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Video der WocheFor God's Shake

Jahrhundertelang hat sich das Christentum dem Tanz verweigert. Doch Freikirchen brachten Gezappel in europäische Kirchen. Das hätten sie besser nicht gemacht.

Der Jesus-Tanz - ein menschenverachtendes Machwerk?! Bild: screenshot youtube

Der Christ brauchte den Tanz bisher nicht, um sich Gott nahe zu fühlen. Der Islam hat seine Derwische, Buddhisten und Hindus ihre Tempeltänze, viele Naturreligionen kennen ausschließlich ekstatische Gebete. Die Christenheit aber verzichtete darauf, in "transzendenten Tendenzen zu dancen" . Und zwar konsequent von Anfang an: in der Bibel beispielsweise wird kaum getanzt, und wenn dann doch jemand die Hüften schwingt, verliert am Ende ein Gerechter seinen Kopf. Sagen wir, wie bei Salomé und Johannes dem Täufer.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lief es nicht besonders gut für die europäische Kirche, das Interesse war über die Jahrhunderte deutlich geschwunden. Auf dem evangelischen Kirchentag in Düsseldorf 1973 fanden sich kümmerliche 15000 verlorene Seelen ein. Also galt es, das Veranstaltungskonzept zu überarbeiten. So erfand man eine neue Partyreihe mit dem etwas sperrigem Namen "Liturgische Nacht", eine Mischung aus Pop-Festival und Abendmahlsgottesdienst.

In die gleiche Zeit fällt der Siegeszug der evangelikalen Freikirchen, die sich von den sehr viel hedonistischeren Spielarten des Hochamtes aus den USA und Südamerika anstecken ließen. Statt des viel zu abstrakten Herrgotts wird da viel lieber Jesus abgefeiert. Da hat man wenigstens ein Konterfei zur Verfügung, das man auf T-Shirts drucken kann - so etwas braucht man in der Popmoderne.

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Ziel: Kollektiver Selbstmord

Dass die Verpoppung des Glaubens kurz vor ihrem Abschluss steht, daran kann kein Zweifel bestehen. Vor allem nach diesem Video nicht, das seit einer Woche die Netzgemeinde in den kollektiven Selbstmord zu treiben versucht. "Der Jesus Tanz" heißt es, ursprünglich auf bibel.tv produziert, und es hat alles, was einen Hit ausmacht.

Als da wären: ein Text, der nicht mehr als sieben Worte umfasst, und der trotzdem intelligenter wirkt, wenn man ihn rückwärts abspielt. Ein übermotivierter Sänger, der beim Singen häufiger die Augen zusammenkneift als Marc Anthony. Zwei Backgroundtänzerinnen aus dem örtlichen Salsa-Grundkurs mit dem Bewegungstalent eines Schaufelbaggers. Ein Tanz, den ursprünglich Detlef D! Soost choreographierte, als er bei einem Feuerwehrfest nach dem siebten Bier nicht mehr aus einer Hüpfburg herausfand. Und, ganz wichtig: ein gelber Gürtel.

Fertig ist es, das menschenverachtende Machwerk zur Feier Gottes. Der berühmte Theologe Heinz Zahrnt soll einmal gesagt haben, das Reich Gottes lasse sich nicht ertanzen. Nach dem Video ist man gewillt hinzuzufügen: Aber die Hölle hoffentlich schon.

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14 Kommentare

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  • RA
    Reissack aus China

    Erscheint jetzt für jedes der geschätzten 5.000.000.000 peinlichen Youtube-Videos eine Meldung auf der taz-Startseite?

  • JV
    Joe Völker

    Ich würde religiösen Tanz nicht prinzipiell verdammen. Vielleicht nur in diesem speziellen Fall!

    Letztendlich ist es eine Frage der Ästhetik. Eine mangelhafte künstlerische Leistung wird nicht besser, wenn man dabei "ganz viel gefühlt" oder "ganz viel geglaubt" hat. Es ist ähnlich wie im Kirchenchor: Der Herr freut sich über richtige Töne!

  • DS
    Der Südländer

    Wenn du es tanzt, wird er kommen!

     

    Mein aufrichtiges Beileid an die Christenheit... Ich dachte echt, sie würde stilvoller von der Bühne gehen!

  • FD
    Frere de Icke Lilith

    Gut gefühlt Schreiber Herr Valin. Ein stimmiger Text zwecks Leben Beben Schweben.

    Apropos Hokus Pokus Fokus Pokuss 15000 verlorener Seelen. Dene is net zu helfe. BewusstseinSendung Clean Christen, mit EGO Willen, aus dem Hause Neckermann. Wieviel Prozent tatsächlich Gewaltfrei ?

     

    Eben, Choreographierte Colgate Christen Lämmer, im reservierten Christenreservat SIND die Hölle. Jetzt Bombt Hülfe aus der Hüfte. Du k ommst aus dem Kreuz eines Kreises spannend.

    Zufällig allgemein wie IM besonderen. Der, wie all anderen, häußlichen WanderVogelChristen, individualisieren sich, nebenbei fortlaufend als balancierte/r Jesus i Christus si dOSIS..

    ABStrakt unvertrakt häußlich. Stell Dir es ist Jesu & Alles Sein ist DAB EI. Religion Prälegion Präsentlegion. Ein Neues Leben beginnt im Punk t...

     

    Wo ist d ein BuddhaStempel zumal Du d ein kreuz mittels Wahl jesusisierst ? Die Welt der Politik, ist die Politik der Welt. Die Bühne der Politik, ist die Politik für die Bühne. Jetzt mit C omputer...

     

    Ergo. Einen wunderschönen Himmel, meine Damen und Herren im t raumlosen Tiefschlaf.

    Alternativ entScheiden Sie Jetzt. Auf Erden Himmeln oder umgekehrt . Garantiert Gratis, sowie später...

     

    Ja, Lilith ist ParaParität jenseits von Eva und GEZappel. Lilith kam wie Adam DIrekt aus der

    ERDE. Fehlermachwerker Adam erlebte ihre freiwillige wirkmächtige Himmelsentschwebung,

    nach seinem unapp etitlichen ewigen General Fehler des Herrschens ohne Frauschen (Programm UnterDRückung, Den Versuch sanktionierte Lilith ) , so es überliefert woanders geschrieben. IM Sinne des Entgegenkommens im Prozeß, war Eva, das idealistische beschützenswerte VerlustAngstAtom aus (in) der eingeladenen, wie eingelagerten Paradies AdamsRRippe, der nächsten Chance. Der Baum der (Sie)Erkenntnis ist die Kopfplatzierte Eva gen Himmel. Der dargebotene Sündenapfel ist GutVaginalGeschmack BeiFleisch er/siefüllungsfunktion

    im Kindermachen. Angeblich nahm frau/man vor der Apfelprobe, die nur positiv lichtigen, geöffneten dritten Augen, im K Inderproduktionsprozeß. ErGo ZERO Polarität. Ansonsten gilt Potential. Du hast `nen Po ich `nen Al. Mit Jesus i wieviel mal ?

     

    For God`s Shake. Jesus i Christus si gerührt oder geschüttelt ?

     

    For Devils Hate . Total relativ absolute EntGültige EntBrutalisation .

     

    Nimm Licht aus Pflanzen und lass DIe Lanzen... 2012 Ticketer/rin

     

    F.D.I. Lilith

  • AB
    alex B

    gott sei dank bin ich katholik und tanze nicht danke taz für diesen artikel!!! So stelle ich mir die hölle vor in endlosschleife dieses video gucken....

  • U
    Uli

    Aber die Mädels sind doch recht hübsch, und dass Gott gut und Jesus wunderbar ist, stimmt auch. Also, ich habe da schon Schlimmeres gesehen. Und wenn man weiß, aus welchen verklemmten Traditionen das abendländische Christentum herkommt, kann man dem "Gezappel" sogar vielleicht noch etwas recht Befreiendes abgewinnen.

  • MD
    Ma Dalton

    Daß die sich selbst ernst nehmen können…

  • P
    Pupsi

    Ui, ist das aber mal ein schönes Lied! Und so ein peppiger Tanz von so sympathischen jungen Leuten dargeboten! Das geht einem direkt in die Beine, vielen Dank für das Video!

     

    Aber wenn ich Sie richitg verstehe, wollen Sie sich darüber lustig machen, oder? Das finde ich gar nicht gut!!!

    Seien Sie froh, dass die junge Menschen ihr Leben gottgefällig gestalten, anstatt dass sie auf der Straße rumlungern und demonstrieren oder Drogen nehmen oder Ausländer sind!

     

    Ohlalalala, Gott du bist so gut! Yeah!

  • M
    Markus

    Warum sollte man einen Artikel lesen, der von Anfang an falsch ist? In christlichen Kirchen ist über Jahrhunderte getanzt worden. Einfach mal - z. B. im Lexikon des Mittelalters - Veitstanz nachschlagen. Oder entsprechende Literatur dazu lesen. Tanz war in den Kirchen eine zentrale Kategorie, und nicht nur sonntags, sondern oft täglich. Grundannahme: falsch. Schlecht recherchiert. Setzen, sechs.

  • JZ
    jan z. volens

    Am 2. Jan. 2012 wurde in Sao Paulo/Brasilien die neueste Neo-Pentacostal "Kirche" eroeffnet, mit Sitzplaetze fuer 150,000. 500,000 erschienen und hunderte von Omnibusse parkten auf zwei Laufbahnen der Innenstadt-Express-Autobahn. Die Behinderung des Verkehrs zum Flughafen fuehrte zum "Verpassen" von Abfluegen. Brasiliens verschiedene Neo-Pentacostal "Kirchen-Unternehmen" sind auch in Afrika, Europa, USA und Asien aktiv. Das Rezept stammt aber urspruenglich von USA...

  • E
    egal

    Schön das sich Leute der Taz die Mühe machen aktuelle Youtube/Facebook-Videos zu kommentieren. Nicht sehr anspruchsvoll, aber dennoch immer wieder (und vor allem zu später Stunde) interessant zu lesen, auf welche Ideen die SchreiberInnen kommen um sich süffisant zu ergötzen :D

  • K
    Öko-Christin

    Hallo liebe TAZ,

     

    immer wieder lese ich gerne Eure oft witzigen Glossen,

    und lache mich auch über schwärzesten Humor krumm, der so schwarz ist wie leider zu oft auch das Leben -

    aber warum denn immer diese Christentumsschelte?

     

    Die Vorführung mag ja nicht besonders gelungen sein,

    aber dieser Artikel ist auch nicht besonders witzig,

    und auch nicht gut recherchiert.

    Denn die Shaker in den USA tanzten beispielweise sehr wohl (sogar als integraler Teil ihres Gottesdienstes),

    und ich denke sie waren dabei nicht die einzigen.

    - Weitere Beispiele seien dem interessierten Leser zur Eigenrecherche überlassen.-

     

    Ich denke Euer Problem ist vielleicht dass ihr in der grossen grossen Stadt Berlin sitzt, wo die Kinder nicht mal mehr Reli in der Schule haben dürfen, und dass Ihr denkt, dass jenseits vom urbanem hippem Lifestyle sowieso nur die düstere und intellektuell abgehängte Provinz vor sich hin döst (da, wo die Leute halt noch in die Kirche gehen)?

    Und weil auf den Demos die Leute halt nicht mit einem Glaubens- und Weltanschauungs-Tag auf der Stirn rumrennen, denkt Ihr, dass in den (Frei-)Kirchen nur lauter Leute sind, die einen eingeschränkten Wortschatz und einen nicht viel grösseren gedanklichen Horizont haben und deswegen etwas einfachere Lieder singen???

     

    Da muss ich Euch ermutigen, mal entweder aufs Land zu fahren, und frische Luft zu atmen, oder auch mal einige Mitglieder der sogenannten Freikirchen persönlich kennen zu lernen (statt sich nur ein Video aus dem Netz zu laden).

    Es gibt sowohl in der Provinz, als auch in den vielen verschiedenen Freikirchen aufgeweckte Leute, die oft gerade wegen ihrem christlichen Background (auf dem Ihr leider immer wieder so rumhackt) aktiv werden fürs Recht auf Asyl und gegen die Zerstörung der Natur ("Bewahrung der Schöpfung")sowie gegen verschiedenste Arten von ungerechten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen.

    Oft ist das aber halt nicht so pressewirksam, weil einfach gehandelt wird und man sich nicht so pressewirksam präsentieren kann oder will, wie es manch andere gerne tun.

     

    Also, liebe TAZ:

    Die Welt ist heute nicht mehr Schwarz-Weiss, sondern in Farbe!

    Und auch die Christen in den (Frei-)Kirchen können ganz verschieden sein (farbig, ausländisch, emanzipiert, links usw.).

    Sie haben sogar einen äusserst verschiedenen (Musik-)geschmack, und machen auch manchmal gute und manchmal schlechte Musik.

    Da hilft im Notfall bei misslungenen Gesangseinlagen nur Ohren zuhalten, und dann unverzüglich zusammen an den drängenden Fragestellungen unserer Zeit arbeiten.

    Grüsse aus der südbayerischen Provinz, wo gerade von allen, die eine Stimme haben, in einem breiten Aktionsbündnis gegen die Dritte Startbahn am Münchner Flughafen aufgeMUCkt wird ;-)

  • J
    Jesusfreak

    Der Fernsehkritiker hat sich diese Woche auch schon darüber lustig gemacht:

     

    http://fernsehkritik.tv/folge-84/Start/#jump:2-896

  • A
    alabasta

    Hatte heute einen richtigen Sch...-Tag, zusätzlich macht mir eine Erkältung zu schaffen; dementsprechend ist meine Laune - passend zum Freitag, dem 13. (zumindest wenn man ihn als Unglückstag sieht...) Aber dieser TAZ-Artikel und das Tanz-Video hat mich für die Widrigkeiten des Tages entschädigt. Herrlich, statt meiner, hat Herr Valin etwas ironische Bissigkeit und Freude in den tristen Alltag gebracht. Danke!