CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl und das Netz: „Ich habe lang E-Mails ausgedruckt“
Früher konnte Dagmar Wöhrl wenig mit dem Internet anfangen. Doch inzwischen nutzt sie es als Gegenöffentlichkeit, wenn sie sich von Medien ungerecht behandelt fühlt.
taz: Im Spiegel der vergangenen Woche ist ein Artikel über Sie veröffentlicht worden, der fand, Sie hätten sich auf einer Reise durch Myanmar und Laos „zum Fremdschämen“ benommen. Sie haben noch vor Veröffentlichung reagiert und in Ihrem Blog sehr detailliert Stellung bezogen. In der Form haben Politiker das Netz bisher selten genutzt.
Wöhrl: Als die Fragen des Spiegel gegen 21 Uhr letzten Donnerstag in meinem Büro eintrafen, wurde mir schnell klar, in welche Richtung diese Berichterstattung gehen sollte. Früher wäre für mich die einzige Möglichkeit gewesen, im Nachhinein eine Gegendarstellung zu verlangen. Aber kennen Sie jemanden, der jemals eine Richtigstellung gelesen hat? Das Kind ist dann normalerweise schon in den Brunnen gefallen.
Jetzt habe ich die Möglichkeit, meinen eigenen Standpunkt zu publizieren. Also habe ich mich entschieden, Transparenz und Offenheit zu schaffen und alle Informationen und Dokumente in diesem Zusammenhang auf meiner Homepage zu veröffentlichen. So kann sich jeder einen Eindruck machen, welche Fragen mir gestellt wurden und was für ein Artikel dann daraus wurde.
Nach der Veröffentlichung nahmen Sie noch ein zweites Mal Stellung...
Als ich dann am Sonntag online den Artikel las, war ich schon überrascht, dass meine Antworten so gut wie keine Berücksichtigung in einem Artikel gefunden haben, der sich ausschließlich mit meiner Person beschäftigt. Es schien, als wäre ein Urteil gefällt worden, bevor die Angeklagte gehört wurde. Besonders interessant ist, dass bei den meisten „Begebenheiten“, über die so detailreich und schillernd berichtet wird, keine Journalisten anwesend waren.
Dagmar Wöhrl, 57, ist im Präsidium der CSU und im Bundestag Vorsitzende des Entwicklungsausschusses. Seit dem Bundestagswahlkampf 2009 twittert sie unter @dWoehrl.
Es gab viel Zuspruch für Sie auf Blogs und bei Twitter. Hat Sie die Unterstützung überrascht?
Auf jeden Fall. Ich bin schon ein gewisses Risiko eingegangen, ich hatte keine Ahnung, wie die Menschen reagieren würden. Es gibt dazu ja noch nicht wirklich Erfahrungswerte. Bis jetzt wurden Politiker von Wellen aus dem Netz meistens an Land und aus der Politik gespült. Ich hatte nun das Glück, für ein paar Tage auf einer Welle reiten zu dürfen und wie Sie sehen, schwimme ich noch in Berlin. Ein Follower bei Twitter schrieb mir, dass dies kein Shitstorm sei, sondern ein Flauschstorm (#hach).
Sie haben mal von sich gesagt, nicht von Anfang an online-affin gewesen zu sein, und dass Sie Ihre Öffnung gegenüber dem Internet vor allem einem verdanken: Twitter. Warum?
Ich bin relativ spät digitalisiert worden und gebe auch zu, dass ich lange zu den Menschen gehörte, die Emails ausdruckten. Dann hatte ich mir ein Smartphone besorgt und damit begann auch das Twittern. Langsam und mit Neugier habe ich Twitter für mich entdeckt und so tolle Menschen kennengelernt, auch oder vor allem über Parteigrenzen hinweg, mit denen ich wohl sonst nie in Kontakt gekommen wäre. Ich kann bei Twitter keine Grundsatzrede halten, aber es schadet nicht, auch für mich selbst, den Kern einer Botschaft herauszuarbeiten.
Wie hat Ihre Präsenz online Ihre politische Arbeit verändert?
Eigentlich fast nur positiv. Ich bekomme viel schneller direktes Feedback, aber auch Kritik. Ich kann bei Recherchen für meine politische Arbeit schnell an Informationen kommen und so von überall aus arbeiten. Da meine Follower und Facebook-Freunde über alle Parteien verstreut sind, bekomme ich meist ein ganz gutes Gespür für die Stimmung und Meinungen zu bestimmten Themen. Das wäre früher in der Form nicht möglich gewesen. Wir sind inzwischen ein gutes Team.
Social Media kann auch zu einer besseren, schnelleren und vor allem differenzierteren Meinungsbildung beitragen, allerdings führen die neuen Kommunikationsmittel auch zu einer Verdichtung und Beschleunigung des politischen Alltags. Man muss schneller reagieren. Da kommt es auch mal zu Fehlern, muss man dann halt selbst für Entschleunigung sorgen.
Ihr Parteifreund Ansgar Heveling hat der „Netzgemeinde“ den Krieg erklärt. Fühlen Sie sich mit angegriffen?
(Wöhrl lacht) Sagen wir es so: Ich habe mich insoweit angegriffen gefühlt, dass ich es für geboten hielt, mir einmal in einem Kommentar grundlegende Gedanken zu meiner Beziehung, dem Verhältnis von CDU und CSU und der Politik im Allgemeinen zum Netz zu machen. Der digitale Bruch in unserer Gesellschaft geht quer durch die Bevölkerung und alle Altersgruppen. Aber wie immer im Leben hilft es wenig, Vorurteile zu bedienen.
Ich weiß, es ist oft schwieriger den Blick einmal über den Tellerrand zu werfen, aber nach all meinen Jahren in der Politik weiß ich, dass es dort in der Regel viel zu entdecken gibt. Ich würde mir einfach wünschen, dass wir uns mit Neugier, Offenheit und ohne Vorurteile des Neuen annehmen.
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