Hörkrimireihe: Hier spricht die Polizei
Mit "Noch nicht mal Mord" senden alle ARD-Anstalten in diesen Tagen den 50. "Radio-Tatort". Die vier Jahre alte Kooperation ist ein Erfolg.
„Es ist 16.30 Uhr, da kann doch ein deutscher Beamter mal gucken, was im Fernsehen kommt“, sagt der Chef. Was will man auch sonst in Hamm machen. Scholz weiß, wer hierher versetzt wird, hat richtig Scheiße gebaut.
Hamm ist eine polizeiinterne Rehamaßnahme für Zocker wie Scholz (Uwe Ochsenknecht), für die mit vielen „Diszis“ und für Alkoholiker wie Lenz (Matthias Leja) vom LKA in Düsseldorf, der von sich sagt: „Ich sauf’ clever.“
Im 50. ARD-„Radio-Tatort“ „Noch nicht mal Mord“ muss der Strafversetzte bei strömendem Regen im Klärwerk antreten, wo ein Toter aus dem Fäkalienbecken gezogen wird – eine bedrückende Kulisse also zum Jubiläum der Reihe, die vor vier Jahren mit dem WDR-Krimi „Der Emir“ als eine Art Pilotprojekt begann, weil alle ARD-Anstalten an Produktion wie Ausstrahlung beteiligt sind. Pro Monat kommt jeweils eine neue Folge hinzu, die auch mehrere Wochen zum Download bereitsteht.
Millionenpublikum vorm Radio
Die Zahlen der hauseigenen Marktanalyse sind beachtlich: Im Schnitt hören pro Folge 1,1 Millionen deutschlandweit zu. Dementsprechend ist Ekkehard Skoruppa, Hörspielchef beim federführenden SWR, „sehr zufrieden“, glaubt aber auch, dass sich die Qualität der durchweg soliden Produktionen „in Zukunft noch steigern lässt“.
Die Idee zur Reihe habe es im ARD-Verbund lange vor den ersten Gesprächen vor sechs Jahren gegeben, erzählt Skoruppa. Heute besprächen alle Macher einmal im Jahr die Perspektiven der Krimireihe. „Da wird schon ziemlich kontrovers diskutiert“, sagt Skoruppa schmunzelnd.
Auch für die Autoren lohnt sich das Kooperationsprojekt. Sie erhalten das dreifache Honorar pro Folge – inklusive eines „Aufschlags“ für die Downloads. Pro Krimi verzeichnet die Statistik mittlerweile um die 200.000 Zugriffe im Netz. Vorsichtig geschätzt, dürfte das Schreibersalär damit zwischen 7.500 und 9.500 Euro pro Folge liegen.
Themenvielfalt von Sicherungsverwahrung bis Atomausstieg
Auch wenn die Redaktionen für den ARD-„Radio-Tatort“ einen klaren narrativen Rahmen – sogenannte Ermittlerkrimis, mit gesellschaftskritischem Bezug – abgesteckt haben, kann Thilo Reffert relativ frei arbeiten. Er schreibt für den MDR die Geschichten des LKA-Ermittlerduos Jost Fischer und Annika de Beer aus Magdeburg. Zuletzt ging es um Sicherheitsverwahrung, und im Sommer steht der Atomausstieg auf dem Programm.
Trotz allen Freiraums „setzen wir uns schon früh mit einen sehr konkreten Exposé zusammen und beraten“, sagt Reffert. Ähnliches erzählt auch WDR-Redakteur Georg Bühren, der „Noch nicht mal Mord“ betreut hat. In Köln sei man von der Reihe „generell überzeugt“. Wobei der „Radio-Tatort“ bei 100 Hörspielneuproduktionen im Jahr lediglich eine Nebenrolle spielen dürfte. „Die Marke ist für kleine Anstalten relevanter“, so Bühren.
In Köln hat man bis jetzt acht Folgen mit dem kantigen LKA-Mann Felix Lenz produziert. Dabei ist Lenz eigentlich der Sidekick von Hauptfigur Nadir Taraki (Mark Waschke), der aber in der aktuellen Folge „Noch nicht mal Mord“ krankheitsbedingt im Innendienst festsitzt. Ein Solo für Lenz also, das in äußerst hörenswerter Schimanski-Romantik als herrlich liebevolle Satire auf Region, Polizei und eines der „Logistikzentren Westfalens“ daherkommt. Dessen Kripochef Scholz löst den Fall dann ganz alleine, außerhalb von Dienstzeit und Dienstvorschrift – man ist ja schließlich in Hamm.
Sendetermine und Download: radiotatort.ard.de
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