: Gebühren erregen Wut
Ausschreitungen bei Demo gegen Bezahlstudium. Uni-AStA, Opposition und Gewerkschaften bekräftigen Ablehnung von Studiengebühren
von Eva Weikert
Mehrere tausend Studierende haben gestern gegen die am Vortag von Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) vorgestellten Pläne zur Einführung von Studiengebühren demonstriert. Mit Pfeifen und Transparenten zogen am Nachmittag laut Polizei rund 2.240 Protestler durch die Innenstadt. Die ASten aller staatlichen Hochschulen hatten zu der Demo aufgerufen. Sprechchöre skandierten „Bildung für alle und zwar umsonst“. Auf Bannern wurde „Haspa raus aus dem Hochschulrat“ gefordert und „Reiche Eltern für alle“.
Etwa 300 Polizisten waren im Einsatz. Als ein Teil der Demonstranten auf den Rathausmarkt „drängte“, so ein Polizeisprecher, schlugen die Beamten mit Schlagstöcken auf sie ein. Nahe den Große Bleichen kesselte die Polizei nach Angaben von Teilnehmern vorübergehend rund 200 Studenten ein, als diese der abgeänderten Demo-Route nicht folgten. Flüchtende seien mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Fäusten „traktiert“ worden, so ein Augenzeuge. Laut Polizei wurden zwei Beamte verletzt, Zahlen über verletzte Demonstranten lagen ihr nicht vor. Eine Person sei wegen Körperverletzung festgenommen worden.
Am Morgen hatte der Uni-AStA seine Ablehnung des Bezahlstudiums bekräftigt. Gebühren seien „der falsche Weg“, so die Vorsitzende Jana Schumacher. Bereits heute schaffe nur ein Drittel der „Arbeiterkinder“ den Weg in die Uni. Wegen der drohenden Verschuldung durch Gebühren würden sozial Schwache künftig noch stärker abgeschreckt. Konkret kritisierte der AStA an Drägers Gesetzentwurf, dass Bafög-Empfänger nicht von der 500-Euro-Gebühr befreit werden sollen. Auch müsse die Novelle, die zwar Erlasse für besonders belastete Studenten erlaubt, solche Härtefälle festlegen, statt dies den Lehrstätten zu überlassen. Diese befänden sich aufgrund ihrer leeren Kassen im Interessenkonflikt.
Das von Uni-Chef Jürgen Lüthje per Presseerklärung erneuerte Angebot an den AStA, einen Vertrag über die studentische Beteiligung an Entscheidungen über die Verwendung von Gebühren abzuschließen, ist aus Sicht des AStA „nicht ernsthaft“. Lüthje habe die Offerte bisher nur in der Presse geäußert, so Referent Stefan Kühn: „Es geht ihm nicht um Beteiligung, sondern nur darum, von der Debatte abzulenken, dass Gebühren sozial ungerecht sind.“ Der AStA fordere ein einklagbares Recht auf eine Leistung für die Gebühr: die Garantie, dass ein Studium in der Regelstudienzeit zu schaffen ist. Dies sei zurzeit an der Uni unmöglich wegen „katastrophaler Studienbedingungen“.
Der AStA kündigte massive Proteste gegen das Gebührengesetz an, um es noch zu kippen. Für Freitag rufen die ASten der norddeutschen Hochschulen zu einer Demo in Bremen auf. Mittwoch nächster Woche soll eine Vollversammlung der Hamburger Uni über Streik abstimmen.
Der Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Proteste und forderte die Rücknahme der Gebührenpläne. In Reaktion auf Drägers Worte, das Bezahlstudium sei „sozial gerechter“ als gebührenfreie Bildung, sagte Hamburgs DGB-Chef Erhard Pumm: „Wer bei zusätzlichen finanziellen Belastungen von sozialer Gerechtigkeit spricht, scheint das für die meisten Studierenden jetzt schon anstrengende Leben zwischen Prüfungen, Jobs und Suche nach bezahlbarer Unterkunft nicht zu kennen.“
Die Aussage des Senators, mit Gebühren würden mehr Kinder aus armen Schichten studieren, sei nicht zu belegen, rügte die GAL. „Das Problem ist, dass Kinder aus einkommensschwachen Schichten schon kein Abi machen“, so GALierin Heike Opitz. Der Senat aber lege die Hürde für diese Kinder noch höher.
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