Kommentar Globale Armut: Lieber jammern als freuen
Ja, die Messverfahren sind nicht optimal. Ja, im Paradies sind wir nicht angekommen. Dennoch: Der Weltbankbericht zur globalen Armut ist ein Grund zur Freude.
S chlechte Nachrichten sind viel besser als gute. Dieses Prinzip beherrscht nicht nur den Journalismus, sondern auch die Politik. Vielleicht ist das der Grund, warum die großen Entwicklungsorganisationen eine hoffnunggebende Neuigkeit bis heute nicht kommentiert haben: Statistiken der Weltbank zufolge sind die Millenniumsziele der Vereinten Nationen bereits erreicht worden. Die Zahl der sehr armen Menschen weltweit ist zwischen 1981 und 2008 dramatisch gesunken, insgesamt wurde die globale Armut halbiert.
An diesen Zahlen kann man nun viel kleinliche oder grundsätzliche Kritik üben. Ja, die Messverfahren sind wahrscheinlich nicht optimal. Ja, China hat den größten Beitrag zum Abbau der Armut geleistet, im südlichen Afrika hat sie teilweise zugenommen. Und im Paradies sind wir auch noch nicht angekommen. Aber nicht alles wird schlechter, manches wird auch besser.
Aus dem Privatleben kennt man diese Dialektik, nur in der Politik soll sie merkwürdigerweise nicht mehr gelten. Im Rückblick auf die neoliberalen Jahrzehnte bietet sich die Einsicht an, dass die Globalisierung auch ihre guten Seiten hatte. Deregulierung und Privatisierung sind keine Garantie für Entwicklung, aber sie scheinen einen gewissen Beitrag geleistet zu haben, die Lage hunderter Millionen Menschen zu verbessern.
ist Autor der taz.
Indem sie diese Fortschritte ausblenden, verschließen Entwicklungsorganisationen wie Misereor, Venro, Welthungerhilfe oder auch Attac die Augen vor der Realität. Damit arbeiten sie hart am Rande der Ideologieproduktion. Komisch eigentlich – man könnte die gute Nachricht doch auch als Erfolg eigener Arbeit interpretieren. Aber es überwiegt wohl die Angst, das ritualisierte Geschäftsmodell in Frage zu stellen. Jammern bringt mehr Aufmerksamkeit und Geld als Freuen.
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