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Debatte Euro-KriseKalter Putsch der Experten

Kommentar von Oliver Nachtwey

Als die Banken pleitegingen, wollte die Politik die Finanzmärkte regulieren. Stattdessen kontrollieren heute ihre Vertreter sogar die Parlamente.

Regieren Bulle und Bär in den Parlamenten mit? Bild: ap

E s fiel kein Schuss, keine Soldaten marschierten, kein Parlament wurde von Panzern belagert. Für den weichen Staatsstreich, der jüngst in Griechenland und Italien stattgefunden hat, war nichts dergleichen notwendig. Die Finanzmärkte haben mithilfe der Parlamente geputscht.

Es fing damit an, dass der griechische Premier Giorgos Papandreou die seinem Land aufgezwungenen Sparmaßnahmen zur Abstimmung stellen wollte. Die Börsenkurse stürzten, blankes Entsetzen machte sich bei den führenden politischen Eliten breit. Papandreou konnte seinen Vorschlag keine 24 Stunden aufrechthalten, unter dem internationalen Druck zerbrach seine Regierung, er musste zurücktreten. Nur kurze Zeit später wurde Silvio Berlusconi aus dem Amt gedrängt.

Den italienischen Ministerpräsidenten konnten keine Oppositionsbewegung, kein Skandal, keine Anklage aus dem Amt bringen. Seine Regierung hatte sich zuvor schon der Überwachung durch den IWF unterworfen, aber erst der dramatische Zinsanstieg auf italienische Staatstitel und der Druck der Finanzmärkte zwangen ihn zum Rückzug. Man braucht Berlusconi keine Träne nachzuweinen. Gleichwohl verdeckt die Erleichterung über den Abgang des italienischen Hasardeurs, welchen Schaden die Demokratie und ihre Prozesse genommen haben.

Oliver Nachtwey

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier. Er hat seine Dissertation über "Legitimationsprobleme der Marktsozialdemokratie" geschrieben und veröffentlicht gelegentlich in der taz, der FAS oder der Welt.

Statthalter der Finanzbranche

De facto übernahm die nicht gewählte "Frankfurt Group" in beiden Ländern das Ruder. Neben Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Sarkozy gehören ihr der neue Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, die IWF-Direktorin Christine Lagarde, der Präsident der EU-Kommission José Manuel Barroso, der Vorsitzende der Eurogruppe Jean-Claude Juncker, der Vorsitzende des Europäischen Rats und der europäische Wirtschaftskommissar Olli Rehn an.

Die schnell installierten Regierungen der nationalen Einheit in Griechenland und in Italien sind deshalb ein weicher Staatsstreich, weil in der Hülle der Experten und Technokraten jetzt Statthalter der Euro-Finanzmärkte, des Bank- und Industriekapitals direkt die Macht übernommen haben. Der neue konservative griechische Premier Lucas Papademos war Chef der griechischen Zentralbank und später Vizepräsident der Europäischen Zentralbank.

Italiens neuer Premier Mario Monti ist ein ehemaliger EU-Kommissar und Berater von Goldman Sachs. Seine Regierungsmannschaft stellt er als Kabinett aus Experten dar, doch vor allem ist es ein Kabinett der Banker: Der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Corrado Passera, war zuvor Chef der zweitgrößten Bank Italiens und hat seine Karriere bei der Unternehmensberatung McKinsey begonnen. Die Ministerin für Arbeit und Soziales, Elsa Fornero, sitzt im Aufsichtsrat der gleichen Bank. Der neue Tourismusminister, Piero Gnudi, gehört zum Vorstand des Arbeitgeberverbands.

Postsouveräne Parlamente

Es ist befremdlich: Nach der Finanzkrise 2008 hatte man erwartet, dass die Banken reguliert und ihre Macht eingeschränkt würden. Keine drei Jahre später haben die Banker in Italien und Griechenland die politische Macht übernommen. Griechenland und Italien sind nun ein finanzpolitisches Protektorat der "Frankfurt Group". Ihre Statthalter Monti und Papademos wurden erzwungen, sie sind keine gewählten Abgeordneten, haben sich keinen allgemeinen Wahlen ausgesetzt, ihr Programm wird der Bevölkerung nicht zur Abstimmung gestellt. Monti will das auch in der nahen Zukunft nicht tun. Bis 2013 plant er im Amt zu bleiben. In ihren ersten Amtshandlungen verantworten sie sich vor den eigentlichen Herren: der EU-Kommission, Merkel und Sarkozy.

Bereits vor einigen Wochen hatte ein Autor des Wirtschaftsmagazins Forbes einen militärischen Staatsstreich als Lösungsmöglichkeit für Griechenland in Betracht gezogen, in der Financial Times war ein Wirtschaftsprofessor mit der nun gefundenen Lösung hochzufrieden: "Weniger Demokratie tut Pleitestaaten gut", lautete die Überschrift seines Artikels. Wir haben die nächste Stufe der Postdemokratie, einen Strukturwandel der repräsentativen Demokratie, erreicht.

Staatsstreiche auf Zeit

Nicht nur Staaten, sondern auch die Parlamente sind postsouverän geworden. Es handelt sich nicht um Diktaturen, sondern um Finanzmarkt-Staatsstreiche auf Zeit. Statt Gewalt herrschen Sachzwang, Haushaltsdisziplin und Expertentum. Parlamente und Parteien haben sich gänzlich der Logik der Märkte unterworfen und ihnen ihre hoheitlichen Kompetenzen überlassen. Das Kriterium für gutes Regieren lautet nun: Wie reagieren die Märkte?

In den Krisenstaaten, aber auch sonst in Europa erleben wir einen Strukturwandel des Parlamentarismus. Es gibt keine relevante Opposition mehr, die Parteien der linken Mitte stemmen sich nicht gegen die Entleerung der Demokratie, sie gestalten sie mit. Die Allparteienregierung in Griechenland und die Regierung der Experten werden von einer großen Mehrheit der Parlamentarier getragen, die aber nicht mehr nach den Interessen der Bevölkerung fragen.

Die Weimarer Republik ging unter anderem deshalb unter, weil sie der Wirtschaftskrise nicht Herr werden konnte, aber vor allem wegen ihrer eigenen demokratischen Degeneration. Die Kabinette der Experten sind kein Weg aus der Krise, sondern ihr Kennzeichen. Bereits im Jahr 1925 bildete Hans Luther eine Regierung der Fachleute. Luther stand rechts, sein explizite Parteilosigkeit wertete der Historiker Heinrich-August Winkler bereits als "Symptom der Krise" des Parteienstaats.

Heute fehlt es nicht an parlamentarischen Mehrheiten wie zu Weimarer Zeiten. Die Notverordnungen, mit denen später Heinrich Brüning die Republik zu seinen drastischen Sparprogrammen zwang, wird heute über die postdemokratische Finanzkratie, die Herrschaft der Banken und der Euro-Elite, durchgesetzt. Aber die zentrifugalen Kräfte fehlender Legitimation für die Regierungspolitik haben Europa bereits jetzt an den Abgrund geführt. In Krisenzeiten werden die wahren Machtverhältnisse offengelegt. Die Kabinette der Technokraten sind die Regierungen der 1 Prozent.

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31 Kommentare

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  • SB
    Staats Bürger

    "Weicher" Putsch??? Wulffplag einsehen unter Rechtswissenschaft: Grundlegendes und Juristische Nebenschauplätze! Viel Spaß!

  • I
    Illoinen

    • von Thorsten Haupts:

    Einmal Umdeutung der Wirklichkeit? Ohne überbordendes Schuldenmachen wäre die beklagte finstere Macht der Finanzmärkte nie entstanden. Das einfach zu verschweigen und die tatsächlich von Märkten erzwungenen Expertenregierungen in die Nähe eines Putsches zu rücken, ist keine Berichterstattung und kein kommentar. Es ist Propaganda

     

    Sehr geehrter Herr Thorsten Haupts Wahrnehmungsstörung? Das was Sie hier schreiben ist Propaganda der Herrschenden. Was glauben sie denn, wie Deutschland soviel exportieren konnte? Weil man durch Schulden, die Waren aus Deutschland kaufen konnte. Die Kredite wurden von vielen deutschen Instituten vergeben, damit Deutschland zum Exportweltmeister werden konnte, ohne Rücksicht auf Verluste. Heute „retten wir nicht irgend ein Land, sondern Banken in Deutschland und anderswo. Banken haben lieber an den Casinos dieser Welt gezockt, als es der Realwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Diese Zockerei bezahlt jetzt der Bürger, und statt die Banken endlich in die Schranken zu weisen, hat man ihnen wieder erlaubt weiter zu machen.Wäre das Geld in die Realwirtschaft geflossen, was die Zockerbuden verzockt haben, hätten wir in Europa heute blühende Landschaften. Statt dessen wurden Die Gewinne in Steueroasen verschoben, und die Kosten welche heute die Schulden sind, wurden und werden sozialisiert. Vor der Lehmann Pleite, hatte Deutschland einen BIB von ca. 60 Prozent, heute liegt Deutschland bei über 80 Prozent. Tendenz steigend. Im übrigen schon einmal an die Zeit von Brünning gedacht? Sparen bis es quietschte, mit der Folge der zweite Weltkrieg. Wahnsinn ist das, was Einstein so bezeichnete. Immer das gleiche zu tun, aber andere Ergebnis zu erwarten.“ In der jetzigen Situation, ist es genauso Fatal, wie damals, ausschließlich nur zu sparen. Sparen in der jetzigen Situation wird zum auseinander brechen der EU führen, mit all den negativen Folgen für Deutschland. Dagegen ist was Griechenland zurzeit erlebt noch ein Sparziergang, was auf Deutschland wartet wenn Merkozy bei dieser Politik bleibt.

  • AV
    Art Vanderley

    "Leider" ist der letzte Schritt nicht möglich aus Sicht der faktischen Machthaber- der Krieg.

    Daher bleibt nichts übrig , als eine konstruktive Lösung- die Ablösung dieser Leute und ein Neuanfang.

    Das wird heftig werden , die wichtigtuerischen Finanzvertreter werden sich wundern.

  • E
    Erlangen

    Thorsten Haupts:

     

    hat hier einiges nicht verstanden. Die Schulden sind entstanden, weil die Finanzmärkte, sprich die Bankster alles was nicht niet- und nagelfest war, verzockt haben. Das konnten sie tun, weil alle Weilt meinte, die Banken brauchen keine Regeln mehr. Promt wurden die Regeln von unseren "Volksvertretern" abgeschafft.

    Willige Politiker haben uns, dem Volk, eingeredet, dass es sich um "systemrelevante" Banken handelt. Was auch immer das heißen mag. Deshalb mussten diese Zockerbuden mit unserem Geld (Steuergeld) "gestützt" werden. Mit horrenden Beträgen und mit dem Erfolg, dass das Zocken nun munter weitergeht. Es ist ja nun wieder frisches Geld vorhanden. Die Bankster können sich nun auch darauf verlassen, dass das Steuergeld weiterhin munter fließen wird.

    Nun werden nicht mehr nur Firmen verzockt, sondern ganze Länder in die Pleite getrieben. Die Schulden der Länder, darunter auch das so vorbildliche Deutschland, sind der Gewinn der Bankster.

    So viel zu den "funktionierenden" und sich selbst regelnden Märkten

  • E
    Erlangen

    Gut geschrieben!

    Mir fehlt hier nur noch, dass es auch in Deutschland keine wirkliche Demokratie mehr gibt. Die wurde schleichend von unseren "Volksvertretern" an die Bankster übergeben.

    In Griechenland und Italien hat man das nur noch offensichtlicher gemacht. Mit Erfolg! Keinerlei Aufschrei ist erfolgt!

    Was mich daran erschreckt ist, dass sich unsere "freie Presse" kaum darüber aufregt. Woran das wohl liegen mag? Wem gehört unsere "freie Presse"? Wessen Interessen vertritt sie?

    Fazit ist doch, dass wir nun keine Waffen und Soldaten mehr benötigen um andere Länder zu übernehmen. Willige Politiker und die dazugehörigen Bankster erledigen das zur vollsten Zufriedenheit unserer "Eliten".

    Man darf gespannt sein, wann die Diktatur der Bankster in Europa abgeschlossen ist.

  • J
    jaybear

    Schöne Analyse.

     

    Und zur Problemlösung folgt dann Peer Steinbrück um mit großer Koalition und in bewährter Agenda-2010-Manier die Republik und Europa vollends in den Abgrund zu fahren?

  • JR
    Johannes Richardt (NovoArgumente)

    Ja, viele richtige und wichtige Pubkte. Wobei mir die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle Deutschlands und der EU-Bürokratenkaste doch etwas zu kurz kommt. Vor allem Deutschlands Dominazstreben unter Nutzung der der EU-Institutionen wird ja in Europa zunehmend mit Sorge beobachtet. Vgl.: Eurokrise: Kanonenbootpolitik mit technokratischem Antlitz von Bruno Waterfield (http://www.novo-argumente.com/magazin.php/novo_notizen/artikel/000985)

  • V
    Valentin

    Die Hochfinanz (mir fällt noch kein besseres Wort ein)wird ihre Macht mit allen Mitteln verteidigen.

     

    Trotzdem wird es Zeit, unsere Grundrecht auf Widerstand langsam in die Hand zu nehmen (GG §20 Abs.4).

     

    http://www.wissensmanufaktur.net/plan-b

     

    Hier wird meiner Meinung nach am besten erklärt, was die Alternative wäre zu unserem zinsbasierten Geldsystem, was uns diesen ganzen Schlamassel bringt.

     

    Wacht endlich auf und wehrt euch. Wir steuern direkt auf einen neuen Faschismus zu. Vielleicht ist es schon zu spät.

  • 3A
    ! achte auf den Anfang

    Gegen-Redner behaupten: Die Couch-Potatoes, die alles verprasst haben, sind es selber schuld. - und haben damit zu 40% auch recht!

     

    Der seit den frühen 90er Jahren überall in den Unternehmen einsetzende Trend aber, die Richtlinienkompetenz schmalspurigen sog. Experten im Finanz-Controlling zu überlassen, und die Bürger immer diabolischer zum Konsum-Wahnsinn zu verführen, ist für die dickeren 60 % verantwortlich. IMHO

  • K
    Kai

    Haben nicht SPD und Grüne 1998 bis 2005 Deutschland für diese Märkte "hergerichtet"? Und...widersteht nicht gerade Merkel diesem Druck der Märkte so gut sie für Deutschland kann? Würden nicht taz, Grüne und SPD mit ihrem Gejuble für Eurobonds und Transferunion den Märkten geben, was die Märkte herbeiführen wollen?

  • W
    wessinger

    Die Geldeintreiber haben die Macht übernommen.

    Der Einschätzung stimme ich zu.

    Nicht der Tatsache.

  • TH
    Thorsten Haupts

    Einmal Umdeutung der Wirklichkeit? Ohne überbordendes Schuldenmachen wäre die beklagte finstere Macht der Finanzmärkte nie entstanden. Das einfach zu verschweigen und die tatsächlich von Märkten erzwungenen Expertenregierungen in die Nähe eines Putsches zu rücken, ist keine Berichterstattung und kein kommentar. Es ist Propaganda.

    Und wie kriegt man diese finsteren Finanzmärkte in den Griff? Ganz einfach - keine Schulden mehr machen. Ohne Schulden keine Gläubigermacht, und schon kann die Demokratie wieder segensreich schalten und walten.

  • S
    Stork

    Brillante Analyse. Unser Parlamentarismus, der ja schon seit Jahren den Willen der Bevölkerung missachtet, wird von demokratisch nicht legitimierten Organisationen (Frankfurt Group) entweder ausgehebelt oder kuscht gleich vor ihnen.

  • Q
    "Experten"

    Alles richtig. Nur würde ich "Experten" in Anführungszeichen setzen, es sei denn, wenn man es als "Experten im Selbstbereichern" versteht. Das ist nämlich das einzige, was diesem 1% in den letzten Jahrzehnten wirklich gelungen ist: die Staatskasse zu ihren eigenen Gunsten zu plündern und das mit Hilfe einer nicht abreißenden Kette von willfährigen und lobbyhörigen Politikern.

  • V
    vic

    Völlig richtig.

    Nach der Finanzkrise 2008 hatte man Besserung erwartet.

    Jetzt sind wir immerhin soweit, dass niemand mehr irgendwas erwartet.

    Die Machtverhältnisse sind geklärt.

  • ED
    Europäischer Demokrat

    Es ist vieles richtig, was Sie schreiben.

     

    Aber zwei Anmerkungen bzw. Korrekturen hätte ich:

     

    Der griechische Premierminister hat das Referendum erst ausgerufen als er gegenüber den Kreditgebern bereits Zusagen gemacht hatte und das Geld schon zum Teil geflossen war. Das ist mehr als unzuverlässig und wirkt so als wollte er nur den Schwarzen Peter jemand anderem zuschieben. Dass er gehen musste ist insofern absolut richtig und verdient - unabhängig davon, wie man sonst die Krisenbewältigungsmassnahmen in Griechenland sieht.

     

    Zweitens: Parlamente und Parteien haben sich nicht komplett der Logik der Märkte unterworfen sondern - schlimmer noch - nur einem Teil dieser Logik. Denn nach der Logik der Märkte müsste man eine Bank auch mal pleite gehen lassen. Es wird aber derzeit intensiv diskutiert, die Commerzbank weiter zu verstaatlichen. Insofern wird der Marktlogik nur dann gefolgt, wenn es für bestimmte Gruppen, die Druck ausüben können, von Nutzen ist. Das ist aber nicht nur schädlich für das Land sondern auch für die Märkte selbst. Generell würde die Krise heute ganz anders aussehen, wenn man einige (sogenannte) systemrelevante Banken hätte pleite gehen lassen und das Geld in die Beseitigung der Scherben statt in den Weiterbetrieb von Finanzblasen produzierenden Unternehmen. Nicht nur wären dann hunderte von Investmentbankern, die jetzt weiter die Krise anfachen, zumindest vorübergehend arbeitslos geworden, es hätte vielleicht auch den verbliebenen als abschreckendes Beispiel gedient.

     

    Dieser Fall könnte durchaus noch eintreten, nur dass dann der Staat sich leider nicht mehr dazu entscheidet, sondern dass er so pleite ist, dass die Banken eben nicht mehr gerettet werden können. Das dumme daran ist, dass dann auch kein Geld mehr vorhanden sein wird, um die Scherben aufzulesen...

  • H
    Hans

    Anfangs zwar etwas salopp geschrieben, doch inhaltlich ein wichtiger Artikel.

     

    Es ist wirklich gruselig mitanzusehen, wie Demokratien von der postdemokratischen Technokratie übernommen werden. Ich kann den griechischen Demonstranten und Gewerkschaften nur meine Unterstützung bekunden. So ein Vorgehen dürfen sich die Bürger nicht bieten lassen.

     

    Wer zudem Science-Fiction wie Shadowrun oder Warzone kennt fühlt sich mit einem komisch bitteren Beigeschmack daran erinnert, wie es geschehen kann, dass Firmen Länder in der Herrschaft über Völker und Länder ablösen.

  • P
    P.Haller

    Was hat sich gross verändert ?

    Bisher mussten alle diese Lobbyverbände massig "Spenden" abdrücken, um ihre Interessen im Parlament durchzudrücken. Es ist natürlich lästig, kostspielig und zeitintensiv erstmal das Volk zu befragen, bevor man handeln kann. Durchgesetzt wird dann früher oder später sowieso alles.

    Also macht das schon ganz viel Sinn, das Ruder gleich ohne Umwege in die Hand zu nehmen mit gleichzeitiger Legitimation durch das gewählte Volk. Dass das Volk aber erstmal was anderes gewählt hat spielt absolut keine Rolle, wenn es jemandem nicht passt, der kann dann immer noch von der gewählten Volksmacht eins aufs Maul bekommen. Das ist dann Gewaltenteilung in einem rechtsstaatlichem System. Nur, wie nennt man so ein System nun gleich ??

  • B
    brigitte

    Oliver Nachtweys Artikel ist in jeder Hinsicht

    bemerkenswert.

    Hier rächt sich die fatale inhaltliche

    Unprofessionalität der Politiker, die

    mehr auf Machtkonstellationen und Karriereerhalt,

    als auch auf volkswirtschaftliches Hintergrundwissen,

    Rechtsverstand und gesundes Urteilsvermögen

    mit Loyalität zur Wählerschaft(und nicht Ihrer

    Mäzene gegenüber) bauen.

     

    Wenn aber hier die Technokraten mitwirken hat

    das auch etwas Gutes. Sie betreiben Investitionsschutz und werden in die Verantwortung

    mit eingebunden. Wenn Sie versagen, sind

    auch Ihre zukünftigen Kapitaleinkünfte vernichtet

    und Herrscher über einen Müllhaufen ist man schließlich auch nicht gern.

     

    Die Reichen werden kräftig mit zahlen müssen oder

    die Schuldentilgung wird selektiv aufgekündigt.

    Eine EU ohne Solidarität der Reichen ist das

    Papier nicht wert, auf dem es geschrieben wurde.

     

    Wenn die Banken nicht mitziehen muss über

    eine monetäres Ersatzsystem unter Ausschluss

    der bisherigen Bankenplayer nachgedacht werden,

    denn Ihre Spekulation gegen Europa, hat im

    massiven Anlagekapitaltransfer nach Fernost

    Ihren Ursprung. Sie haben sozusagen über 20-40 Jahre

    gegen Europa massiv spekuliert und langfristig den

    Diktaturen den Weg bereitet, als sich hier

    konstruktiv an Lösungen für existierende

    Probleme zu beteiligen. Es ging nur um Margen.

  • G
    Gallier

    Guter Artikel.

    Die internationale Finanzlobby wittert jetzt infolge der Euro-und Wirtschaftskrise eine große Möglichkeit, ihre "Kapital total"-Politik auch in Europa dauerhaft zu zementieren; im Klartext: Eine Art Knechtschaftsverhältnis zwischen Bürger und Kapitalinhaber, und schliesslich: Zurück zum Manchesterkapitalismus.

  • U
    uli

    Vielen Dank, dass dies mal deutlich in einem Medium dargestellt wird. Das gibt mir nach der letzten Woche (Artikel ueber "Die Linke") doch wieder Hoffnung, die taz empfehlen zu koennen.

    Danke Hr.Nachtwey.

  • TS
    täglich sehen

    "stellt er als ... Experten dar, doch vor allem ... Banker:". Warum muss dann das "Kalter Putsch der EXPERTEN" in der Sub-Headline stehen ?

     

    Rot-Grün hätte es verhindern können. Haben die aber nicht. Piech und Daimler hätten die beiden Pleite-Auto-US-Firmen aus der Portokasse kaufen können. Haben sie nicht.

    Wenn echte Kapitalisten mal für schlechte Zeiten sparen müssten wie jedes Waldtier für den Winter, könnten sie in Notzeiten ganze Wirtschaften und ihre Konkurrenten billig aufkaufen und bräuchten keine Subventionen. Sowas gehört in jedes Gmbh/Aktien/Kapital-Gesellschafts-Gesetz: "Sparen für schlechte Zeiten" um den Steuerzahlern nicht auf der Tasche zu liegen.

    Trittin-Schröder hätten sowas in die Neuemarkt-Gesetze schreiben müssen. Haben sie aber nicht.

    Links und Rechts können mit Geld nicht umgehen. Nur die Chinesen.

    Und bitte immer dran denken: Es gab niemals wahren Sozialismus. Es gab niemals Kapitalismus. Das sind alles Oligarchien und Darkrooms anstelle anständiger effizienter transparenter Märkte wo jeder weiss was abgeht.

    Auch das versteht die Linke nicht weil sie (wie die Konservatisten seit WW1 und WW2) seit Marx nichts neues dazugelernt hat. Vermutlich ist der Papst adaptiver als verkrustete Linke.

    Auch Piraten sind nicht besser wie man täglich sieht.

  • V
    vera
  • IK
    I. Klamann

    Glückwunsch, Herr Nachtewy, mit Sachkenntnis und Formulierungsfreude haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen.

     

    Watt nu? Parteien, Politiker oder Intelektuelle, die die Demokratie vor der Aktionärsplutokratie retten, scheinen schwerer zu finden zu sein, als die Nachfolge Thomas Gottschalks auf Erden.

  • H
    Hans

    "Die Kabinette der Experten sind kein Weg aus der Krise, sondern ihr Kennzeichen."

     

    Ja, aber im Gegensatz zu 1929 gibt es volle Säckel in Deutschland und anderen reichen Euro-Ländern. Und an die wird's gehen, im Zweifel zahlen halt untere Mittelschichten über Steuern die Zeche. Bezahlbar ist die Krise nämlich schon, nur die Konsequenzen für die Regierungen dürften auch klar sein: Eine Merkel und eine Euro-Sondersteuer gehen nicht zusammen. Nur ein Idiot wollte heute auf ihrem Stuhl Platz nehmen.

     

    Das größte Problem ist doch, dass der Euro in jedem Land andere Reflexe und Wahrnehmungen auslöste. Griechenland hätte bei der Einführung schon beginnen müssen, Beamte und Angestellte des Staats nach Hause zu schicken, seine Aufrüstung einzustellen und den Bürger für jede Brücke, jede Autobahn zur Kassen schicken müssen. Das haben sie aber nicht gemacht und eine ordentliche Summe zustande gebracht.

     

    Dass dann irgendwann Leute kommen, um die finanzpolitischen Interessen umzusetzen, kann niemanden überraschen. Schlimmer finde ich, dass sie eben kein Erfolg haben werden, sondern nur das Zeichen der Krise sind, wie Nachtwey hier richtig analysiert hat. Ohne Entschuldung kein Wachstum, ohne Wachstum keine Rückzahlungen, keine Neuordnungen. Griechenland hat im Aufschwung ein Minuswachstum geschafft, was soll erst beim Abschwung dort passieren?

  • D
    DANKE

    das ist ein sagenhaft guter Durchblicker.

  • C
    Cartouche

    Cartouche sagt chapeau zu diesem Artikel.

  • TN
    Tut nichts zur Sache

    Word! Vielleicht einer der klarsten, besten Artikel, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Sauber, danke!

  • H
    hessebub

    Danke für die klare Aussage. Obama hatte es ja mit Timothy Geithner u.a. schon vorgemacht.

  • H
    hunsrückbäuerlein

    das Kapital hat am Wochenende durch seinen Verweser Monti, der italienischen Arbeiterklasse den Krieg erklärt. Die italienische Arbeiterklasse soll wie die Grieschiche vernichtet werden.

     

    Arbeiten bis zum Tod für einen Hungerlohn unter Drohung von Arbeitsplatzentzug, Zwangsarbeit (Hartz4), stofflicher Verwertung (Organspende)…

     

    das Nächste Massnahme von TINA ist die energetische Verwertung wirtschaftlich unwerter Subjekte in Öfen der Marke Auschwitz, auf dass die Reichen keinen kalten Arsch kriegen…und der Lagerkommandant steht auch schon fest.....diesmal kein Plagiat!

  • D
    Dacapo

    Ah. Endlich mal ein offenes Wort. Ich dachte bereits die Taz wäre auch nur noch ein Instrument des 1 %...

     

    merci