Nachhaltige Energie: Die Kraft der Weser
Jahrelang wollten die Bremer Stadtwerke keinen Neubau eines Weserkraftwerkes. Gebaut wurde es trotzdem: Am Mittwoch war Turbinenstart.
20 Jahre musste Bremen warten, am Mittwoch endlich konnte das neue Weserkraftwerk in Betrieb gesetzt werden. Die erwarteten 42 Millionen Kilowattstunden pro Jahr sollen die nachhaltige Stromversorgung von 17.000 Haushalten ermöglichen.
56 Millionen Euro hat das Bauwerk gekostet, 2.000 Tonnen Stahl wurden verbaut und 30.000 Kubikmeter Beton. Das neue Wasserkraftwerk sei mit seiner modernen Technik ein "Pilotprojekt", erklärte Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig.
Das alte Wasserkraftwerk, Anfang des Jahrhunderts auf den Mauern des Weserwehrs errichtet, war 1987 abgeschaltet und nach dem Bau eines neuen Wehres abgerissen worden. Schon damals war ein Neubau eines Kraftwerkes gefordert worden - die Stadtwerke lehnten das aber ab. "Wir haben das damals gnadenlos plattgerechnet", gestand der Vorstandsvertreter des Stadtwerke-Nachfolgers SWB, Tosten Köhne. Zehn Millionen Zuschuss pro Jahr aus der Staatskasse seien erforderlich, um den Bau wirtschaftlich zu machen, hatte man damals behauptet.
Und dann war da ein Beamter aus dem Umweltressort, Edo Lübbing, der nicht aufgeben wollte. "Zehn Jahre lang hat der mich mit diesem Projekt genervt", sagte SWB-Chef Köhne und bat dann "Edo" - man ist inzwischen per Du - nach vorne, um ihm in aller Form zu gratulieren.
Die Umweltbehörde hatte zunächst auf die kleine Windenergie-Firma Tandem und auf Hucky Heck, einen Alternativ-Grünen der ersten Stunde, gesetzt, um das Projekt wieder zum Leben zu erwecken. Tandem wollte das Eigenkapital für den Bau mit einem "Bürgerfonds" aufbringen, stolze Bremer Weser-Anrainer sollten insgesamt 8,1 Millionen Euro zusammentragen und damit die neuen "Besitzer" des neuen Kraftwerkes werden. Auch Greenpeace wollte für das Projekt werben.
Für die Bauausführung gewann man die in der Branche erfahrene bayerische Bauer-Gruppe. Das war dann der Anfang vom Ende. Die Bauer-Gruppe kam mit einer Nachforderung nach der anderen, ein klassisches "claim management", erklärte Weserwehr-Geschäftsführer Christoph Kolpatzik am Mittwoch.
Tausende von Seiten mit baufachlichen und juristischen Gutachten füllten die Ordner dieses Streits - nach zwei Jahren war klar, dass das Weserkraftwerk so nicht gebaut werden könnte. Der Verdacht stand im Raum, dass die erfahrene Bauer-Gruppe den in solchen Großprojekten unerfahrenen Tandem-Chef Heck nach allen Regeln der Kunst ausnehmen wollte.
Die SWB entschied sich, zusammen mit dem Turbinen-Betreiber Enercon das Projekt zu übernehmen - und kündigte den Vertrag mit der Bauer-Gruppe. Man suchte neue Baufirmen, die man aus anderen Projekten kannte - und dann "lief alles reibungslos", erklärte Kolpatzik. Die vermeintlichen Probleme der Bauer-Phase hätten sich "in Luft aufgelöst".
Die Weserkraftwerk-GmbH hat inzwischen die Bauer-Gruppe auf Schadensersatz verklagt. Durch den Rechtsstreit bleiben Kostenrisiken, die einem "Bürgerfonds" nicht aufgebürdet werden können.
KOMMENTAR:
KLAUS WOLSCHNER ÜBER DAS BREMER WESERKRAFTWERK
Nachhaltig, aber teuer
Ein Wasserkraftwerk läuft und läuft und läuft - wenn es einmal fertig ist. Es ist ein teures Stück Energiewende und bei den derzeitigen Strompreisen unrentabel. Für die Bremer SWB ist es also auch ein ökologisches Prestige-Projekt, das die Zahl der Ökostrom-Bezieher erhöhen kann. "Weserstrom" wäre sicher ein guter Markenname dafür gewesen.
Der Strom wäre aber zu teuer gewesen, da die realen Finanzierungskosten des Weserkraftwerkes zugrunde gelegt worden wären. So kombiniert die SWB den Weserstrom mit der Müllverbrennung - und redet von "Strom von hier".
Wenige hundert Meter neben dem Weserkraftwerk steht das Bremer Weser-Stadion, zu zwei Dritteln mit Photovoltaik-Zellen eingekleidet. Auch das ist in unseren sonnenarmen Breiten eher ein Botschafter für die Energiezukunft als rentable Art der Stromgewinnung. Viel kostengünstiger ist das Aufstellen von Windrädern, das sollte man bei aller Freude über das Wasserkraftwerk nicht vergessen.
Und mit der Geschichte dieses Bauwerks ist eine zweite unbequeme Wahrheit verbunden: Als Bürger-Projekt wäre das Weserkraftwerk längst gescheitert. Damit nicht die Baufirmen mit einem Haufen gutwilliger Menschen Schlitten fahren, bedarf es kapitalkräftiger Konzerne. Aber: Wenn der Bremer Energieversorger SWB nun voll auf Nachhaltigkeit setzt, ist das durchaus eine gute Nachricht.
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