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Wulffs Gratis-UrlaubeKleine Geschenke unter Freunden

Gab es doch Gegenleistungen für Wulffs Gratis-Urlaube? Von seinem Einsatz für die Steuerfreiheit profitierte der Talanx-Konzern seines Freundes Baumgartl.

Muss sich vielen Fragen stellen: Bundespräsident Christian Wulff. Bild: dapd

BERLIN taz | An Christian Wulffs Beteuerung, seine kostenlosen Urlaube habe er nur bei langjährigen, privaten Freunden verbracht, mit denen er nicht dienstlich zu tun hatte, gibt es neue Zweifel. Denn Wolf-Dieter Baumgartl, in dessen Villa in der Toskana Wulff und seine Ehefrau im Jahr 2008 ohne Bezahlung zu Gast waren, war zu diesem Zeitpunkt – anders als von Wulff in seinem Fernseh-Interview dargestellt – kein "Pensionär", sondern Aufsichtsratsvorsitzender von Talanx, der drittgrößten deutschen Versicherungsgruppe, zu der etwa HDI, Gerling und die Hannover Rück gehören. Und sowohl mit dem Unternehmen als auch mit Wolf-Dieter Baumgartl selbst hatte Wulff als Politiker zu tun.

Schon als Oppositionsführer im niedersächsichen Landtag hatte sich Wulff im Zuge der Fusionsverhandlungen zwischen Talanx und der HUK nach taz-Recherchen für das Unternehmen, bei dem Baumgartl damals noch Vorstandschef war, eingesetzt. Der SPD-Regierung warf Wulff seinerzeit mangelnde Unterstützung vor: Sie agiere "gegen die Versicherer", kritisierte er.

Als niedersächsischer Ministerpräsident hatte Wulff dann Gelegenheit zu zeigen, wie man es besser macht. In Verhandlungen mit der rot-grünen Bundesregierung setzte er 2004 durch, dass Lebensversicherungen teilweise steuerfrei bleiben. Von der Talanx-Tochter HDI, einem wichtigen Anbieter von Lebensversicherungen, ließ er sich dafür feiern: Als Redner vor dem Gesamtbeirat, einem Beratergremium der HDI, hielt Wulff nach Recherchen des Spiegel am 3. Mai 2005 eine lange Rede.

Persönlicher Gruß – dann das Geschenk

Nachdem er den "sehr geehrten Herrn Baumgartl" persönlich begrüßt hatte, berichtete Wulff, die von ihm geführte niedersächsische Landesregierung sei "für die Beibehaltung des Privilegs der Steuerfreiheit der Erträge" eingetreten und habe erreicht, dass "Lebensversicherungen auch weiterhin eine wichtige Rolle bei der privaten Altersvorsorge spielen" dürften.

Der Talanx-Konzern hatte die Kontakte zwischen Wulff und Baumgartl im Dezember auf taz-Anfrage noch als "reine Privatangelegenheit" bezeichnet, zu der das Unternehmen sich nicht äußern wolle. Auch eine Stellungnahme zu den neuen Informationen über Wulffs Einsatz für die geschäftlichen Interessen seines Freundes lehnte eine Sprecherin nun am Sonntag ab.

Auch von Wulffs Anwälten gab es bislang keinen Kommentar zu den neuen Vorwürfen. Zuvor hatten sie lediglich pauschal erklärt, Wulffs Urlaubsreisen hätten "keinen Bezug zu seinem Amt als niedersächsischer Ministerpräsident" gehabt.

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17 Kommentare

 / 
  • S
    Stadtkind

    Wann hat Herr Wulff eigentlich zuletzt einen Urlaub selbst bezahlt?

  • HS
    Hari Seldon

    @wüstenratte

     

    Sie schreiben: "Seine Versicherung und die seiner Familie bleiben ja somit auch steuerfrei! So hat er wohl doch nicht ganz uneigennützig entschieden."

     

    Bitte, ich habe keine Ahnung ob Wulff oder jemand in seiner Familie Kapitallebensversicherung hätte, aber sehr-sehr viele BundesbürgerInnen haben eine solche Versicherung, und sozusagen hat das Volk aus dieser Regelung profitiert. Wulff ist auch Teil des Volkes, so er darf auch aus dem Kuchen nehmen, oder wäre es verboten?

     

     

    Sie schreiben: "Da ich keine Millionärsfreunde habe, Kredite nicht zu solchen Geschenkzinsen bekomme" Neid und Haß.. Bitte, hätten Sie schon Kreditkonditionen für Bankmitarbeiter (keine Millionäre!) gesehen, oder andere Begünstigungen für VIP-Persönlichkeiten? Oder haben Sie damals die KfW-Konditionen für Aussiedlerfamilien gesehen (1% statt 7,5% damals!)? VIP: Zum Beispiel, ein mal konnte ich jemandem auf einen Flug begleiten, und er war als VIP gemeldet (er war eigentlich kein hohes Tier, und ich war und bin nur ein kleiner Fisch), aber Delta Airlines(!) hat uns Frankfurt fast den roten Teppich ausgerollt, usw. Waren wir jetzt Kriminelle (Vorteilnahme, usw.)? Bei den meisten Firmen existieren spezielle Vorschriften für VIP-Kunden. Sie können neidisch sein, aber Neid war und ist nie ein guter Ratgeber.

     

    Sie schreiben: "und meinen Auslandsurlaub bezahlen muß,". Nun habe ich auch Freunde im Ausland, und aus Geldmangel haben wir früher immer bei solchen Freunden Urlaub gemacht, wenn die Familie gerade nicht zu Hause war (oder gemeinsam mit denen). Dafür haben wir hauptsächlich mit einer Flasche spezieller Wein bezahlt (als Geschenk). Sind wir (ich und meine Familie) jetzt Kriminelle? Wieder: Neid war und ist nie ein guter Ratgeber. Und ein BP hat auch Anspruch auf Privatleben. Wissen Sie, die ganze Sache erinnert mich an den Fall von Carter und Monica (Lewinsky). Carter war bei den Mediengangstern irgendwie nicht so beliebt, so die Geschichte war aufgeputsch. Obwohl JFK viel mehr Affäre gehabt hat, kümmerte sich niemand darum. Wie die Presse ist: Am Ende wurde auch Berlusconi angezeigt, dass er gleichzeitig mit 35 Frauen (in seinem Alter) Affäre hätte (Vorteilnahme): Berlusconi hat es sehr schmeilchelhaft gefunden, aber er hat gesagt, dass vielleicht mit 30 er 10 Frauen konnte, aber mit 35...

     

    Zurück zum Fall Wulff. Hier geht es nicht um Baufinanzierung oder Urlaub, usw. Hier geht es darum, dass Wulff bei einigen sehr gewinnträchtigen Geschäften von einigen Banksters nicht mitgemacht hat. Bitte, Gehirn einschalten und denken. Was meinen Sie, wäre im Interesse der deutschen Bevölkerung die Zerschlagung und Ausplünderung von VW? Was würden Sie sagen, wenn diese Banksters munter 100 000 Arbeitsplätze bei VW vernichtet hätten? Oder Eurobonds: Bitte, wollen Sie die ausgefallenen Zinsen+Tilgungen für die pleitegegangenen EU-Bananenrepubliken aus deutschen Steuergeldern an die "Investoren" überweisen, und damit die Zielvereinbarungen (und Bonuszahlungen) der Banksters nicht gefährdet wären?

     

    Empfehlung: Bitte, Sie sollten nie im Leben BILD-Zeitung lesen, oder falls Sie etwas in BILD (Spiegel, Stern, usw.) lesen, können Sie fast mit 100%-ger Wahrscheinlichkeit sicher sein, dass vielleicht der Gegenteil richtig wäre. Bitte, denken Sie nur an diese teilweise Steuerfreiheit der Kapitallebensversicherungen. Hier geht es hauptsächlich um die Interesse der Bevölkerung, und die Nachricht wird so aufgetischt, dass hier etwas gegen die Interessen der Bevölkerung und gegen Gesetze, usw. passiert hätte.

  • G
    GhostOfDorian

    Als Baden-Württemberger stört mich nicht, dass Wulff schamlos die Interessen der Unternehmen seines Landes im Bund durchgesetzt hat (Talanx hat den Hauptsitz in Hannover). Es stört mich aber ungemein, dass unsere Landespolitiker sowas nicht getan haben.

     

    Hätte Oettinger die Erneuerung des VW-Gesetzes verhindert, wäre Volkswagen von Porsche übernommen worden und nicht umgekehrt. Dann hätten ihm die Porsches auch ne Insel auf den Bahamas spendieren können, dem Land hätte es trotzdem gut getan. Stattdessen hat Mappus Milliarden in die Übernahme von EnBW versenkt. Der zahlt seinen Urlaub vermutlich selbst, und wir haben den Schaden.

  • FS
    Friedemann Schmidt

    Friede Springer, Witwe des seligen Axel Springer war m.W. im Bundesrat vertreten, als Herr Wulff gewählt wurde...

    Vielmehr als die hier strittigen Begünstigungen, die er erhalten haben soll, finde ich viel interessanter, wer seine Freunde sind und in welchen Gremien er agierte). Getreu dem Sprichwort: Zeige mir, wer Deine Freund sind und ich sage mir, wer Du bist" ist Herr W. keinesfalls "mein" Pärsident. Wessen er ist, zeigt der Artikel deutlich.

    Es freut mich sehr, dass sich jetzt ein öffentliches Aufbegehren vor seiem Dienstsitz einstellt. Was würde ein "freiwilliger" Rücktritt schon bedeuten? Neuwahl und Vergessen - das Alte Lied. Ich wünschte mir, das Signal: "Wir wollen Sie nicht mehr" würde sich wi4e eine Welle duch's Land bewegen.Vielleicht sogar eine Präsidentenanklage nach Art. 61 GG?

  • C
    carlo

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    Dieser Präsident beschädigt alle redlichen Vorgänger.

    Wir brauchen einen seriösen und kompetenten Politiker,

    und keinen auf glamour und mehr "schein als sein"

    und realitätsverlust leidenden Wulff.

    Bürger macht Druck!.Die Politker können sich doch nicht alles erlauben!!Bei Guttenberg ist man nicht so

    zahm umgegangen.Entweder es gelten Ethik und Moral für

    alle gleich oder man läßt sie gewähren wie sie lustig

    sind.Ich toleriere diese Typen jedenfalls nicht!

  • EB
    Ein Bürger

    Damit es einen Nachfolger gibt muss er noch zurücktreten.

    Petition jetzt online unterzeichnen!

    http://www.petitiononline.com/wulff12/petition.html

  • H
    Hauke

    @Hari Sdeon: Naja wenn man die für die Versicherungsnehmer steuerfrei lässt, schließen mehr Leute Lebensversicherungen ab und die Versicherung macht ein gutes Geschäft. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist ja eigentlich nicht so wichtig. Tatsache bleibt, dass Wulf einen Vorteil angenommen hat und hinterher einen Vorteil gewährt hat.

     

    @Beth: Der Bundespräsident kann nicht abgewählt werden, man kann ihn rausklagen wenn er vorsätzlich gegen die Verfassung verstösst, aber das ist nicht passiert. Ich denke aber wenn Angela Merkel ihn auffordern würde zurückzutreten, dann würde er das auch tun.

  • W
    Wüstenratte

    Seine Versicherung und die seiner Familie bleiben ja somit auch steuerfrei! So hat er wohl doch nicht ganz uneigennützig entschieden.Da ich keine Millionärsfreunde habe, Kredite nicht zu solchen Geschenkzinsen bekomme und meinen Auslandsurlaub bezahlen muß, stehe ich als BP nicht zur Verfügung. Wenn der Herr BP in Namen des deutschen Volkes etwas schwafelt, dann nicht in meinem Namen, für mich ist er nicht der Repräsentant aller Deutschen.

  • UM
    Ulla Müller

    Wie wär`s mit Helmut Schmidt? Oder Genscher?

  • K
    Karin

    Was das mit der Talanx-Geschichte auch sich hat, weiß ich nicht.

    Lebensversicherungen steuerfrei zu lassen, war jedenfalls eine sehr gute und vernünftige Entscheidung zugunsten vieler, auch vieler nicht sonderlich vermögender Bürger/innen!

    Das hat Herr Wulff gut gemacht, egal, was sonst so im Raum steht.

  • HS
    Hari Seldon

    Zitat aus dem Artikel: "Als niedersächsischer Ministerpräsident hatte Wulff dann Gelegenheit zu zeigen, wie man es besser macht. In Verhandlungen mit der rot-grünen Bundesregierung setzte er 2004 durch, dass Lebensversicherungen teilweise steuerfrei bleiben.". Ja, teilweise steuerfrei für die VERSICHERUNGSNEHMER (für viele Menschen in der Bevölkerung). Diese Unterstützung von Wulff war im Interesse von allen BürgerInnen, die eine Kapitallebensversicherung haben (die Zahl der Betroffenen ist ganz sicher über 1 Million), und keine besondere Interessenvertretung für Talanx! Wieder ein typischer Medientrick, eine Viertelwahrheit.

     

     

    Bitte, TAZ sollte sich selbst nicht auf das Niveau von BILD herabstufen!!!

  • R
    RLS

    Liebe Taz

     

    Euer neues tägliches Thema sollte sein.

    Neue Kandidaten für dass Amt als Bundespräsidenten vorzustellen.

    Denn Herr Wulff hat schon lange keine Aufmerksamkeit verdient,

    im positiven wie im negativen.

     

    Wie sollte der neue Bundespräsident aussehen.

    Er sollte alle Menschen ansprechen.

    Dass Thema Atomausstieg befürworten mittlerweile fast alle Parteien, bis auf die FDP. Aber die spielt bei zwei Prozent keine Rolle mehr.

    Laut Umfragen sind achtzig Prozent des Volkes für den Atomausstieg.

     

    Er sollte nicht aus der Politik kommen, dass wäre im Moment nicht angebracht.

     

    Es sollte keine Verstrickungen zu den Reichen in unserem Land geben.

     

    Er sollte bekannt sein, bescheiden sein, und er sollte sich für etwas eingesetzt haben, dass zum Nutzen für die Menschheit ist.

     

    Er sollte gute Umgangsformen haben, und nicht dass Wort: Stahlgewitter benutzen, dass einen Beigeschmack hat.

     

    Mit einem Satz: Er sollte ein Präsident des Volkes sein.

     

    Meiner Ansicht nach wäre nach diese Gesichtspunkten Franz Alt der richtige.

    Deutschland sollte in der Welt als Umweltfreundliches Land vorstellen.

    Als der Vorreiter, und mit Franz Alt hätte man bei diesem Thema, einen würdigen Vertreter.

    Und wenn sich ein Mensch für die Umwelt einsetzt,

    dann hat er auch ein Herz, für die Menschen.

     

    Wenn ihr solche Kandidaten vorstellt, vielleicht kapiert dann dieser Möchtegernpräsident, dass doch ein bisschen mehr dazu gehört für dieses Amt, und er tritt zurück.

    Oder aber die anderen merken endlich, dass es mit Entschuldigungen nicht getan ist.

  • H
    herbert

    Auf der einen Seite haben wir die Parteispenden der juristischen Personen z.B. der Versicherungswirtschaft und auf der anderen Seite die "kleinen Geschenke" der natürlichen Personen. Beides zusammen ergibt eine Bananenrepublik, die nun das passende Staatsoberhaupt gefunden hat.

  • HM
    HGeorg Meyer

    Apropos Lebensversicherungen:

    Man sollte die Bedeutung einer Lebensversicherung nicht unterschätzen. Allein der Aspekt der langfristigen Vertragsgestaltung lässt manch einen Verbraucher davor zurückweichen, vorzeitig zu kündigen, womöglich für schlichte Konsumzwecke.

    Desweiteren: angesichts der schwindenden staatlichen Altersversorgung, ist die Lebensversicherung eine wichtige persönliche Vorsorgemöglichkeit = eine der drei Säulen der Altersversorgung: Rente, betriebliche Rente und Lebensversicherung...

    Der Steuervorteil war seit eh und je ein besonderer Anreiz für eine langfristige Lebensversicherung...

    Jedes sofort verfügbare Konto ist stets eine Versuchung, nicht auf Dauer zu sparen!!!

    MfG HG Meyer, Hamburg

  • W
    Westberliner

    Der Fall "Wulff" eröffnet einen kleinen Einblick in die Welt der Politik, in geknüpfte Netzwerke, Vorteilsnahmen und so weiter. Wulff steht als Beispiel für die moralische Verkommenheit eines Teils der Politiker.

  • B
    Beth

    Warum nochmal genau ist der immer noch im Amt? Was ist das korrekt Prozedere, um einen Bundespräsidenten abzusetzen, geht das überhaupt, muss er zurücktreten, ... ?

    Walzt doch mal die Möglichkeiten aus, die es da gibt, und wie realistisch welche davon im Moment ist.

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Wenn ich sehe, was für Freunde der Bundespräsident Wulff hat, wünsche ich mir lieber einen Bundespräsidenten, der keine Freunde hat.