ARD-"Tatort" mit Ulrich Tukur: Achtung, Edgar Wallace!
Besser als alles, was in letzter Zeit unter dem "Tatort"-Label über den Schirm flimmerte: Der HR schickt Kommissar Murot und seinen Hirntumor in ein dunkles Taunuskaff.
Wenn der Kommissar zwischendurch halluziniert, dass die Kessler-Zwillinge zum Schlager "Sag mir quando" in einem schummrigen Salon eine kesse Sohle aufs Parkett legen, spätestens dann weiß man: Dieser "Tatort" ragt aus dem mauen Einerlei der letzten Wochen, ach was, Monate heraus. Schuld an den Sinnestäuschungen ist der Hirntumor von Felix Murot (Ulrich Tukur), dem neuen hessischen "Tatort"-Kommissar - Tumor "Lilly" war schon der Star des Murot-Debüts vor einem Jahr.
Und dieser zweite Fall aus Wiesbaden legt die Latte ganz schön hoch für die kommenden Folgen, allein was Machart und Erzählweise angeht. In dämmerndes bis dunkles Sepia getaucht, kombiniert mit tempomachenden Streichern und Trommeln im Off, gruseligen Schattenspielen und einem zeitlos wirkenden Ulrich Tukur, ist "Das Dorf" eine einzige Hommage an die alten Edgar-Wallace- Filme mit Klaus Kinski und Joachim Fuchsberger. Hochherrschaftliches Schloss samt undurchsichtigem Schlossherrn (schön böse: Thomas Thieme) inklusive.
Der ist die Macht des Dorfs im Taunus, in dem Murot strandet, und mit zweieinhalb Toten konfrontiert wird, einem Erbschaftsstreit, Organhandel, dubiosen Dorfbewohnern - und mit der Ärztin Frau Dr. Herkenrath (Claudia Michelsen), einer freundlich grinsenden Schurkin. Dass sie den Kommissar bald in ihrer Hölle gefangen hält, hebt den großartigen Absurditätslevel des Films weiter an. Es ist nicht zu übersehen: Regisseur Justus von Dohnányi - als Schauspieler "Tatort"-Dauergast - und Drehbuchautor Daniel Nocke, dessen Filme mit Regisseur Stefan Krohmer mit Preisen überhäuft wurden, hatten zusammen mit ihrer Knallerbesetzung ganz offenbar einen Heidenspaß. Dass unterwegs der Mord samt Motiv total untergeht, ach egal! Es gibt ja so viel anderes, über das man sich freuen kann. Auch wenn es Halluzinationen sind.
"Das Dorf", So, 20.15 Uhr, ARD
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen