piwik no script img

EU-Einsatz gegen somalische PiratenKampf zu Wasser und zu Lande

Die EU will den Kampf gegen Seeräuber am Horn von Afrika mit einer Ausbildungsmission effektiver machen. Umstritten ist, ob das auch ein Eingreifen in Somalia bedeutet.

Ein Soldat zielt auf ein Boot mit Piraten an Bord (Archivbild 2009). Die EU will ihren Kampf gegen Piraterie ausbauen. Bild: reuters

BRÜSSEL/BERLIN taz | Die EU will im Kampf gegen Piraterie nächstes Jahr ziviles und eventuell auch militärisches Personal nach Somalia entsenden. Eine neue EU-Mission zur "Unterstützung des Aufbaus maritimer Kapazitäten in den Staaten am Horn von Afrika und im westlichen Indischen Ozean" soll nach dem Willen des EU-Ministerrats voraussichtlich Mitte 2012 mit zwei Komponenten beginnen: Aufbau der Marine in all den von Piraterie betroffenen Nachbarstaaten Somalias - also Dschibuti, Jemen, Kenia, Mauritius, Mosambik, die Seychellen und Tansania - sowie in Somalia selbst die Ausbildung einer Küstenpolizei und eines Gerichtswesens.

In Somalia ist eine solche Mission besonders schwierig, weil weite Teile des Landes Kriegsgebiet sind. Die geplante Ausbildungsmission soll sich daher auf den eher ruhigen Nordteil Somalias beschränken, wo am Golf von Aden die seit 1991 faktisch unabhängige Republik Somaliland liegt, dazu Puntland an Somalias Nordostspitze und Galmudug weiter südlich. Aus diesen autonomen Gebieten kommen auch die meisten Piraten Somalias.

Zum Schutz der Schiffe vor Piraten vor Somalias Küsten operiert seit Ende 2008 die EU-Marinemission "Eunavfor Atalanta" als eine von mehreren internationalen Flotten. Diese EU-Operation ist relativ ineffektiv, aber aufwendig. Wie die französische Kriegsakademie vorrechnet, benötigt Eunavfor permanent fünf bis acht Kriegsschiffe und 1.000 bis 1.500 europäische Soldaten für rund 300 Millionen Euro jährlich.

Zerstörung von Pirateninfrastruktur

Das ist sehr viel teurer als die EU-Unterstützung für die afrikanische Eingreiftruppe "Amisom", die im Süden Somalias die Regierung gegen islamistische Rebellen unterstützt und derzeit auf 12.000 Mann aufgestockt wird. Die EU hat seit 2007 mit insgesamt 258 Millionen Euro Amisom-Kosten für medizinische Versorgung, Wohnungen, Kommunikation und Treibstoff getragen. EU-Militärausbilder trainieren überdies in Uganda somalische Regierungssoldaten.

So wird nun überlegt, entweder Eunavfor-Aufgaben auszulagern oder das Aufgabenfeld der Antipiratenmission zu erweitern. Französische und estnische Eunavfor-Soldaten haben bereits 24 ugandische Amisom-Soldaten zum Schutz von Schiffen ausgebildet. Die FAZ berichtete am Donnerstag über Planspiele, der Eunavfor in Zukunft die Zerstörung von Pirateninfrastruktur auf somalischem Boden zu erlauben.

Am 20. Dezember habe das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU einen Prüfauftrag dafür erteilt, heißt es. Entsprechende Vorstöße Frankreichs und Großbritanniens werden seit Monaten diskutiert und stoßen bislang auf Widerstand Deutschlands, das vermeiden möchte, ein neues Eunavfor-Mandat im Bundestag zur Abstimmung stellen zu müssen.

Geiseln als menschliche Schutzschilde

Schon jetzt ist es Usus, dass EU-Patrouillenboote an Somalias Küste Piratenschiffe erspähen, sie verfolgen und zuschlagen, sobald sie sich auf See einem Handelsschiff nähern. Dann wird die Ausrüstung der Piraten beschlagnahmt. Von solchen Aktionen aus ist es nur ein kleiner Schritt, die Piraten einer somalischen Küstenwache zuzuführen oder auch mit dem Eingreifen gar nicht erst zu warten, bis ein Schiff ausläuft.

Die französische Kriegsakademie warnt allerdings, Piraten könnten im Gegenzug ihre Geiseln als menschliche Schutzschilde nehmen und sich selbst präventiv aufrüsten. "Bei einem westlichen Eingreifen in den Piratenstützpunkten könnte die Bevölkerung im Norden in Versuchung geraten, sich den Islamisten anzuschließen, die bereits den Süden beherrschen", heißt es in einem Positionspapier. "Für viele Somalis sind die Piraten eine Küstenwache, die die Territorialgewässer schützt."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • J
    J.Riga

    "Unterstützung der Regierung gegen "islamistische Rebellen"" = Aufrechterhaltung elementar ungerechter Herrschaftsstrukturen im westlichen Interesse

     

    "Freiheit der Schiff-fahrt" = Freiheit für Ausbeutung und Umweltverlust weltweit

     

    "Freiheit der Meere!" = die Souveränität derer, die bestimmen dürfen, wer Pirat ist, und wer nicht;Piraten sind ni c h t:

     

    Eastindia-Company, Texaco, ELF, Shell, Sir Francis Drake, die 5. US-Flotte

     

    Piraten sind: arme Fischer, deren Lebensgrundlagen von den Fangflotten der Industrieländer zerstört werden.

  • R
    Revoluzzerin

    Die Industrieländer fischen illegal und nehmen den sowieso schon Armen alles weg.

    Jedes Jahr werden vor den Küsten Afrikas Fische im Wert von mindestens einer Milliarde Dollar illegal gefangen.

    http://derstandard.at/1276413474182/Man-koennte-von-Fischwaesche-sprechen

    Die somalischen Piraten sind ehemalige Fischer die mit ihren kleinen Netzen nichts mehr fangen, weil die Industriefischerei mit Ihren kilometerlangen Netzen alles wegfischt. Hinzu kommt, dass die Industriestaaten Gift- und Atommüll u.a. im somalischen Meer abkippen. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,671468,00.html

    Was sollen denn die armen somalischen Menschen machen?

    Alle Reichen-Industrie-Nationen schützen ihre Gebiete auch mit Militär Gewalt, machen es die Armen mit ihren Mitteln werden sie angeklagt und angegriffen.

    Was hat die EU in Afrika verloren? Wenn sie ihnen ihre Fische lassen, brauchen sie auch keine Hilfsgüter schicken. In Äthiopien nehmen die Industrieländer das Land, produzieren für den Export an den dadurch landlosen armen Bauern vorbei und schicken ihnen pestizidreiches Gen-Getreide als Hilfsgüter das gesundheitlich bedenklich ist und die regionale Getreidewirtschaft zerstört. In Ghana ruinieren Hühnerimporte die dortigen Märkte. Wollen sie sich schützen und setzen die Zölle hoch, sagt der IWF das dürfen sie nicht. Wer ist der IWF, wer hat die gewählt?

    Dies wird in der Presse so gut wie nicht erwähnt, weil alle denken würden: Es sollte überall solche Piraten geben. Rettet die Piraten nieder mit den Industrieländern. Regionale Fischversorgung von ausschließlich den dortigen Fischern und mit kleinen Netzen, die Industrieländer sollten den dortigen Fischern den Fisch abkaufen, nicht stehlen. Genauso in den anderen Ländern, stärkt die Bauern, die ohne Gen- und Pestiziden anbauen, bringt ihnen Infrastruktur und kauft ihnen ihre Güter ab. Keine Exportsubventionen sondern fairen Handel.

    Weitere Fakten:

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrarsubventionen-prinzip-nimmersatt-grosskonzerne-sahnen-ab-1.936688

  • R
    Revoluzzerin

    Überall fischen die Industrieländer illegal und nehmen den sowieso schon Armen alles weg.

    Jedes Jahr werden vor den Küsten Afrikas Fische im Wert von mindestens einer Milliarde Dollar illegal gefangen.

    http://derstandard.at/1276413474182/Man-koennte-von-Fischwaesche-sprechen

    Die somalischen Piraten sind ehemalige Fischer die mit ihren kleinen Netzen nichts mehr fangen, weil die Industriefischerei mit Ihren kilometerlangen Netzen alles wegfischt. Hinzu kommt, dass die Industriestaaten Gift- und Atommüll u.a. im somalischen Meer abkippen. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,671468,00.html

    Was sollen denn die armen somalischen Menschen machen?

    Alle Reichen-Industrie-Nationen schützen ihre Gebiete auch mit Militär Gewalt, wenn es die Armen machen werden sie angeklagt und angegriffen.

    Was hat die EU in Afrika verloren? Wenn sie ihnen ihre Fische lassen, brauchen sie auch keine Hilfsgüter schicken. In Äthiopien nehmen die Industrieländer das Land, produzieren für den Export an den dadurch landlosen armen Bauern vorbei und schicken ihnen pestizidreiches Gen-Getreide als Hilfsgüter das gesundheitlich bedenklich ist und die regionale Getreidewirtschaft zerstört. In Ghana ruinieren Hühnerimporte die dortigen Märkte. Wollen sie sich schützen und setzen die Zölle hoch, sagt der IWF das dürfen sie nicht. Wer ist der IWF, wer hat die gewählt?

    Dies wird in der Presse so gut wie nicht erwähnt, weil alle denken würden: Es sollte überall solche Piraten geben. Rettet die Piraten nieder mit den Industrieländern. Regionale Fischversorgung von ausschließlich den dortigen Fischern und mit kleinen Netzen, sollen die Industrieländer den dortigen Fischern den Fisch abkaufen, nicht klauen. Genauso in den anderen Ländern, stärkt die Bauern, die ohne Gen- und Pestiziden anbauen, bringt ihnen Infrastruktur und kauft ihnen ihre Güter ab. Keine Exportsubventionen sondern fairen Handel.

    Weitere Fakten:

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrarsubventionen-prinzip-nimmersatt-grosskonzerne-sahnen-ab-1.936688

  • WI
    Wieso in der Ferne schweifen?

    Ein Piratenverbot in Deutschland muß her, denn immerhin 9% der Bevölkerung unterstützen sie. Auch könnte man die 20.000 Mitglieder zu ihren Kollegen sperren. Rechtlich dürfte das kein Problem machen, da sie so dumm sind und sich öffentlich selbst als Piraten bezeichnen.

    Inzwischen sind die minderjährigen somalischen Entführungsopfer deutscher Großmachtssucht ja im Knast erwachsen geworden. Dadurch könnten sie sich zu den berechtigten Führern der deutschen Piraten aufschwingen. Deshalb muß möglichst schnell ihr Selbstmord inszeniert werden. Aber bitte nicht in Hamburg, da gibt es schon zu viele tote Gefangene; das fällt auf.

  • W
    Webmarxist

    Die EU hat das gleiche vor was die USA Anfang der 90er durchgeführt haben und sich dann aber später, geschlagen mussten.

  • H
    haleyberry

    Da geht es doch schon wieder los.

    Die "EU will..." .

    Welche Leute, welche Gremien wollen was und warum?

     

    Diese Instititutionen bestehen aus Menschen,

    die offenbar zu feige sind oder von der taz

    nicht als wertvoll genug erachtet werden,

    um mit ihren Namen für ihre Projekte auch

    einzustehen!!!

     

    Das erzeugt ja dieses Ohnmachtsgefühl.

    Wenn sich die Landmission als Fehlschlag erweist,

    dann kann man nicht einmal die

    Initiatoren zur Rechenschaft ziehen, weil

    hier eine anonyme Masse Tötungsbefehle und Kriegvorhaben

    realisieren kann. Das ist ein Unding.

    Und offenbar wurde der Bundestag nicht informiert

    über die Ambition auf Landkämpfe als er für

    eine Verlängerung der Stationierung am Horn von

    Afrika stimmen sollte.

    In den Medien wurde auch darüber nicht berichtet.

    Es ist eine Unverschämtheit, wie hier die

    deutsche Bevölkerung und ihr Parlament

    entmündigt werden.

    Diese EU gehört aufgelöst. Sie gewährt manchen

    Sonderrechte, benachteiligt andere überproportional

    und gewährt Handelsvorteile

    seinen Nichtmitgliedern, wie China und Russland.

    Die EU-Mitgliedsländer bleiben aber in Ihrer

    Zollpolitik gegenüber externen Staaten

    ohne Spielraum.

    Wer hat also davon überhaupt Vorteile???!!!

     

    Die Europäer haben durch ihre Fischfangflotten

    die Küsten wesentlich mit verwüstet.

    Die italienische Mafia soll radioaktives Material

    dorthin verklappt haben(lt.Roberto Saviano).

    Das die Somalis Territorium verteidigen wollen

    ist völlig in Ordnung und das u.a.Europa ihnen

    vorher die Lebensgrundlagen vernichtete ist Fakt.

    Also hätte die EU bereits bevor die Somalis

    anfingen mit der Piraterie für Entschädigung

    und Müllbeseitigung aufkommen müssen.

     

    Ein Kriegseinsatz an Land gegen die Piraten halte

    ich für falsch, wenn man die Schäden nicht beseitigt

    und eine aktive Fischzucht für die Somalis ermöglicht. Rechtmäßige Transfergebühren

    an die Somalische Regierung, die direkt das Geld

    in Schulen und Krankenhäuser und Wohnungen

    auf Allgemeinniveau und

    Farmen über ganz Somalia bedingungslos abgeben muß,

    sollte man einmal großzügig prüfen.

    Da sicherlich für so etwas das Geld nicht da ist,

    sollte auch kein Geld für eine kriegerische

    Verwüstung da sein. Es wäre das dümmste, was man

    machen kann, auch wenn man den Kampf gewinnen würde.

     

     

    Die Gefahr einer radikalen Islamisierung von

    ganz Nordafrika ist viel zu groß.

    Die EU hat die Zerstörung der verbliebenen Restlebensgrundlagen durch eigene Raubfischer

    und verbrecherische Müllverklapper nicht geahndet

    und damit seine Rechtsaufsichtspflicht der eigenen

    Bürgerklientel in einem schutzlosen Nachbarstaatsgebiet unterlassen, obwohl Rechtshilfeersuchen von genügend legitimierten

    Vertretern existierten(auch NGOs).

     

    Die konkreten Verursacher der Umweltskandale

    müssen ermittelt werden. Die Müllmafia muss

    aller Gelder enteignet werden und diese

    müssen in die Bergung und Wiederrenaturierung

    gesteckt werden- auch von Somalia Küstengebieten.

  • V
    vic

    Eine "Ausweitung des Einsatzes bis auf den Strand" heißt, auf somalisches Territorium.

    Da wird der Strand sehr schnell immer breiter.

    Die USA wissen, wie so etwas ausgehen kann.