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Chancen im deutschen Bildungssystem„Du und Medizin studieren? Niemals!“

Zwischen den Bundesländern gibt es extreme Unterschiede bei der Förderung von Kindern. Politiker und Nachwuchsakademiker diskutieren, wie man mehr Gerechtigkeit schafft.

Sitzenbleiber statt gleiche Förderung für alle Kinder. Bild: stop-sells / photocase.com

BERLIN taz | Nach der Veröffentlichung des ersten bundesweiten Chancenspiegels diskutieren Politiker, Verbände und Gewerkschaften kontrovers über den Reformbedarf im föderalen Schulsystem. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sieht den Schwenk der rot-grünen Koalition hin zu einem zweigliedrigen Schulsystem untermauert: „Die Ergebnisse bestätigen einmal mehr unseren Weg, für ein sozial gerechtes Schulsystem zu sorgen.“ Auch die Berliner Schulsenatorin Sandra Scheeres glaubt Berlin auf dem richtigen Kurs, seitdem sich das Land von der Hauptschule verabschiedet hat: "Die Studie bestätigt in vielen Punkten den Weg, den Berlin mit der Schulstruktur und seinem zweigliedrigen Schulsystem eingeschlagen hat."

Dagegen verteidigt Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) die traditionell mehrgliedrige bayerische Schullandschaft: „Unterricht und Schule in Bayern vermitteln bestmöglich Kompetenzen an die jungen Menschen.“

Der am Montag veröffentlichte Chancenspiegel vergleicht die Schulsysteme der Bundesländer hinsichtlich Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit. Das Instituts für Schulentwicklungsforschung in Dortmund, das die Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellte, konstatierte dabei extreme Unterschiede zwischen den Ländern.

Die Leseleistungen der Schüler einer Klassenstufe variieren bundesweit um bis zu zwei Schuljahre. Die Chancen für Kinder aus besseren Schichten, ein Gymnasium zu besuchen, sind je nach Bundesland zwei- (Berlin) bis siebenmal (Bayern) so hoch wie aus ärmeren Familien. Vor allem zeigt der Spiegel aber, dass Schüler überall bevorzugt nach unten durchgereicht werden. So kommen etwa in Berlin auf einen Schüler, der es auf eine höhere Schulform schafft, 14 Absteiger, die auf eine „niedrigere“ Schulform wechseln. Im Bundesdurchschnitt beträgt das Verhältnis eins zu vier.

Abschaffung des Kooperationsverbots als Lösung?

Der deutsche Lehrerverband, der Gymnasien, Realschulen, berufliche und Wirtschaftsschulen vertritt, winkt ab: „Das ist Alarmismus auf der Basis unzureichender Datensätze.“ Die Studie wärme Pisa-Daten auf, die längst diskutiert wurden, meint Verbandspräsident Josef Kraus. Die Vizevorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Marianne Demmer, fordert hingegen, den Blick stärker auf Gerechtigkeit zu richten: „Statt auf Vergleichsarbeiten zu setzen, hätten die Kultusminister eine Strategie für mehr Gerechtigkeit entwickeln können.“

Die SPD-Arbeitsgruppe für Bildung und Forschung im Bundestag fordert als Konsequenz aus dem Chancenspiegel die radikale Abschaffung des sogenannten Kooperationsverbots in der Bildung und lehnt die von der schwarz-gelben Koalition geplante Änderung des Grundgesetzes ausschließlich für den Hochschulbereich ab.

Unterdessen fordert eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern und angehenden Akademikern eine Revolution der Schulsysteme. „Es genügt nicht, an einzelnen Schrauben zu drehen und etwa ein Zentralabitur einzuführen“, sagt Bettina Malter, Studienstipendiatin der Friedrich-Ebert Stiftung. Malter und Gleichgesinnte wollen mit ihrem Buch „Was bildet ihr uns ein? Eine Generation fordert die Bildungsrevolution“ die Politiker aufrütteln.

Für das im Mai erscheinende Buch hat die Gruppe auch ehemalige Berliner Hauptschüler interviewt. Ihr Fazit deckt sich mit den Ergebnissen des Bertelsmann-Chancenspiegels: Vom Aufstieg durch Bildung kann in Deutschland nicht die Rede sein. Stattdessen würden Schülern früh Stempel aufgedrückt. Ein Schüler berichtet: „Eine Schülerin hatte in der Klasse mal gesagt, dass sie Medizin studieren möchte. Dann wurde sie vom Lehrer total fertig gemacht: ’Du und Medizin studieren? Du schaffst das niemals‘.“ Die Nachwuchsakademiker um Malter, darunter die Gründerin von Arbeiterkind.de, Katja Urbatsch, plädieren dafür, Auslese und Noten auf den Prüfstand zu stellen.

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20 Kommentare

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  • S
    Sophie

    @Conny

     

    Natürlich können Schule und Staat nicht alles abfangen. Aber man kann Elemente abschaffen, die offensichtlich ein Ungleichgewicht fördern. Ich denke an einfache Mittel wie Hausaufgabenbetreuung. Nach sieben Schulstunden (und das ist normal in den G8 Klassen) können sich wohl die wenigsten 10- bis 15- Jährigen motivieren sich, ohne Unterstützung oder Druck der Eltern, nochmal an den Schreibtisch zu setzen.

    Die meisten Lehrer (zumindest am Gymnasium) geben aber aufgrund der vollen Stundenpläne ein immenses Hausaufgabenpensum auf, das die Schüler eigentlich nur mit Unterstützung der Eltern leisten können.

    In meiner Schule wurde während meiner Oberstufenzeit eine freiwillige Hausaufgabenbetreuung durch Oberstufenschüler von Seiten des Fördervereins finanziert. Damit wurde insbesondere Kindern mit erwerbstätigen Eltern und solchen mit Migrationshintergrund ein Rahmen gegeben, mit Unterstützung Haufaufgaben zu machen und zu lernen.

    Nicht das non-plus-ultra - aber ein Anfang.

  • NG
    [Name Gelöscht]

    @Mama:

     

    Ihr moralisches und wirtschaftliches Interesse in allen Ehren, aber wie wollen Sie das denn umsetzen? Die von Ihnen angesprochenen Benachteiligungen entstehen doch im Elternhaus bzw. im sozialen Umfeld und nicht in der Schule. Wie soll denn die Schule ein aus dem sozialen Umfeld resultierendes Selbstbild ("ich habe ja sowieso keine Chance") und eine daraus resultierende fehlende Motivation kompensieren? Das müsste ja bereits in den Kinderschuhen anfangen, diese Vorstellung ist doch utopisch. Und was wären sonstige Maßnahmen? Soll man unwilligen bzw. uninteressierten Eltern beispielsweise Nachilfeunterricht für ihre Kinder aufzwingen, damit ihre Kinder eine Chance haben? Fördermaßnahmen in der Schule sind nun mal nur in einem begrenzten Umfang durchführbar und können nicht alles auffangen. Da ist auch das Elternhaus gefragt.

     

    Und was sind in Ihren Augen überhaupt "schlechte Eltern"? Das sind ja nun nicht nur per se ALG-II-Empfänger, von denen ganz viele trotz begrenzter finanzieller Möglichkeiten ihre Kinder so weit wie möglich fördern und es auch schaffen, sie zu motivieren. Ich könnte es jetzt auch auf die Spitze treiben und sagen, die Akademikereltern sind schlechte Eltern, die ihre Kinder ständig zu Höchstleistungen antreiben und sie mit unnötigen Fördermaßnahmen überschütten und damit unter Druck setzen, das macht nämlich auch etwas mit den Kindern und wirkt sich ganz sicherlich nicht förderlich auf die Leistungsfähigkeit aus. Müsste jetzt Schule nicht im Sinne der Chancengleichheit auch diese durch das Elternhaus gemachten Probleme auffangen? Denn prinzipiell können auch aus diesen Kindern aufgrund von Überforderung und fehlender Motivation "Versager" entstehen, wie sie es so schön ausdrücken. Wo ist hier der Anfang und wo das Ende?

     

    Auch wenn jetzt gleich ein Aufschrei des Entsetzens kommt und mich wahrscheinlich alle steinigen wollen: ich bin der Meinung, Schule und Staat können nicht alles auffangen und es ist auch nicht ihre Aufgabe.

  • A
    Arbeitertochter

    @Leopold

     

    Ich bilde mir meine Meinung nicht mit Hilfe von Blöd-Zeitung oder Trash-Tv.

     

    Das wirkliche Leben ist doch sehr viel komplexer als uns solche Meinungsmacher verkaufen möchten.

     

    Ich empfehle Ihnen, der sie ja Bildung einen hohen Stellenwert einräumen, das Buch "La misère du monde" von Pierre Bourdieu.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Elend_der_Welt

  • L
    Leopold

    @Arbeitertochter

     

    Wenn sie gestern Frauentausch gesehen hätten, wüßten sie, von welchen HArz4-Eltern wir hier sprechen. Die Kinder bekamen kein Obst, hatten keine Schlafsachen und wurden zusammen mit den erwerbslosen Eltern vor der Glotze geparkt. Das ist es auch, was Neukölns Bürgermeister Buschkowsky aus seinem Stadtteil berichtet, Kinder die verwarlost sind und mit 6 Jahren weder richtig sprechen noch sich normal motorisch bewegen können. Und es sind bei Leibe nicht nur Migrantenfamilien, sondern wie beim Frauentausch deutsche Unterschicht-Familien. Aufgrund der hohen Fertilität wächst die Schicht von Dummen und Zurückgebliebenen, ohne das Schule etwas daran ändern kann, wie auch, es müßte eine 24h Schule von der Zeugung an sein.

     

    Das ihre Eltern, beide erwerbstätig, keine 6 Kinder damit ernähren konnten und Harz4 dazu bekamen, ist etwas völlig anderes. Ihre Eltern war mit so vielen Kindern schlicht überfordert.

  • L
    Lena

    @Jan Engelstädter

    Ihr Paradebeispiel bildet eh eine Ausnahme als Regel. Zumal Ernst Moritz Arndt seine Ausbildung noch vor der preussischen Reform erhalten haben durfte. Dank Geld seines ehrgeizigen Vaters.

    In Sachen erfolglose/reiche Schulsysteme: Wieso schauen Sie nicht Richtung Finnland? Die niedrigste Analphabetenrate weltweit, sehr hohes allgemeines Bildungsniveau, kaum Versager. Was die sagenhaften Erfolge in Japan und Co angeht, sie sind wohl doch nicht so sagenhaft, wenn man den Aufwand und das Ergebnis in Relation stellt. Und kommen Sie mir bitte nicht mit "ohne Fleiss kein Preis". Zwischen Spass und Schweiss gibt es auch einen Mittelweg der zum Erfolg führt. Ich kann es behaupten, weil ich das Glück hatte, nicht in Deutschland die allgemeinbildende Schule zu besuchen. Nun habe ich zwei Kinder, die beiden sind Gymnasiasten in Deutschland, und kann Ihnen sagen: Zum Teufel mit dem mehrgliedrigen System. Eine Gesamtschule für alle, Standardlehrpläne bundesweit, schriftliche Aufnahmeprüfungen für Hochschulen. Es funktioniert und zwar sehr gut. Falls der Verdacht der Gleichmacherei aufkommen soll: individueller Unterricht ist auch an einer Gesamtschule möglich.

    Bremen und Berlin sind vorerst gescheitert, weil sie nicht eine echte Reform, sondern nur halbherziges Reförmchen versuchen, s. o.

  • A
    Arbeitertochter

    @Leopold

     

    Harz-4 Eltern sind doch keine schlechtere Eltern, sie lieben ihre Kinder wie andere Eltern auch.

     

    Sie haben einfach mehr unter Ausgrenzung und Demütigungen zu leiden. Dieses Leid setzt sich z.t über Generationen fort und erzeugt eigene Subkulturen.

     

    Als Arbeiterkind (gefördert wg. Sputnikhock in den 70ern)

    habe ich diese Lebenswelt erfahren. Als 6tes und jüngstes Kind hatten meine Eltern (beide voll erwerbstätig) keine Zeit und einfach keine Nerven mit mir zu lernen. Anfang der 2.Klasse sollte ich auf eine Sonderschule. Ich wurde zum Fürsorgefall, getestet, untersucht ob es Missbrauchsspuren gab. Niemand kann sich vorstellen wie ich mich dabei fühlte. Meine Mutter war verzweifelt, mein Vater schweigsam und bedrückt, meine 5 älteren Brüder erklärten mich als zurückgeblieben und dann war da ein Amtsarzt, der meiner Mutter sagte, dass mit ihrer Tochter alles in Ordnung wäre und sie jeden Beruf ihrer Wahl eines Tages ausüben könne, auch studieren und sie solle sich niemals mehr sagen lassen ihre Tochter sei dumm und schleunigst dafür sorgen dass sie die Schule wechsle.

     

    Dies war die Wende. Meine Mutter sorgte für einen Klassenwechsel und übte mit mir Lesen. Den Übertritt ins Gymnasium schaffte ich in der 4.ten mühelos. Rückblickend sehe ich meine damalige klassizistische Klassenlehrerin als das Problem.

     

    Geblieben ist ein gesundes Misstrauen gegen Lehrer, die oft genug Schüler wegen rassistischer und klassizistischer Dünkel demütigen.

     

    Meine Kinder mussten nie unter diesem Dünkel leiden, denn als Familie gehören wir zur Bildungsschicht, aber im Grunde hat sich in den Köpfen vieler Lehrer nichts verändert und Überforderung, mangelndes Einfühlungsvermögen und Vorurteile sorgen noch heute ( wohl mehr denn je) für Schulversager und Schulverweigerer.

     

    Noch heute sehe ich vor mir, wie ich, in Hemdchen und Unterhose frierend, in einem Büro des Oberschulamts auf jenen Amtsarzt wartete. Meine Mutter schluchzte und konnte sich einfach nicht beruhigen. Ich fühlte mich so schuldig und unwert. Ich war damals noch nicht einmal sieben und wollte wie alle Kinder nur eine Mama, die stolz auf ihre Tochter ist.

     

    Wenn wir den Dünkel in den Köpfen nicht besiegen und ächten, werden wir nie Bildungsgerechtigkeit erziehlen.

  • L
    Leopold

    @Mama

     

    Von wem lernen Harz4-Kinder, dass Lernen keinen Sinn macht? Von ihren Eltern? Den Akademikerkindern? Den LehrerInnen?

     

    Das glaube ich nicht, wer Potential für Intelligenz und Leistung hat, kann dieses sehr wohl auch heute umsetzen. Das Problem ist, dass die Harzer4-Kinder kaum Potential haben, da sie nach den Eltern kommen, von denen die meißten schlicht die negative Auslese der Wissensgesellschaft sind.

  • M
    Mama

    Sorry Conny, aber ein Kind "reicher" Eltern wird zur Nachhilfe geschickt oft noch bevor überhaupt ein Bedarf da ist, das 4. oder 5. Kind einer "bildungsfernen" alleinerziehenden von ALGII lebenden Mutter kann auf Antrag (den niemand stellen wird, weil sich keiner dafür interessiert) eine zusätzliche Förderung bekommen, wenn die Versetzung akut gefährdet ist, d.h. wenn alles schon zu spät ist.

     

    Nicht mangelnde Begabung ist das Problem sondern fehlende Motivation. Die Kinder lernen vom 1. Tag an : Ich habe ja sowieso keine Chance. wie sollten sie da auf die Idee kommen, sich anzustrengen, Leistungen zu erbringen, die im Gegensatz dazu von Akademikereltern oft ganz selbstverständlich von ihren Kindeern eingefordert werden?

     

    Genau deshalb muß Schule endlich anders werden! Wir können es uns schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten Kinder zu Versagern auszubilden, von der moralischen Verantwortung mal ganz zu schweigen.

     

    Chancengleichheit heißt schließlich nicht, daß Faulpelze zum Chefarztposten getragen werden, sondern daß Kinder trotz schlechter Eltern eine faire Chance bekommen sich Wissen anzueignen und ihr Leben aktiv zu gestalten.

  • JE
    Jan Engelstädter

    @ Lena:

     

    Zitat:

    "Vergessen wir nicht, dass es in Preußen als Auslesemechanismus entstanden ist, um für die wirtschaftliche und politische Entwicklung notwendige allgemeine Bildung für jeden zu ermöglichen, gleichzeitig aber den sozialen Aufstieg der Kinder aus sogenannten niederen Schichten zu verhindern."

    Falsch! Bildung war auch schon damals der Schlüssel zum sozialen Aufstieg. Paradebeispiel, weil der Name allgemein bekannt ist, kann die Familie Arndt sein:

    Der Großvater noch leibeigener Viehhirte, der Vater zum Schluss Gutsinspektor und der Sohn Ernst Moritz Professor.

     

    Zitat:

    "Es sind andere Zeiten und sie stellen ganz andere Anforderungen an die Schule als einen hörigen Untertanen mit starrem Tunnelblick zu formen."

    Vermutlich deswegen sind die Bildungssysteme zwischen Japan und Singapur so erfolglos und Deutschland (speziell Bremen und Berlin) so erfolgreich)? Wie abgehoben von der Realität muss man sein, um zu einer solchen Schlussfolgerung zu kommen?

     

     

    @ Mauermer:

    Volle Zustimmung meinerseits!

  • NG
    [Name Gelöscht]

    Mir fehlt die Aussage, worin denn die angeblich ChancenUNgleichheit bestehen soll.

     

    Ich habe bisher noch nicht die Erfahrung gemacht, dass Schüler nur aufgrund ihrer sozialen Herkunft bevorzugt wurden oder die besseren Chancen hatten, eher auf das Gymnasium konnten etc. Wie "Mauermer" schon geschrieben hat, ist der soziale Status der Familie in der Schule doch gar nicht umfangreich bekannt und muss es auch nicht.

     

    Sofern ein Kind über die notwendigen intellektuellen Fähigkeiten verfügt, wird es auch eine entsprechende weiterführende Schulform mit Erfolg besuchen können. Woraus sich allerdings der Anspruch herleitet, grundsätzlich alle Kinder, unabhängig von ihren Fähigkeiten, "nach oben durchzureichen", ist mir schleierhaft. Da verliert doch z. B. das Abitur völlig seinen Sinn. Mit Chancengleichheit hat das für mich nichts zu tun, im Gegenteil wird damit dem einzelnen Schüler die jeweils individuell benötigte Förderung versagt.

  • S
    Sebastian

    Es wäre gut wenn die Videos und Texte von Sir Ken Robinson sich auch im deutschen Raum verbreiten würden...

     

    "What is the argument? In a nutshell, it's that we're all born with immense natural talents but our institutions, especially education, tend to stifle many of them and as a result we are fomenting a human and an economic disaster.

     

    In education, this vast waste of talent involves a combination of factors. They include a narrow emphasis on certain sorts of academic work; the exile of arts, humanities and physical education programs from schools; arid approaches to teaching math and sciences; an obsessive culture of standardized testing and tight financial pressures to teach to the tests.

     

    The result is a disastrous waste of talent among students and their teachers. To sense the scale of this disaster, you only have to look at the alarming rates of turnover among faculty and the levels of drop out, disaffection, stress and prescription drug use among students. Even for students who stay the course and do well in education, the rules of success have changed irrevocably. Just look at the plummeting value of college degrees."

     

    http://edition.cnn.com/2009/OPINION/11/03/robinson.schools.stifle.creativity/index.html

     

    http://sirkenrobinson.com/skr/read

     

    Mehr kann ich zu dem ganzen Thema fast nicht mehr sagen, mir kommt sonst zu schnell die Galle. :(

  • A
    Astraia

    Mauermer "Es gibt in BaWü ca. 50 verschiedene Arten, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben"

     

    ach wirklich? Bayern hat 62 --- alle eure 16 Bildungssysteme haben andere Regularien wie in einem Bananenstaat!

     

    nichts ist hier einheitlich - jeder hat andere Regeln, andere Schulen, Ausbildungen gibts hüben mal mit und drüben mal ohne Abitur....,FOS,BOS --- in BaWü hat bald jede Industriebranche ihre eigene Oberstufe ....und wer sich fürs Technikgymnasium entscheidet, darf sich nicht für Bio zeitgleich interessieren..... und nicht mal genug Schulplätze im 2. Bildungsweg..

     

     

     

    in anderen Ländern macht man das ganz einfach!

     

    http://www.papakurahigh.school.nz/index.php?option=com_content&view=article&id=115&Itemid=100

     

    Wow! Ist das aber leicht!! Da ist ja echt für jeden was dabei. Und die suchen sich das auch noch selber aus.

     

    und wie leicht es ist, ein Schulsystem gerechter zu machen! Unglaublich simpel!!!

  • A
    Astraia

    Mauermer sagt "Der "normale" Weg via Grundschule-Gymnasium ist hier mittlerweile nur noch zu ca. 50% der übliche Weg. ""

     

    Lieber Herr Mauermer,

     

    welches logische Defizit ergibt sich aus dieser Aussage?!

     

    Antwort: Wenn diese Schüler sowieso in der Lage sind einen höheren Bildungsabschluss zu erhalten und offensichtlich kein Intelligenzdefizit bestanden hat, wieso müssen sie dann extra über einen 2. Bildungsweg kommen? Wieso durften die nicht gleich auf ein Gymnasium? Wieso muss man in Deutschland mehrfach die Sekundarstufe 2 besuchen und anderswo nicht? wieso gibt es im 2. Bildungsweg oft nicht genug Schulplätze für alle Interessierten, sowohl an Tagesschulen als auch an Abendschulen?

     

    Wieso führt der Besuch der Sekundarstufe 2 - anders als international und in allen Nachbarstaaten üblich nicht automatisch durch mehr allgemeinbildende Anteile zu einem Abitur, was deren Bildungsweg verkürzen würde.

     

    wieso wohl gibt es in Deutschland im 2. Bildungsweg so viele alte Studenten mit schlechteren Berufsaussichten wg. Altersdiskriminierung?

     

    in anderen ländern führt JEDER erfolgreiche Besuch der Sekundarstufe 2 -auch von beruflichen! zu einer Studienberechtigung - Ausnahme Deutschland! Weil das hier was Exklusives sein soll genau wie Allgemeinbildung.

     

    ich weiß nicht, was sie wollen: Faktisch handelt es sich immernoch um das Schulsystem des Kaiserreichs.

    Warum beschweren sie sich? Und zu Kaisers Zeiten durfte ein Robert Bosch nicht mal studieren - war Handwerksgeselle und Realschüler -- Technisches war noch verpöhnt als niedere Bildung! Der Ausgleich erfolgte erst später über Realgymnasien und Ingenieur war lange kein Studium, erst als Handwerkswissenschaften etabliert wurden.

     

    und in der MODERNEN Gesellschaft ist übrigens JEDER ein Bürger! Auch der Handwerker ist nicht nur das einfache Volk! Warum gibts also noch Spezialschulen für Handwerker? - man meint dann immer für theoretisch Unbegabte.

     

    wir sind alle Bürger hier! Also gehören ALLE in die eine Schule für den Bürger - wie in modernen Ländern dieser Welt.

     

    ob diese Botschaft jemals in der BRD verstanden wird über 200 Jahre nachdem Humboldt die erste Gesamtschule kreieren wollte 1809 - bleibt weiterhin fraglich.

  • W
    webmarxist

    @Mauermer

     

    Und wer hats bereits verraten? Ja genau, der dafür so gescholtene Thilo Sarrazin hat genau ihre Erfahrungen in seinem Buch beschrieben. Das Potential der vielen fremdstämmingen Kinder ist niedriger als der deutschen Kinder, deshalb sinken Pisaergebnisse und Schulleistungen.

  • W
    webmarxist

    Bei türkisch-arabischen Migranten ist das mit dem Medizinstudium tatsächlich sehr unwahrscheinlich, wo soviele nicht einmal die dumme Hauptschule schaffen.

  • M
    Mauermer

    Seltsam, im Kaiserreich und in der Weimarer Republik hatten wir ein extremes Auswahlverfahren. Allein in den zwanziger Jahren gingen acht von zehn Nobelpreisen an Deutsche. So schlecht kann ein frühzeitig ansetzendes Auswahlverfahren also gar nicht sein.

     

    Die soziale Herkunft spielt keine Rolle bei der Benotung. Den Lehrern und der Schule sind die Berufe und/oder der soziale Status der Eltern nicht bekannt, wozu auch. Wir haben seit Jahrzehnten Chancengleichheit, nur diese ist eine Holschuld, keine Bringschuld. Und, Chancengleicheit bedeutet nicht Ergebnisgleichheit, dies wird gern verwechselt.

     

    Da ich als leidgeplagter Zuhörer die Misere jeden Abend hören darf..., hier meine Zusammenfassung: Die Kinder, die heute in die Schule kommen, sind gegenüber meiner Generation zurückgeblieben. So etwas wäre 1965 nicht schulfähig gewesen. Die meisten oder doch sehr viele können keinen Apfel, nicht mal eine Banane schälen, können sich nicht die Schuhe selbst zubinden, die Feinmotorik ist schlecht ausgeprägt, die Aufmerksamkeitsspanne beträgt max. 10 Minuten, die sprachliche Ausdrucksfähigkeit ist bescheiden. Die Kinder werden von ihren Eltern systematisch verzärtelt, vor allem und jedem beschützt, sogar vor sich selbst. So können sie kaum Selbstbewußtsein entwickeln, sind ständig auf Hilfe angewiesen und nahezu orientierungslos im Alltag. Ein konzentriertes Arbeiten in der Schule ist so nicht möglich.

     

    Zurück zu oben: Die frühe Trennung nach Schularten ist eine Hilfe! Der sehr gute Schüler wird auf das Gymnasium gehen, der mittlere auf die Realschule und der normale Schüler auf die Hauptschule, so sie noch existiert. Jeder erhält so die Förderung, die er benötigt. Das längere gemeinsame Lernen ist eine Vergewaltigung der besseren Schüler als Hilfslehrer. Das ist aber bei der üblichen linken Gleichmacherei auch nicht anders zu erwarten, gelten doch (Hoch)begabte in vielen Fällen als irgendwie verdächtig.

    Es gibt in BaWü ca. 50 verschiedene Arten, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben, notfalls auf dem zweiten Bildungsweg (so wie ich, Arbeiterkind). Der "normale" Weg via Grundschule-Gymnasium ist hier mittlerweile nur noch zu ca. 50% der übliche Weg. Unser Schulsystem ist extrem durchlässig, man muss sich nur kümmern. Aber, auch das wird gern vergessen, ohne Mitarbeit, ohne Fleiß beim Lernen, ohne eigenes Üben wird das nichts werden. Als ich studierte, habe ich in der dritten Woche des Semesters den Stoff der ersten wiederholt und bin bis zu den Klausuren dabei geblieben, den Stoff immer wieder zu überarbeiten. Die, die meinten, ein Studiums sei vorwiegend Freizeit und müsse "Spaß" machen, waren nach dem Grundstudium nicht mehr immatrikuliert...Wenn ich heute oft lesen muss, mein gutes Einkommen sei ungerecht usw. läuft mir die Galle über. Ein Ingenieurdiplom findet man nicht in der Cornflakesschachtel! Es muss erarbeitet werden. Aber Arbeit gilt ja einigen als Körperverletzung oder Grausamkeit und die lieben Kleine dürfen ja nicht mit einer Viertelseite Text überfordert werden.

     

    Der Grund, warum so viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto in die Schule fahren ist der, dass Laufen so gefährlich ist, seitdem so viele Eltern ihre Kinder in die Schule fahren...Auch da würde es helfen, den Kindern ein gewisses Maß an Selbstständigkeit zuzugestehen und sie laufen oder mit dem Bus oder Rad fahren zu lassen. Sonst raubt man ihnen einen Teil der Kindheit und der Privatsphäre.

  • D
    Dirk

    "Noten auf den Prüfstand zu stellen."

     

    Da schrillen bei mir alle Alarmglocken. Während überall in der Arbeitswelt alles und jedes seit einigen Jahren bis zum Exzess gemessen werden soll, wieder dieses ideologische Gequake von der Benotung als Übel.

    Übrigens: Das seit 1990 CDU-regierte Sachsen ist m.E. in der Bildung vor allem deshalb so erfolgreich und durchlässig, weil man nicht ständig etwas Neues ausprobiert hat, sondern das ursprüngliche Schulkonzept durchgezogen hat.

  • VE
    von Ebstorff

    Wundert mich überhaupt nicht, dass die Zahl der Rückstufungen höher ist als die der Höherstufungen. Fast überall regiert der Elternwille, und da ist es schon fast die Regel, dass ehrgeizige Mütter die Einschätzung der Grundschullehrkräfte nach oben korrigieren, und die Lehrer sitzen dann da in der 5. Klasse am Gymnasium und haben zehn Kinder mit Realschulempfehlungen. Die Fehleinschätzung der Eltern führt dann zu den Rückstufungen auf das realistische Niveau und zu den Ergebnissen der Studie - die natürlich Wasser auf die Mühlen der unsäglichen Bertelsmann-Stiftung sind. Die Ursachen werden nicht genannt, Hauptsache, es passt ins Konzept...

  • L
    Lena

    Fast ausschließich in den Ländern, in denen seit über 40 Jahren rumreformiert wird, sind die Leistungen derart grottenhaft!!!

     

    Soll man jemandem mit mit begrenzten geistigen Fähigkeiten einreden, dass er unbedingt Arzt werden muss?

     

    Ist jetzt nur noch jemand etwas wert, der "Abitur" gemacht hat?

    Brauchen wir keine Krankenpfleger, Handwerker und andere Menschen mit qualifizierten Ausbildungen?

     

    Die Grünen fordern so einiges. Ihre eigenen Kinder schicken sie aber auf Gymnasien. Denn ihre eigenen Kindern sollen nicht mit Ali und Aishe unterrichtet werden. Für Sozialexperimente werden mal wieder Arbeiterkinder geopfert!!

  • L
    Lena

    Das deutsche Schulsystem ist ein Skandal für einen demokratischen Staat. Vergessen wir nicht, dass es in Preußen als Auslesemechanismus entstanden ist, um für die wirtschaftliche und politische Entwicklung notwendige allgemeine Bildung für jeden zu ermöglichen, gleichzeitig aber den sozialen Aufstieg der Kinder aus sogenannten niederen Schichten zu verhindern. Was vor etwa 200 Jahren modern und sogar revolutionär war, hat sich längst ausgelebt. Es sind andere Zeiten und sie stellen ganz andere Anforderungen an die Schule als einen hörigen Untertanen mit starrem Tunnelblick zu formen.