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Apple auf dem VormarschWo bleibt der Jailbreak?

Mit der jüngsten Rekordbilanz baut der kalifornische IT-Konzern seine Vormachtstellung aus. Die lustvolle Unterwerfung geht auf dem Bildungsmarkt weiter.

Bald auch in Kinderhände? Bild: dapd

Süßer die Äpfel nie waren. Keine Woche nachdem der kalifornische Hersteller von Computern mit Flair einen neuen Markt ins Visier genommen hat, nämlich Bildungseinrichtungen, verkündete er nun die Quartalszahlen.

Nein, er röhrte sie hinaus, 37 Millionen Smartphones verkauft, 15 Millionen Tablets, der Umsatz allein des Weihnachtsquartals 2011 liegt über dem Gesamtergebnis des Jahres 2009.

Apple ist bereits ein Weltmarktgigant, aber das Wachstum scheint unbegrenzt. Auch die Kontrahenten Microsoft und Google, die selbst Megaplayer sind, können da nicht mit.

Jedenfalls scheint es so. Ein kleiner Blick auf den Teilmarkt der iPods zeigt aber, dass auch globale Märkte Sättigungen hinnehmen müssen. Minus 20 Prozent! Sollte so ein Ergebnis beim Kassenschlager iPhone eintreten, und das muss ja so sein, weil sich nicht mal Telefonjunkies alle drei Monate ein neues Handy kaufen, dann in Deckung vor dem, was die Analysten verbreiten werden.

Schon als Steve Jobs ins Grab sank und Tim Cook übernahm, unkten die Business- und Tech-Kassandras: Jetzt kann's nur noch bergab gehen. Eine Talfahrt wird kommen.

Teenies jubeln

Aber der Apfel hat vorgesorgt. Mit dem Abbrennen des Quartalsfeuerwerks IV 2011 wird deutlich, wie strategisch bedeutsam der Angriff auf den Bildungsmarkt vergangene Woche war. Apple füttert damit künftige Kunden an – Schüler. "Wir streben mittelfristig an, den Schülern ihr Tablet mit nach Hause zu geben", berichtet der Leiter einer Hauptschule am Rande des Ruhrgebiets. In der Schule gibt es neuerdings zwei siebte Klassen mit iPads.

Ein besseres Marketing für den kalifornischen Computerhersteller ist schwer denkbar. Die Teenies brechen in regelrechten Torjubel aus, wenn sie das hören. Fragt man sie aber beispielsweise, ob sie mal einen Moodlekurs besuchen wollen (Moodle ist eine an Schulen übliche, relativ leicht zu bedienende Lernplattform), dann fragen sie genervt: "Was ist das denn?"

Aber der Tablet-PC ist nicht nur ein Werbegag. Die Wunderflunder, die inzwischen alle anderen Hersteller auch auf den Markt bringen, ist derzeit das klassenzimmerfreundlichste IT-Endgerät. Der Tablet-PC ist sofort an, er wirkt wie eine natürliche Übersetzung des Buchs ins Digitale – und er enthält eine unendlich steigerbare Anzahl an Applikationen.

Derzeit gibt es bereits tausende solcher Lern-Apps, sie gehen von einfachen Wörterbüchern über Buchschreib-Apps wie "Book Creator" bis hin zu Überraschungen wie dem App "famous books" – das niemand anders als die Bayerische Staatsbibliothek herstellt. In diesen "Treasures of the Bavarian States Library" finden sich unter anderem gescannte Faksimiles der Gutenberg-Bibel. Die digitale Buch-App frisst gewissermaßen ihren Ahnherrn.

Sexy Standard

Das ist die eine Pointe, die andere, wichtigere ist diese: Apple braucht nicht selber Inhalte herzustellen, die Profis für den Content sind die bisherigen. Das heißt, der Standard, den der Apfel setzt, ist kein erzwungener, sondern einer mit hohem Sexynessfaktor: Wer etwas auf sich hält, stellt eine App her. Den Rest entscheidet der Markt. Und der steht sperrangelweit offen für das iPad, dessen dritte Generation bald auf den Markt kommen wird. Die schönste Diktatur ist immer noch die der lustvollen Selbstunterwerfung.

"Apple hat eine Dekade investiert, um ein komplettes Ökosystem von Hardware, Software und Onlinekaufhäusern aufzubauen", schreiben die Analysten ehrfürchtig, und sie haben ja recht. Konkurrenz ist möglich – innerhalb des Apfel-Kosmos, etwa wenn es darum geht, die beste Lern-App herzustellen. Allerdings gibt es keinen Standard, der sich nicht selbst verdauen würde.

Schon mokieren sich die ersten Lehrerblogger, die digitalen Buchprodukte fürs iPad seien noch überhaupt nicht ausgereift. Wer wirklich etwas auf sich hält, kauft nicht bloß einen Apfel, sondern knackt die Sperren, Sicherungen und Ortungsmechanismen von Big Brother Steve. Gott hab ihn selig! Aber ein Jailbreak wird kommen.

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9 Kommentare

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  • S
    sfb

    Sollten die olpc Leute das wirklich hinkriegen, dann wäre das evtl auch was für Schulen in der 'ersten Welt':

     

    http://tabletcommunity.de/11515/olpc-stellt-xo-3-0-android-tablet-mit-solar-panel-vor/

     

    stabil, günstig, stromsparend, und mit open source software, d.h. die Nutzer_Innen könnten sogar was über Systeme und Code lernen...

  • W
    Wayne

    @Nils Android ist ein offenes Betriebssystem, selbst wenn es von Google betrieben wird.

  • MS
    Manfred S.

    Ach ja, wie war das noch vor wenigen Jahren, als ein Personal Computer gleichgesetzt war mit einem Microsoft Betriebssystem und der einzige Kontakt innerhalb einer Schule mit einem Computer der mit Microsofts Word/Excel/PowerPoint an einem Windows-PC war. Das hat dann diese für die den Berufsalltag vorbereiteten Schüler geschaffen, die bis heute nicht wissen, was ein Betriebssystem ist, denn bewusst entschieden hat sich keiner von denen. Privat musste es ebenfalls das billigste sein und weil das private Stück Rechner außer einem Taschenrechner und Qutlook Express kaum eine sinnvolle Funktion von sich aus mitgebracht hat, entsprechende Zusatzsoftware dann insgesamt keinen so billigen Anschaffungspreis mehr ergeben hätte, die Schule auch höchstens langweilige Programme vergünstigt für ihre Schüler anbieten konnte, meist auch erst in den höheren Klassen, so wurden dann gratis aus dem Netz Programme installiert, die im Laden viel Geld kosten würden, die allerdings aber nicht nur kostenlos, sondern mit erheblich Schadsoftware angereichert über die Schultische gereicht wurden.

     

    Freiheit von vollkommen ungeprüfter Software aus höchst dubiosen Quellen ist auch eine Freiheit. Es wäre das Gegenteil von dem, was einen PC von den wohl meisten Kindern und Jugendlichen heute ausmacht, auf dem gnadenlos alles installiert oder geöffnet wird, was gratis ist. Die Neugier siegt am Ende immer.

  • L
    LeBigMacBensen

    Glaub kaum, dass Apple Lust hat, die Unterrichtsmaterialien zu kontrollieren. Schön wärs, bei dem Müll der da derzeit noch am Start ist...

     

    Ich verstehe die Aufregung aber nicht. Früher oder später wird sich ein erweiterter ePub-Standard etablieren, der dann mit iBooks und (!) den Applikationen anderer OS funktioniert. Apps gibts auf allen Plattformen, da seh ich nicht das Problem.

     

    Was bleibt denn Apple übrig, wenn die Alternative wäre ein Konsortium mit einer Vielzahl an Entwicklern zu bilden, die nicht auf einen Nenner kommen?

     

    Gäbe es Smartphones in der Form, wenn es das iPhone micht gegeben hätte? Ich glaube kaum, zumindest nicht in der kurzen Zeit...

     

    Den Jailbreak in der Schule halte ich für unrealistisch. Selbst wenn es rechtlich und hinsichtlich Gewährleistungsansprüchen sauber wäre, ist da immer noch der Installationsaufwand bei neuen Updates, der sicher nicht per Wifi geht, wie ein normales iOS-Update. Von der Gefahr sich dann irgendnen Sch***** aufs Gerät zu holen abgesehen. Unser Schulnetzwerk wird grad mal wieder von nem Wurm genervt. Auch auf meinem Win-Profil, das ich ausschließlich für die Arbeit im Unterricht ohne Mailverkehr, USB-Stick etc. verwende... Was ein Dreck, da nehm ich doch lieber die "geschlossene" Umgebung eines iOS und hab da keine Probleme. Grad in der Schule (wie auch in jedem Betrieb) muss ich mich auf meine Hard- und Software verlassen können. Weiss ich, ob der Wurm irgendwelche persönlichen Daten rausschickt und nachher Notenlisten im Internet stehen? Gut, dass ist eine Sache, die gute Admins im Griff haben, aber beim iOS ergibt sich das Problem (noch?) nicht.

     

    Und Apple wird die Notenlisten nicht interessieren...

     

    Fazit, die Entwickler müssen kreativer werden. Aber nicht im Sinne von, wie verkaufe ich es besser, sondern wie mach ich es anwendungsfreundlicher und zwar durch eigene Überlegungen und nicht durchs kopieren. Und das hat Apple wirklich verstanden.

  • J
    Jan

    Also nach der Definition des marktes halte ich nichts auf mich, denn weder habe ich dsa Bedürfnis eine App zu kreieren, noch mir irgendwas von Apple zuzulegen.

    Hier wird doch mal wieder das gesunde Maß dem Wachstumsdruck der Konzerne geopfert. Ade du schöne ruhige Welt.

  • S
    Stoltenberg

    Die sinkende Bereitschaft von Staat & Bürgern, in Bildung zu investieren, ruft natürlich die Unternehmen auf den Plan. Und die verfolgen eben bei der Bildung noch andere, kommerzielle Interessen. Apple kann man den Vorwurf also nur begrenzt machen. Die so genannte Bildungsmarkt existiert nur, weil der Staat sich aus diesem Bereich immer weiter zurückzieht.

  • NH
    Nils Heinsson

    Ich hoffe doch sehr, das deutsche Schulbuchhersteller darauf verzichten werden, Apple als Standard für deutsche Klassenzimmer zu unterstützen. Apple erhält 30% auf jede App, jede Veröffentlichung, jedes Abo und muss nicht viel dafür tun, weil die Benutzung auf anderen Geräten ausgeschlossen wird.

     

    Ein zwingender Einsatz von Tablets im Klassenzimmer sollte nur auf offenen Systemen erfolgen, für die jeder Hersteller Anwendungen und Geräte entwickeln und Inhalte anbieten darf, ohne sich dabei selbst durch Ausschließlichkeitsvereinbarungen zum abhängigen Content-Sklaven eines amerikanischen Großkonzerns zu machen (zum Beispiel Android).

  • SG
    Sven Geggus

    Um das IT Know-How zu fördern ist das iPad die denkbar schlechteste Plattform überhaupt. Darf man darauf doch lediglich Software von Apples Gnaden installieren und Kreativität werden enge Grenzen gesetzt.

     

    Zeitgleich zu diesem iPad an Schulen Hype wurde auch ein sehr viel interessanterer Computer vorgestellt, der Raspberry Pi:

    http://www.raspberrypi.org/

  • AJ
    Andreas J

    Super, dann kontolliert ein US-Konzern über sein App-Store die Unterrichtsmaterialien unserer Kinder. Gibts schon ein Kreationismus-App? Mit nem trendigen Techikspielzeug die Kids heiß machen und danach Hirnwäsche!