiel wo ein angstfreies anonymes Internet-Meldesystem vieles verbessern würde.

    Technisch viel einfacher als Leaks-Plattformen, aber die (Auslands)Presse und Gewerkschaften, deren Aufgabe das eigentlich wäre, wollen es nicht aufbauen.

  • T
    Tja

    Und in Tschörmenie bekommt Adolf Erdowahn regelmäßig nicht nur eine Bühne für seine faschistische Sch..., sondern wird dafür von unseren sogenannten Volksvertretern auch noch hofiert und von "linken" bejubelt. Ach ja, Wahlkampf ist ja auch OK. Zum Kotzen.

    Faschist bleibt Faschist, völlig egal aus welchem Land und in welcher Lackierung.

  • A
    Adnan,Y.

    Was den für ein Bürgerkrieg bitte, ihr verbreitet Sachen die definitiv nicht der Wahrheit entsprechen, das nennt ihr Pressefreiheit, aber ich nenne das Propaganda.