Vorauseilender Jahresrückblick 2012: Draht nach oben

2012 sieht sich Bürgermeister Olaf Scholz schon auf dem Sprung zum Kanzler. Nur das Geheimnis um seine Herkunft macht ihm zu schaffen.

Regieren per Akklamation: Olaf Scholz bei der Sitzung eines nachgeordneten Debattierclubs im Rathaus. Bild: dpa

Beim Neujahrsempfang im Rathaus stehen die Hamburger bis zur Außenalster Schlange, um Olaf Scholz ihre Wünsche vorzutragen. "Ich hatte danach so ein warmes Gefühl in Bauch", sagt Berta C. aus Wandsbek in der Mopo. Viele berichten von einem metallischen Schnarren in der Stimme des Bürgermeisters.

13. Januar: Scholz verkündet vor der Bürgerschaft, das Wohnungsproblem sei gelöst. Bereits 2012 würden Dank eines Deals mit "namhaften Investoren" 60.000 neue Wohnungen fertig. Bausenatorin Jutta Blankau lässt sich krankschreiben, Infratest Dimap ermittelt eine Zustimmungs-Quote für Scholz von 84,7 Prozent.

19. Januar: Der Widerstand gegen die Einführung der Ganztagsschule bricht zusammen, nachdem der Reformgegner Walter Scheuerl (Othmarschen) eine Nacht im Rathaus verbracht hat. "Scholzens Pläne sind wohl durchdacht", sagt Scheuerl nach dem nächtlichen Treffen, der vitale Anwalt wirkt wie in Trance.

2. Februar: Der Bezirksamtschef von Mitte, Markus Schreiber (SPD), kündigt an, den Park Planten un Bloomen von "Obdachlosen und anderem Gesindel säubern" zu wollen. Scholz schweigt. Seine Quote steigt auf 85,1 Prozent.

9. Februar: Altbundeskanzler Helmut Schmidt (Die Zeit) schlägt im Stern Franz Müntefering als SPD-Kanzlerkandidat vor. Auf dem Titelbild sieht man Schmidt, wie er mit seinem Stock auf Müntefering zeigt. Darunter steht: "Der kann's."

23. Februar: An einem nebligen Sonntagmorgen wird Olaf Scholz in der Nähe des Rathauses von einem Bus angefahren. Der Fahrer sieht im Rückspiegel, wie sich Scholz aufrappelt und die tellergroße Wunde an seiner Stirnglatze binnen Sekunden verschwindet.

1. April: Bei einem Brand in Scholz Wohnung in Altona wird dessen Ehefrau Britta Ernst evakuiert, Scholz selbst ist nicht auffindbar. Aus den Flammen wird ein ausrangierter Roboter gezogen, der genauso aussieht wie Scholz während seiner Amtszeit als Arbeitsminister unter Schröder (2007 bis 2009). Auf der Rückenklappe steht "Scholzomat 1".

3. April: Wirtschaftssenator Frank Horch (Handelskammer) reicht seinen Rücktritt ein. "Ich halte das nicht mehr aus", erklärt der ehemalige Präsident der Handelskammer dem Abendblatt. Bei Senatssitzungen lasse der Bürgermeister keine Fragen von "untergeordneten Existenzformen" zu, danach verschwinde er in seine Gemächer.

17. Mai: Die ersten 1.000 Mieter des umgewidmeten Bürohochhauses "Schönes St. Pauli" freuen sich über die vielen in den Wänden eingelassenen Steckdosen, die frei verschiebbaren Trennwände und die großen Glasflächen mit Elbblick. Nur die wöchentliche Kündigungsfrist scheint manchen etwas kurz. Die Scholz-Quote liegt bei 90,1 Prozent.

30 Juli: Paparazzi gelingen Aufnahmen des Ehepaares Olaf Scholz und Britta Ernst beim Strandurlaub auf den kanarischen Inseln. Der Bürgermeister trägt einen Ganzkörper-Badeanzug, aus dem er hervorzuquellen scheint, er überragt seine sonst eher gleich große Ehefrau um einen Kopf.

30. Juli: Scholz und eine "Delegation namhafter Persönlichkeiten" verhandelt in Shanghai über die Übernahme des dortigen Hafens. Anschließend hält er einen Vortrag vor dem Präsidium der KP Chinas, Thema: "Autorität durch Akklamation - Gedanken zur Wiederbelebung des Führerprinzips".

3. Oktober: Britta Ernst heult sich in einer Homestory der Bunten aus: Ihr Mann übernachte seit Monaten nur noch im Rathaus. Wenn man ihm auf seinem Handy anrufe, springe die Mailbox an und gebe ein niederfrequentes Rauschen ab.

Totensonntag: Bezirksamtschef Schreiber riegelt die Mönckebergstraße mit Sicherheitsschleusen ab. Durchgelassen wird nur noch, wer seine Kreditkarte vorzeigt, Bettler bleiben damit draußen. "Es darf nicht sein, dass eine kleine Minderheit der friedlichen Mehrheit das Shoppen verleidet", sagt Schreiber. Scholz schweigt, seine Quote erreicht die 95-Prozent-Marke.

20. Dezember: In der Weihnachtsausgabe der Zeit erscheint ein mehrseitiges Interview mit Scholz, den Chefredakteur Giovanni di Lorenzo mit "Herr Reichskanzler" anredet. Helmut Schmidt räumt daraufhin wutentbrannt sein Büro in der Zeit.

24. Dezember: In seiner Weihnachtsansprache auf dem Balkon des Hamburger Rathauses sagt Scholz, er kenne keine Parteien mehr, nur noch Hamburger. Beobachtern fällt auf, dass der Bürgermeister erneut gewachsen ist, er hat nun etwa die Zwei-Meter-Marke erreicht.

28. Dezember: Eine Aushilfsputzfrau aus der Ukraine dringt in Scholz verbotene Arbeitsgemächer im Hamburger Rathaus vor. Sie findet den stark aufgeblähten Bürgermeister in einem Liegesessel, der das ganze Zimmer ausfüllt. Er murmelt Worte in einer fremden Sprache, in seine Großhirnrinde sind Elektroden eingelassen. "Der Anblick schrecklich, schrecklich", berichtet die Putzfrau in der Bild am Sonntag.

29. Dezember: Eine Spezialeinheit mit dem ehemaligen Polizeipräsidenten Werner "die Spinne" Jantosch an der Spitze versucht, Scholz Rathausgemächer zu stürmen, wird aber von Laserstrahlen zurückgeschlagen. Scholz ist auf mindestens fünf Meter gewachsen.

30. Dezember: Olaf Scholz ist spurlos verschwunden, in den Rathausräumen finden sich nur noch verkohlte Glasfaserkabel. Auf der Wand steht in rußiger Schrift "Ich komme wieder".

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