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BUCHHANDELGleiche Kette, ungleicher Lohn

Die Thalia-Tochter Grüttefien zahlt - anders als die Konzernmutter - "sittenwidrige Dumpinglöhne", klagt Ver.di. Die Firma findet den Vergleich "irreführend"

Aus Sicht der KundInnen gibt es zwischen den Thalia-Filialen kaum Unterschiede Bild: dpa

Rein äußerlich, also: in den Buchhandlungen, gibt es keinen Unterschied. Und doch: Thalia ist nicht gleich Thalia, gerade in Bremen. Jedenfalls nicht für die BuchhändlerInnen, die dort arbeiten. Denn die einen werden nach Tarif bezahlt – und die anderen nicht. Macht einen Unterschied von über 40 Prozent und monatlich bis zu 800 Euro, sagt Richard Schmid von der Gewerkschaft Ver.di. Er spricht von „sittenwidrigen Dumpinglöhnen“ bei der Thalia-Tochter Grüttefien, zu der allein in Bremen sieben Läden gehören. Insgesamt gibt es in Bremen und Niedersachsen 30 Thalia-Häuser. 19 davon gehören zur Grüttefien GmbH, an der Thalia seit 2006 eine Mehrheitsbeteiligung hat.

Wer dort arbeitet – als ausgebildeteR BuchhändlerIn mit mehreren Jahren Berufserfahrung – verdient nach Angaben von Ver.di zwischen 7,20 und 8,90 Euro in der Stunde. „Das ist eine Sauerei“, sagt Schmid. Denn laut Tarifvertrag müssten es immerhin 13,52 Euro sein. Und selbst das sei „gerade mal so angemessen“, sagt Schmid, schließlich sei der Job „sehr beratungsintensiv“ und verlange „enormes Fachwissen“, vielfach werde Abitur vorausgesetzt. BerufsanfängerInnen bei Grüttefien bekämen dennoch nur 1.250 Euro brutto für 40 Stunden Arbeit. Der Tarifvertrag sieht dagegen 1.700 Euro für 37,5 Stunden vor. Und Zulagen von 20 Prozent ab 18.30 Uhr, ab 20 Uhr wären es sogar 50 Prozent. Doch bei Grüttefien müssen sie darauf verzichten, ebenso auf einen Betriebsrat. Thalia hat einen. In Bremen ist er für die beiden Innenstadt-Filialen und jene im Rolandcenter zuständig, die anderen, meist in großen Einkaufszentren angesiedelten Läden, gehören zu Grüttefien.

Eine von deren MitarbeiterInnen, die aber nicht genannt werden will, sagt: „Am Ende des Monats weiß ich oft nicht, wovon ich essen kaufen soll.“ Das Grüttefien schlecht zahlt – das habe sie schon gewusst, bevor sie dort vor ein paar Jahren anfing. Doch hoffte sie nach der Übernahme durch Thalia auf eine Angleichung an deren Gehaltsniveau. Vergebens.

In der Firmenzentrale von Thalia findet man den Vergleich der Mutter- mit der Tochterfirma „irreführend“ und „nicht sinnvoll“ – weil Grüttefien „von jeher nicht an den Tarif gebunden“ und auch sonst „nicht direkt mit anderen Vertriebsgesellschaften in der Thalia Gruppe vergleichbar“ sei. Ansonsten will man die gegenwärtigen Protestaktionen von Ver.di aber „nicht kommentieren“. Bei Grüttefien selbst will man sich gar nicht äußern.

Die kleine Buchhandelsgruppe aus Varel mit etwa 250 Beschäftigten sei kein Einzelfall, so Schmid. Zwar werde nach Tarifvertrag bezahlt, wer etwa bei der Büchergilde arbeite. Doch gerade kleinere Sortimentsbuchhandlungen arbeiteten mit „sehr hoher Selbstausbeutung“.

Doch auch bei Thalia ist die Zukunft unklar. Seit Wochen schon wird über einen möglichen Verkauf und Filialschließungen spekuliert. Der Konzern hat kürzlich „Restrukturierungen“ angekündigt, weil KundInnen zunehmend ins Internet abwanderten. Zwar werde es auch in 20 Jahren noch Buchhandlungen geben, sagte Vorstandschef Henning Kreke. Sie würden aber „immer kleiner“, „intimer“. Im großen Thalia-Laden in der Obernstraße hegt man bislang jedoch „keine große Furcht“, so Filialleiter Volker Stuhldreher.

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6 Kommentare

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  • B
    Bibliomane

    Die Lohnpolitik, die der Artikel aufzeigt, ist aber nicht nur bei Grüttefien im Norden gängig, sondern betrifft nahezu alle Thalia-Töchter, z. B. auch die ursprünglichen Gondrom Filialen.

    Dortige Mitarbeiter erhalten ebenfalls rund 30 bis 40 Prozent weniger als ihre Arbeitskollegen in normalen Thalia Filialen? bei gleicher Stundenzahl, gleicher Tätigkeit und absolut gleicher Qualifikation. Das heißt zum einen, dass bei weitem nicht 99 % der Thalia-Angestellten Tariflohn beziehen. Zum anderen kann es zwar sein, dass Buchhändler in kleineren Unternehmen - aufgrund der

    niedrigeren Gewinnspanne - etwas weniger verdienen. Sobald Thalia aber als Muttergesellschaft auftritt, sollten keine Gehaltsunterschiede mehr existieren. Die Mitarbeiter von Gondrom, Grüttenfien & Co. arbeiten ebenso viel und engagiert wie ihre Kollegen für Thalia, damit der Konzern weiterhin Marktführer bleibt. Leider weiß der Konzern das offensichtlich nicht zu schätzen und ist damit zum Teil selbst an der schlechten Stimmung dieser Mitarbeiter schuld. (Finanzielle) Motivation sieht anders aus!

  • B
    Buchhändler

    Ich bin gelernter Buchhändler. Kaum eine kleine Buchhandlung ist in einen Tarifvertrag eingebunden und auch mein Gehalt liegt weit unter jeglichen tariflichen Vereinbarungen. Ein Preis, den man als Buchhändler zahlen muss, da die Gewinnspanne einfach miserabel ist. Das machen sich die wenigsten klar. Und das ist auch nichts Neues. Das Thalia die Grüttefien-Gehälter nicht angepasst hat, ist bedenklich und nicht in Ordnung, aus unternehmerischer Sicht aber durchaus verständlich. Ich bezweifle, dass Grüttefien vor dem Anschluss ans Douglasimperium andere Löhne gezahlt hat. Selbstverständlich bin ich für höhere Gehälter, da unsere Arbeit auch weit mehr wert ist. Die kleinen können es sich schlicht nicht leisten und die Großen mittlerweile eigentlich auch nicht mehr, wie man an zahlreichen Kündigungswellen und Schließungen bei zum Beispiel Hugendubel sieht.

    Und das Solidaritätsgehalt bei der taz, auf das mein Vorredner wahrscheinlich anspielt, hat ja bekanntermaßen völlig andere Gründe.

  • S
    Schupfnudel

    Mit Selbstausbeutung kennt sich die Taz ja fast so gut aus wie die kleinen Buchhändler, die eben nicht wie Thalia-Mitarbeiter zu 99% Tariflohn bekommen...

  • B
    Bibliomane

    Die Lohnpolitik, die der Artikel aufzeigt, ist aber nicht nur bei Grüttefien im Norden gängig, sondern betrifft nahezu alle Thalia-Töchter, z. B. auch die ursprünglichen Gondrom Filialen.

    Dortige Mitarbeiter erhalten ebenfalls rund 30 bis 40 Prozent weniger als ihre Arbeitskollegen in normalen Thalia Filialen? bei gleicher Stundenzahl, gleicher Tätigkeit und absolut gleicher Qualifikation. Das heißt zum einen, dass bei weitem nicht 99 % der Thalia-Angestellten Tariflohn beziehen. Zum anderen kann es zwar sein, dass Buchhändler in kleineren Unternehmen - aufgrund der

    niedrigeren Gewinnspanne - etwas weniger verdienen. Sobald Thalia aber als Muttergesellschaft auftritt, sollten keine Gehaltsunterschiede mehr existieren. Die Mitarbeiter von Gondrom, Grüttenfien & Co. arbeiten ebenso viel und engagiert wie ihre Kollegen für Thalia, damit der Konzern weiterhin Marktführer bleibt. Leider weiß der Konzern das offensichtlich nicht zu schätzen und ist damit zum Teil selbst an der schlechten Stimmung dieser Mitarbeiter schuld. (Finanzielle) Motivation sieht anders aus!

  • B
    Buchhändler

    Ich bin gelernter Buchhändler. Kaum eine kleine Buchhandlung ist in einen Tarifvertrag eingebunden und auch mein Gehalt liegt weit unter jeglichen tariflichen Vereinbarungen. Ein Preis, den man als Buchhändler zahlen muss, da die Gewinnspanne einfach miserabel ist. Das machen sich die wenigsten klar. Und das ist auch nichts Neues. Das Thalia die Grüttefien-Gehälter nicht angepasst hat, ist bedenklich und nicht in Ordnung, aus unternehmerischer Sicht aber durchaus verständlich. Ich bezweifle, dass Grüttefien vor dem Anschluss ans Douglasimperium andere Löhne gezahlt hat. Selbstverständlich bin ich für höhere Gehälter, da unsere Arbeit auch weit mehr wert ist. Die kleinen können es sich schlicht nicht leisten und die Großen mittlerweile eigentlich auch nicht mehr, wie man an zahlreichen Kündigungswellen und Schließungen bei zum Beispiel Hugendubel sieht.

    Und das Solidaritätsgehalt bei der taz, auf das mein Vorredner wahrscheinlich anspielt, hat ja bekanntermaßen völlig andere Gründe.

  • S
    Schupfnudel

    Mit Selbstausbeutung kennt sich die Taz ja fast so gut aus wie die kleinen Buchhändler, die eben nicht wie Thalia-Mitarbeiter zu 99% Tariflohn bekommen...