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Taz-Serie: Die Grenzen des WachstumsNach dem Vorbild der Natur

Der Unternehmer Gunter Pauli plädiert für eine Wirtschaftsform, die ökologisch und auch billig ist. An zahlreichen Beispielen aus aller Welt zeigt er auf, wie das möglich sein kann.

"Ihre Grundbedürfnisse lassen sich nur durch Wachstum lösen", sagt Gunther Pauli. Bild: dapd

Gunter Pauli ist sowohl Unternehmer als auch Professor – und entsprechend wandelt er ständig zwischen Theorie und Praxis. "Das übliche ökonomische Wachstum von heute ist schädlich", sagt der in Antwerpen geborene Erfinder der "Blue Economy". Zugleich stellt er klar, dass die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Armen nur durch Wachstum zu befriedigen sein wird.

Da er Letzteres zum obersten Ziel einer sinnvollen Wirtschaft erklärt hat, plädiert der 55-jährige in Südafrika lebende Unternehmer für einen Wachstumsbegriff, der sich am Vorbild der Natur auf unserem blauen Planeten orientiert; daher auch der Name seines Konzepts.

In Milliarden von Jahren ist es der Natur gelungen, aus dem immergleichen Material eine ständig zunehmende Vielfalt hervorzubringen. Seit Beginn des Lebens auf der Erde ist die Biosphäre in schier unvorstellbarem Ausmaß gewachsen – ohne dass dabei Müll entstanden ist. Denn der Abfall des einen Wesens war die Lebensgrundlage für andere. Auch das Wasser ist trotz ständiger Nutzung stets sauber geblieben.

Vor allem Großtechnologien, weltweite Einheitsprodukte und auf ein "Kerngeschäft" orientierte Betriebe haben dieses Gleichgewicht in den vergangenen Jahrzehnten jedoch erheblich zerstört. Sie verbrauchen enorme Mengen von Energie und Ressourcen, um neben ihren eigentlichen Produkten riesige Mengen Abfall zu hinterlassen und Wasser, Boden und Luft zu verseuchen. Damit zerstören sie das Wachstumskonzept der Natur.

Serie Wachstum

Der Mythos: Viele gehen davon aus, dass die Wirtschaft immer weiter wachsen muss, um die Welt zu ernähren.

Die Kritik: Spätestens seit der Club of Rome 1972 "Die Grenzen des Wachstums" vorstellte, ist klar: Wachstum ist auf einem endlichen Planeten nicht unendlich.

Die Alternativen: Etliche Wachstumsskeptiker beschäftigen sich mit diesen Fragen. Die einen fordern eine Verlangsamung des Wachstums, andere einen Stopp, einige eine Rücknahme. Die taz stellt die wichtigsten Köpfe vor.

Das Konzept des Kerngeschäfts habe "der Natur mehr geschadet als jede Ölpest oder nukleare Katastrophe", schreibt Pauli in seinem Buch "Neues Wachstum". Beispiel Agroindustrie: In der agroforstwirtschaftlichen Produktion werden häufig nur 5 Prozent des Materials tatsächlich genutzt. Wenn wir auf ein Wirtschaftssystem umstellen würden, in dem 95 oder sogar 100 Prozent genutzt werden, könnten wir zwanzigmal mehr materielle Bedürfnisse befriedigen, ohne dass die Erde mehr produzieren müsste. Dadurch entstünde gleichzeitig eine gigantische Jobmaschine.

Seine Schlussfolgerung: "Wir können ein starkes Wirtschaftswachstum erreichen, ohne dabei die Ozonschicht zu schädigen, Ökosysteme zu schwächen und das Klima zu verändern."

Das Open-Source-Prinzip

Gunter Pauli plädiert dafür, die Kaskaden der Natur zu imitieren. Um solche Beispiele zu finden und zu initiieren, reist Pauli, der sechs Sprachen spricht und schon auf fast allen Kontinenten gelebt hat, ständig durch die Welt. Dabei geht es ihm um Techniken, die fehlertolerant sind und auf eine regional orientierte Versorgung abzielen.

Anders als die heute dominante Wirtschaft verzichtet die Blue Economy auf Patente, damit möglichst viele Menschen die Beispiele auf die eigenen Bedürfnisse und regionalen Gegebenheiten zuschneiden können. Das von Gunter Pauli gegründete Zeri-Netzwerk veröffentlicht jede Woche eine Geschäftsidee, die nach dem Open-Source-Prinzip von anderen nachgeahmt werden kann und soll.

Das jüngste Beispiel ist eine Brauerei in Namibia, die nicht nur Bier herstellt, sondern aus den dabei anfallenden Abfällen Brot und Pilze produziert. Letztere werden zum Teil an Tiere verfüttert, die außer Fleisch auch Mist liefern. Der wandert in eine Vergärungsanlage und produziert dort zum einen Biogas für die Energieerzeugung, zum anderen eine Nährlösung, die das Algenwachstum in einem nahe gelegenen See anregt und so eine Fischzucht ermöglicht. So ist eine ganze Kaskade von Bioprodukten und grünen Jobs entstanden.

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10 Kommentare

 / 
  • PD
    Proletarische Demokratie

    Das allerwichtigste ist natürlich, daß man dafür keine Unternehmer braucht. Das schafft nur unnötige Hierachien und diese autoritäre Klassenstruktur kostet zwecks Teile-Und-Herrsche zudem genau das Geld extra, mit dem sich die besser Bezahlten leisten können, den Planeten zu vergasen. Der Herr kann sich gerne mal zu dem seit Monaten wild streikenden Stahlarbeitern von Aspropyrgos begeben und ihnen erklären, wie sie ihren Betrieb, der ja eh abgewickelt werden soll, übernehmen könnten, wenn gleichzeitig der Patron mit seinen Komplizen Transportwesen und Rohstoffhandel in der Hand hat. Griechenland ist leider nicht Argentinien, trotzdem würden die Menschen landesweit nicht nur die maroden Fabriken übernehmen.

    Was dann folgen könnte, ist sehr einfach: Exporte und Importe sofort stoppen und die Wirtschaft auf die Versorgung der Bevölkerung umstellen; dafür gibt es sowas wie den Staat eigentlich und überhaupt!

    Nebenbei als Anfang: Schulden bräuchte man nämlich auch nicht machen, wenn man die Unternehmer richtig besteuern würde. Es wird derartig viel Geld verdient, das man eh nicht ausgeben kann und wenn die dann mit ihren Erpressungen kommen, läßt man ihren im Ausland produzierten Schrott einfach nicht über die Grenze.

    BASTA

  • B
    ber

    Von Open Source Ideen kann auf der Zeri Webseite keine Rede sein ...

     

    "Parker setzte seine Erkenntnisse in vielfältiger Weise um, z.B. der Kreation einer neuen “Hologramm”-Technologie, die noch geheim ist, um sie vor Nachahmern zu schützen."

     

    ... heißt es im Artikel über Farbe ohne Pigmente.

     

     

    Klickt man auf einer Projektseite auf "dieses Beispiel als PDF herunterladen" gelangt man zu einer "Zugang verboten" Seite. Auch nicht sehr "open".

     

    Dazu kommt, dass in den Artikeln wissenschaftliche Erfindungen oder Ideen nur kurz beschrieben werden. Weiterführende Links oder wirkliche Infos zur Nachahmung fehlen.

     

    Mir scheint das eine reine Klickstrecke zu sein, die nur den Zweck hat das Buch Paulis zu bewerben.

  • B
    ber

    Von Open Source Ideen kann auf der Zeri Webseite keine Rede sein ...

     

    "Parker setzte seine Erkenntnisse in vielfältiger Weise um, z.B. der Kreation einer neuen “Hologramm”-Technologie, die noch geheim ist, um sie vor Nachahmern zu schützen."

     

    ... heißt es über Farbe ohne Pigmente:

    http://www.community.blueeconomy.de/m/articles/view/Farbe-Teil-3-Der-erste-Umsatz

     

    Klickt man auf einer Projektseite auf "dieses Beispiel als PDF herunterladen" gelangt man zu einer "Zugang verboten" Seite. Auch nicht sehr "open".

     

    Dazu kommt, dass in den Artikeln wissenschaftliche Erfindungen oder Ideen nur kurz beschrieben werden. Weiterführende Links oder wirkliche Infos zur Nachahmung fehlen.

     

    Mir scheint das eine reine Klickstrecke zu sein, die nur den Zweck hat das Buch Paulis zu bewerben.

  • N
    NewsAlex

    Der ökonomische Wachstumsbegriff, der hier implizit verwendet wird, geht von statischen Inputfaktoren aus. Obwohl auch Ökonomen nicht einig in dieser Frage sind, möchte ich doch darauf hinweisen, dass Wachstum nicht notwendiger Weise bedeuten muss, dass bestehende Systeme oder Produkte noch effizienter werden, sondern gerade Innovationen zum Wachstum beitragen. Wie zum Besipiel die wirtschaftlichen Folgen der Druckerpresse von Gutenberg: http://www.aktuelle-schlagzeilen.de/tag/innovation/

     

    Die Wirtschaft ist ein dynamisches System bestehend aus einer Reihe von ebenfalls dynamischen Ökosystemen, an Verbindungen. Statt Wachstum zu verteufeln sollte man über sinnvolle Regeln streiten und Innovationen und Wachstum begrüßen.

     

    Wie mein Ethiklehrer uns schon früh eingebläut hat: Es wird nicht aus dem holen Bauch diskutiert, zunächst eignen wir uns das nötige Rüstzeug an. In diesem Fall ökonomisches Rüstzeug. Dann ergeben sich auch spannende und zielführende Dikussionen...

  • KS
    Karl Sonnenschein

    Ich finde Teile der Ideen und Ansaetze von Pauli ausgesprochen gut!

     

    Allein mit dem Verzicht auf Patente ist Pauli vielen Mainstream Oekonomen, Technikern und Politikern um Lichtjahre voraus!

     

    Patente dienen ja nicht der Menschheit sondern der Monopolstellung von Grossbetrieben und Nationalstaaten (Made in ...) und der Erhaltung eines Wirstchaftszweiges bestehend aus Beamten und Advokaten. Patente sind ein typisches Beispiel von sinnloser Resourcenverschwendung und Machtkonzentration zu Lasten der Allgemeinheit.

     

    Ich werde mir das Zeri-Netwerk noch genauer ansehen. Danke fuer den Link!

  • E
    engio

    Die Abfälle werden aber nicht nur als Viehfutter verwendet, sondern es werden nebenbei noch andere Nahrungsmittel (Brot, Pilze) produziert. Aus dem Tiermist wird dann Strom und die Grundlage für die Fischfarm erzeugt. Das ist doch schon ein Beispiel für integrierte Prozessketten (=Kaskaden) wie es sie in der allein auf Profit ausgerichteten Marktwirtschaft selten gibt. Und das Spezialisierung eine Erfolgsgrundlage der Natur darstellt wird in diesem Artikel überhaupt nicht in Abrede gestellt.

     

    Das Argument mit dem Kerngeschäft bezieht sich, soweit ich das verstehe darauf, dass Unternehmen sich häufig nur auf eine bestimmte Verwertung von Gütern konzentrieren und die weiteren Verwertungsmöglichkeiten am Anfang und Ende ihrer Wertschöpfungskette nicht weiterdenken (weil es nicht so profitabel ist, wie einfach nur das Kerngeschäft zu optimieren). Das ist tasächlich ein Problem. Da müssten deutlich mehr Anreize geschaffen werden, kreativer und ganzheitlicher zu wirtschaften. Durch Subventionen und Sanktionen zum Beispiel. @Messerfokel: Jedenfalls ist das Verfüttern irgendwelcher Abfälle an Tiere für sich genommen eine Verwertung die, wie das Beispiel aus dem Artikel zeigt, weit hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.

  • E
    engio

    Die Abfälle werden aber nicht nur als Viehfutter verwendet, sondern es werden nebenbei noch andere Nahrungsmittel (Brot, Pilze) produziert. Aus dem Tiermist wird dann Strom und die Grundlage für die Fischfarm erzeugt. Das ist doch schon ein Beispiel für integrierte Prozessketten (=Kaskaden) wie es sie in der allein auf Profit ausgerichteten Marktwirtschaft selten gibt. Und das Spezialisierung eine Erfolgsgrundlage der Natur darstellt wird in diesem Artikel überhaupt nicht in Abrede gestellt.

     

    Das Argument mit dem Kerngeschäft bezieht sich, soweit ich das verstehe darauf, dass Unternehmen sich häufig nur auf eine bestimmte Verwertung von Gütern konzentrieren und die weiteren Verwertungsmöglichkeiten am Anfang und Ende ihrer Wertschöpfungskette nicht weiterdenken (weil es nicht so profitabel ist, wie einfach nur das Kerngeschäft zu optimieren). Das ist tasächlich ein Problem. Da müssten deutlich mehr Anreize geschaffen werden, kreativer und ganzheitlicher zu wirtschaften. Durch Subventionen und Sanktionen zum Beispiel. @Messerfokel: Jedenfalls ist das Verfüttern irgendwelcher Abfälle an Tiere für sich genommen eine Verwertung die, wie das Beispiel aus dem Artikel zeigt, weit hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.

  • C
    chemie

    Die BASF, ein grosses Chemieunternehmen, arbeitet nach dem Verbundsystem. Dort werden Nebenprodukte weiterverwendet zur Herstellung neuer Produkte. Wäre das auch ein Beispiel?

  • L
    Lexi

    Schon wieder so ein dämlicher Artikel, der vor geistigen Kurzschlüssen nur so wimmelt. Erst wird behauptet: "Denn der Abfall des einen Wesens war die Lebensgrundlage für andere.", dann haut man auf Betriebe drauf, die sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und anschließend kommt ein Beispiel, das zeigt, dass genau diese Strategie, die Lösung ist. Es ist prinzipiell nicht Aufgabe der Brauerei die Abfälle zu verwerten. Dafür sind andere da. In der Spezialisierung liegt die Lösung - genau, wie in der Natur. Der Abfall des einen Wesens ...

     

    Gott sei Dank: taz zahl ich nicht!

  • M
    Messerjokel
    ...

    Beispiel Agroindustrie: In der agroforstwirtschaftlichen Produktion werden häufig nur 5 Prozent des Materials tatsächlich genutzt. ...

     

    Mir fällt nicht ein einziges Agro-forst-wirtschaftliches Produkt ein, das nur zu 5 % verwertet wird. Was bitte soll das denn sein?

     

    Meiner Ansicht ist das eine glatte Fehlinformation.

    Schon seit Jahrzehnten werden, um das weiter unten angegebene Beispiel "Bierbrauen" heranzuziehen, die Nebenprodukte wie Biertreber als Viehfutter verwendet.

    Daran ist nichts Neues.