Kommentar Weissrussland: Zum Abschuss freigegeben
Bereits die Verkündung des Urteils gegen die Todeskandidaten mobilisierte 270.000 Personen in Belarus. Die Exekution der beiden Männer könnte noch größere Auswirkungen haben.
W er noch gehofft hatte, der Staatspräsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, würde mit den Todeskandidaten Dmitri Konowalow und Wladislaw Kowaljow ein Einsehen haben, sieht sich leider eines Besseren belehrt. Mit seiner Weigerung, von der Möglichkeit der Begnadigung Gebrauch zu machen, hat Lukaschenko beide im wahrsten Wortsinne zum Abschuss freigegeben.
Vielleicht wurden die Männer, deren Verantwortung für mehrere Anschläge das Gericht nicht einmal im Ansatz nachweisen konnte, bereits hingerichtet. Den Zeitpunkt der Tötung im staatlichen Auftrag geheim zu halten und die Angehörigen der Verurteilten im Unklaren zu lassen – auch das hat in Belarus Methode und offenbart einmal mehr den menschenverachtenden Charakter dieses Regimes.
Alles dies passiert nicht auf einem entfernten Kontinent, sondern mitten in Europa, also quasi vor der Haustür. Dieser Umstand macht in erschreckender Weise deutlich, dass der Westen weder ein passendes Rezept im Umgang mit derartiges Regimes hat noch über ein Instrumentarium verfügt, um dem wahnwitzigen Treiben Lukaschenkos Einhalt zu gebieten. Es werden Resolutionen verfasst und Einreise-Sanktionen gegen führende Vertreter des Systems verhängt. Doch diese Mittel taugen offensichtlich nicht dazu, die Staatsmacht zu beeindrucken. Die hat es mittlerweile offensichtlich ja nicht einmal mehr nötig, Gefangene als Faustpfand einzusetzen, um Brüssel Zugeständnisse abzutrotzen.
Dennoch: Minsk sollte gewarnt sein. Bereits die Verkündung des Urteils mobilisierte 270.000 Personen in Belarus, sich mit ihrer Unterschrift für die Verurteilten einzusetzen. Deren drohende oder schon erfolgte Exekution dürfte dazu führen, dass sich noch mehr Menschen von dem Regime abwenden und ihrem Unmut auch Ausdruck verleihen. Und so könnte sich die jüngste Entscheidung des selbsternannten Diktators Lukaschenko als Bumerang erweisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
US-Präsidentschaftswahlen
Die neue Epoche
Pro und Contra zum Ampel-Streit
Sollen wir jetzt auch wählen?
US-Präsidentschaftswahlen
Warum wählen sie Trump?
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod